Wie Wissenschaftskommunikation zur künstlichen Intelligenz wahrgenommen wird, erforscht das Center for Rhetorical Science Communication Research on Artificial Intelligence, gefördert von der VW-Stiftung. Im Interview geben Olaf Kramer vom Seminar für Allgemeine Rhetorik und Annette Leßmöllmann vom KIT Einblicke in die geplanten Forschungsvorhaben.
„Ziel des ganzen Projekts ist es, zu einer informierten Debatte über künstliche Intelligenz zu kommen“
Herr Kramer, Frau Leßmöllmann, Sie wollen untersuchen, wie die Kommunikation zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) auf Menschen wirkt. Wie möchten Sie das mit dem neu gegründeten Konsortium erreichen?
Olaf Kramer: Ziel des ganzen Projekts ist es, eine informierte Debatte zu künstlicher Intelligenz anzustoßen. Das ist etwas ganz anderes als PR zu machen, Dinge zu kuratieren, aufzupolieren oder aufzuhübschen, damit sie gut ankommen. Wir wollen erfassen, was künstliche Intelligenz bei Menschen für Assoziationen auslöst, welche Sorgen und Hoffnungen Sie mit dem Thema verbinden.
Es soll immer eine direkte Rückbindung zwischen Kommunikationspraxis an Forschungsergebnisse und von Forschung an Kommunikationspraxis geben. Daher wollen wir die Diskurse zum Thema künstliche Intelligenz in der Gesellschaft nicht nur verstehen, sondern auch darüber nachdenken, wie sich diese Kommunikation weiterentwickeln oder verbessern kann und wo besondere Schwierigkeiten der Kommunikation zum Thema liegen. Ein weiterer Punkt ist, eine kritische Perspektive einzunehmen. Künstliche Intelligenz wirkt ja schon jetzt stark in die Gesellschaft hinein, in Diskurse und beeinflusst die öffentliche Meinungsbildung. Es gilt die Gesellschaft darüber aufzuklären und zu überlegen, was das eigentlich bedeutet.
Welche Partner*innen sind im Konsortium vertreten, um diesen Fragen nachzugehen?
Annette Leßmöllmann: Bei der Ausschreibung der VolkswagenStiftung sollten drei Säulen vertreten sein. In unserem Konsortium sind die Fachwissenschaften überwiegend durch die KI-Forschung des Cyber Valley vertreten. Dann gibt es eine rhetorische, linguistische und medienwissenschaftliche Forschung über KI-Diskurse in der Wissenschaft und die Perspektive der Praxis bietet Wissenschaft im Dialog*.
Das Ziel ist, Kommunikation als Ganzes anzuschauen. Also nicht nur zu fragen, was das Publikum damit macht, sondern auch wie die Forschung mit den Dingen umgeht, die das Publikum macht. Als Beispiel sei hier das Cyber Valley genannt, gegen das sich sofort Bürgerinitiativen gewehrt haben. Die Reaktion des Publikums hat eine Auswirkung auf die Forschung. Die fängt an nachzudenken, kann selbstkritisch, aber auch abwehrend werden. Wir wollen sehen, wie die Leute reagieren UND wie die Forschenden daraufhin agieren oder reagieren.
Vier neue Zentren zur Erforschung der Wissenschaftskommunikation
Die VolkswagenStiftung fördert mit insgesamt 15 Millionen Euro vier neue Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung. Auf die Ausschreibung „Wissenschaftskommunikation hoch drei“ konnten sich Projekte bewerben, in denen die Perspektiven Wissenschaftskommunikationsforschung, Fachwissenschaft und Kommunikationspraxis zusammenwirken. Der Förderzeitraum beträgt fünf Jahre und kann um maximal drei Jahre verlängert werden. Die Stiftung erreichten 27 Anträge von Konsortien verschiedener Institutionen aus 24 Ländern. Wie Ende Juni 2021 bekannt wurde, erhielten folgende Zentren den Zuschlag: The Munich Science Communication Lab zum Thema „Communicating Planetary Health“, The Kiel Science Communication Network zum Thema „Evolving Visualizations for Evolving Health“, das Rhine-Ruhr Center for Science Communication Research und das Tübinger Center for Rhetorical Science Communication Research on Artificial Intelligence.
Leßmöllmann: Die Idee in der Linguistik, Rhetorik und Medienwissenschaft ist, sich den gesamten Diskursraum anzuschauen. Wir haben vor, verschiedene Repositorien, also Corpora, zu erstellen. Einerseits mit fiktionalen Inhalten, denn wie KI in Videos, Serien, in Kunst oder Filmen reflektiert wird, sollte systematisch untersucht werden. Andererseits gibt es de Corpus mit Medieninhalten von der Lokalpresse über Blogbeiträge, Youtube-Videos, Twitterthreads und so weiter. Zusätzlich wird es auch Aufzeichnungen von den Engagement-Formaten geben, die wir umsetzen. Die werden wir ebenfalls analysieren. Der dritte große Punkt ist die Analyse der politischen Debatten über KI und zu sehen, wie die Politik damit umgeht.Fiktionale Narrative schlagen auch auf mediale, journalistische, politische Darstellungen durch. Auch dem wollen wir nachgehen.
Inwiefern werden bei der Kommunikation zu KI-Themen Emotionen oder Assoziationen beim Publikum ausgelöst?
Kramer: Es gibt die Informationen auf der Sachebene, die kommunikativ gut aufbereitet sein müssen, damit Dinge transparent und klar dargestellt werden und Menschen überhaupt verstehen, was da passiert. Dieses Verständnis entsteht allerdings nicht nur auf der rationalen Ebene, sondern es gibt auch eine sehr stark emotionale Reaktion auf das Thema KI. Es kann eine Faszination auslösen, es kann Menschen dazu treiben, sich mit der KI auseinanderzusetzen, es kann aber auch in die Richtung von Ängsten gehen. Diese emotionalen Aspekte gilt es ernst zu nehmen und zu verstehen. Zusätzlich können bestimmte Bilder existieren. Wenn Leute künstliche Intelligenz hören, dann denken sie möglicherweise an den Star-Wars-Roboter, der mit ihnen spricht, menschenähnlich aussieht und aus Metall oder Kunststoff besteht. Dieses Bild führt vielleicht dazu, dass andere Themengebiete überhaupt nicht wahrgenommen werden.
Leßmöllmann: Die Frage ist auch, wie Menschen über KI reden und andererseits, wie sie zum Beispiel auch PR-Aktivität über KI beurteilen. Beispielsweise bei den Anti-Cyber-Valley-Bürgerinitiativen, da wird dann schon auch gesagt, die erzählen uns X, meinen aber Y. In diesen Fällen wird auch die Kommunikation zum Thema KI beurteilt.
Wie können ihre gesammelten Erkenntnisse dann auch wieder in die Praxis einfließen?
Kramer: Das Zentrum ist in fünf Units eingeteilt. Die ersten beiden sind auf die Analyse ausgerichtet. Die dritte befasst sich mit der kommunikativen Kompetenz, die vierte ist die Event-Unit. Beide Einheiten werden sehr auf die Wissenschaft und auf die Menschen, die im Cyber Valley arbeiten und in anderen Bereichen der KI-Forschung aktiv sind, zugehen. Dort wollen wir Weiterbildungsangebote auf den Weg bringen. Es geht darum herauszufinden, welche Wirkung Kommunikationsakte von Forschenden haben und eine kommunikative Kompetenz aufzubauen.
Die Wirkung nach außen erfasst die Event-Unit. Das ist einerseits Wissenschaft im Dialog und hinzu kommen Cyber Cafés zum Thema KI und die Ask-a-Scientist-Reihe, bei der wir auch in Richtung Schüler*innen gehen wollen. Eigentlich wollen wir die Ergebnisse unserer Forschung in alle Events hineingeben, die versuchen, den Austausch mit der Stadtgesellschaft aufrechtzuerhalten, um den Dialog zwischen Wissenschaftler*innen und der Öffentlichkeit zu fördern. Und um das Ganze abzuschließen: Unit 5 versucht in die Zukunft zu schauen und aus Sicht der KI-Forschung wichtige Themen vorherzusehen, die in die Gesellschaft hineinwirken und über die man einen Diskurs führen sollte.
Wie wollen Sie es angehen, den erwünschten Austausch zu ermöglichen?
Kramer: Wir werden Formate entwickeln und umsetzen, die Dialog überhaupt erst ermöglichen. Schon kleine Variationen im Setting könne nämlich viel ändern und Polarisierung vermeiden. Beispielsweise haben wir im Rahmen der Auseinandersetzung im Cyber Valley Diskussionsabende gesehen, bei denen eigentlich das Format schon zur Konfrontation und Polarisierung beiträgt. Wenn ich beispielsweise eine Podiumsdiskussion plane und zwei Kritiker*innen und zwei Wissenschaftler*innen zum Thema einlade, dann sind die Rollen klar verteilt: die einen sind pro die anderen sind contra. Dabei gibt es zwangsläufig Auseinandersetzungen und Konflikte und keine Seite fühlt sich in dieser Situation wohl. Wenn ich ein anderes Format wähle, in dem ich Leute gleichberechtigt zu Wort kommen lasse und Positionen sich auch verändern können, dann vermeide ich diese Art von Polarisierung.
Leßmöllmann: Da fließen auch eigene Erfahrungen rein, wie das Projekt meines Lehrstuhls „Wissenschaft für alle“. Hier wurden einige Erkenntnisse gewonnen, wie man in einen Dialog auf Augenhöhe kommt, der die Leute wirklich einlädt und nicht von vornherein das Gefühl gibt, sie würden abgewertet werden.
Kramer: Aus Tübinger Sicht sind natürlich auch die „Science Notes“ ein Referenzpunkt. Wichtig ist es nämlich, die Prozesse zu verstehen, die hinter den Ergebnissen von Forschung liegen. Außerdem gilt es Vertrauen aufzubauen und wissenschaftliche
Forschung in die Gesellschaft zu holen.
Wie können interessierte Menschen in ihre laufenden Forschungsprozess Einblicke bekommen?
Kramer: Zur Zeit existiert zunächst nur ein Twitter-Kanal. Aber wir werden bald auch eine größere öffentlichkeitswirksame Eröffnungsveranstaltung auf den Weg bringen, um Aufmerksamkeit auf unser Zentrum zu lenken. Zugleich planen wir eine aktive Medien-Arbeit, wollen im Team eine Kultur des öffentlichen Austauschs und der Debatte leben. Wir denken zudem auch an Multiplikatoren-Szenarien, kooperieren dazu lokal mit Volkshochschulen und einem Theater, national mit einem Netzwerk von Lehrkräften. Es wird natürlich auch Tagungen geben, um in Kontakt mit der Fachcommunity zu kommen. Und: wir planen ein großes Event als eine Art Open-Air-Veranstaltung, um das Thema Künstliche Intelligenz auch selbst in die breitere Öffentlichkeit zu tragen.
Leßmöllmann: Wir träumen davon, unsere Corpora öffentlich zugänglich zu machen – mindestens aber der Wissenschaft. Allerdings sind die datenschutz- und urheberrechtlichen Hürden für unsere geplanten Corpora sehr hoch. Aber ich fände es schon prima, wenn wir Usern die Möglichkeit geben könnten, mit unseren Daten weiterzuarbeiten und selbst nachzuspüren, wie KI-Narrative medial fortwirken.
*Das Karlsruher Institut für Technologie und Wissenschaft im Dialog sind auch zwei der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.
Interviews mit weiteren geförderten Zentren der „Wissenschaftskommunikation hoch drei“ Ausschreibung: