Das gestern veröffentlichte Strategiepapier des BMBF zur Wissenschaftskommunikation ist zunächst einmal eine positive Sache. Doch es bleibt an entscheidender Stelle vage. Interessant sein wird, wie die Ideen nun umgesetzt werden, kommentiert der Kommunikationswissenschaftler Mike Schäfer.
Zu oft im Ungefähren
Bundesbildungs- und -forschungsministerin Anja Karliczek hat seit ihrem Amtsantritt im März 2018 mehrfach eine verbale Lanze für die Wissenschaftskommunikation gebrochen. Diese liege ihr ganz besonders „am Herzen“, gab sie wiederholt zu Protokoll und versprach die Entwicklung einer Strategie, mit der sie und ihr Ministerium die Wissenschaftskommunikation in Deutschland nachhaltig stärken wollten.
Diese Strategie liegt nun vor. Nachdem bereits vor einem Jahr ein erstes Strategiepapier im Berliner Futurium von geladenen Expertinnen und Experten kritisch diskutiert wurde, hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) jetzt ein vierseitiges Grundsatzpapier veröffentlicht. Es skizziert das Leitbild des BMBF in puncto Wissenschaftskommunikation und daraus abgeleitete Maßnahmen.
Dabei sichert sich das Papier sorgsam nach allen Seiten ab: Es lobt die Aktivitäten von Wissenschaft im Dialog, des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation NaWiK, des Science Media Centers und des Wissenschaftsjournalismus allgemein. Es betont, dass Wissenschaftskommunikation ebenso „aufklären“ und „versachlichen“ wie den Dialog suchen und Vertrauen stärken solle, dass sie dabei die „Gesellschaft in ihrer Breite“ erreichen sowie „grundständig im Wissenschaftssystem“ verankert werden müsse.
Wer das Papier liest, wüsste nun aber vor allem gern, wie genau denn das BMBF diese Ziele erreichen möchte und was die spezifische Rolle des Ministeriums im Konzert der einschlägigen Stakeholder und Förderorganisationen sein soll. Und in dieser Hinsicht bleibt das Papier zu oft im Ungefähren. Einige Beispiele:
- Für die meisten Menschen ist ein „vielfältiger, unabhängiger und kritischer Wissenschaftsjournalismus“, wie er im Grundsatzpapier gefordert wird, sicherlich wünschenswert. Aber mit welchen Maßnahmen will man der klaren und weit über Deutschland hinaus reichenden Erosion des Wissenschaftsjournalismus denn wirksam Einhalt gebieten – und steht der Ausbau institutioneller Wissenschaftskommunikation dem nicht vielleicht sogar entgegen?
- Was muss man sich konkret unter der „Einrichtung einer dezidierten Förderrichtlinie“ für die Forschung zu Wissenschaftskommunikation vorstellen, aus der noch dazu ein „Kapazitätsaufbau“ resultieren soll? Geht es um ein spezielles Förderprogramm des BMBF, mit dem die „science of science communication“ finanziert werden soll? Wenn ja: Wie wird es dotiert sein, wann ist es zu erwarten, wie lange wird es laufen? Und wird es sich um etwas qualitativ anderes handeln als die üblichen zwei- bis dreijährigen Projektförderungen? Diese haben durchaus ihren Nutzen, aber sie sind kaum dazu geeignet, nachhaltig Kapazitäten aufzubauen und personelles sowie infrastrukturelles Wachstum innerhalb eines kleinen und volatilen Forschungsfeldes zu ermöglichen.
- Der konkreteste Vorschlag des Papiers ist die Einrichtung der „#FactoryWisskom“, innerhalb derer Stakeholder unterschiedlicher Couleur einen Strategieprozess gestalten sollen. Aber man fragt sich, ob das nicht schon die Aufgabe des vorliegenden Papiers gewesen wäre, das ja bereits einen solchen Strategieprozess durchlaufen und zahlreiche Konsultationen mit den wichtigsten Akteurinnen und Akteuren hinter sich hat.
Zudem wirken die Vorschläge des Grundsatzpapiers über weite Strecken eigentümlich altbacken. Als „innovative Formate“ werden „Bürgerforschung“, „Bürgerdialoge“ und „partizipatives Agendasetting“ genannt. Neue Medien werden nur am Rande und ausschließlich als Ort von Wissenschaftskritik erwähnt. Chancen, die mit sozialen und mobilen Medien sowie technischen Innovationen verbunden sind, werden nicht erwähnt.
Schließlich ist irritierend, dass die Rolle der auf Wissenschaftskommunikation fokussierten Forschung im Papier unterbelichtet bleibt. Die anvisierte Denkwerkstatt etwa scheint ohne Forschende auszukommen, die Zwecke, Mittel und Erfolge der Wissenschaftskommunikation analysieren (anders als dies etwa in den USA praktiziert wird). Gerade wenn man die Verbreitung „evidenzbasierter Antworten“ in der Gesellschaft mittels Wissenschaftskommunikation befördern will, wie es das BMBF dezidiert tut, dann sollte man auch bei der Ausgestaltung eben jener Wissenschaftskommunikation auf Evidenzbasierung setzen. Dann aber hätte die Forschung zur Wissenschaftskommunikation mehr als nur zwei kurze Absätze sowie konkretere Vorschläge im Grundsatzpapier verdient.
Bleibt zu hoffen, dass bei der praktischen Umsetzung der Strategie in diesen Punkten noch nachgebessert wird. Wenn das BMBF und seine Ministerin ihre Wertschätzung für das Thema Wissenschaftskommunikation mit langem Atem und gestalterischer Kraft umsetzen, können sie diesem wichtigen Thema entscheidende Impulse geben.
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.+
- Mehr zum Grundsatzpapier des BMBF auf Wissenschaftskommunikation.de:
- Interview mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek
- Kommentar von Josef Zens vom GFZ Potsdam
- Kommentar von Günter Ziegler von der Freien Universität Berlin
- Weitere Beiträge zum Thema: