Wieso sollten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben ihrer primären Forschungsarbeit auch in TV-Sendungen oder gar Talkshows auftreten? Wir haben nachgefragt und direkte Erfahrungen und Meinungen von Forschenden erhalten.
Wollen Forschende in Fernsehsendungen und Talkshows auftreten?
Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftler forschen primär, schreiben Publikationen, gehen auf Fachkongresse, sind an der Lehre beteiligt und vieles mehr. Sollten sie nun auch noch Forschungsinhalte allgemeinverständlich für ein breiteres Publikum darstellen und dies auf vielfältigen Bühnen tun? Warum sollten sie überhaupt in den Medien auftauchen und wie empfinden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es eigentlich, wenn sie oder ihre Kolleginnen und Kollegen in einer ganz anderen Rolle im Rampenlicht auf einer Bühne stehen? Wir haben Pro- und Contrastimmen zu diesen Fragen erhalten.
Onur Güntürkün, Professor für Biopsychologie an der Ruhr-Universität Bochum, Communicatorpreisträger 2014
„Ich sehe mich als Wissenschaftler im Elfenbeinturm, der da nie raus will. Natürlich bin ich den Steuerzahlenden gut verständliche Erklärungen schuldig, denn sie haben mir schließlich diesen Turm gebaut. Aber ich finde es peinlich, mich im Fernsehen zu sehen, und während solcher Sendungen sehne ich mich nach meinem Labor/Laptop zurück. Ich sehe Kommunikation als meine genuine Pflicht, die ich sehr ernst nehme, aber die ich nicht um ihrer selbst willen betreiben würde. Schlimm finde ich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die schon lange keine mehr sind, aber ständig öffentlich die Welt erklären. Ich möchte nicht in so eine Rolle rutschen und achte deshalb darauf, dass ich mich nie in bunte Formaten verirre und dass ich meine Mediendiät auch genau einhalte. Kurzgefasst, ich bin der Öffentlichkeit Erklärungen schuldig, aber nicht um den Preis, dass ich aufhöre, ein ernsthafter Wissenschaftler zu sein.“
Daniel Angerhausen, promovierter Astrophysiker am Center for Space and Habitability in Bern, Explainables Founder und Scienceslammer
„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten auf jeden Fall mehr kommunizieren. Es kommt aber auch sehr darauf an, wie kommuniziert wird. Ich finde es zum Beispiel sehr wichtig, dabei Laien das wissenschaftliche Denken näher oder bei zu bringen, und nicht von oben aus dem Elfenbeinturm herab die Wahrheit zu predigen.
Ich persönlich nutze jede Gelegenheit, vom Plausch mit der Taxifahrerin oder dem Supermarktkassierer bis zum Cocktailempfang mit Philanthropen, um (nicht nur) meine Forschung zu erklären. Deshalb denke ich auch, dass Forschende und ihre Forschung in Talkshows auftreten sollten – warum zum Beispiel nicht auch mal eine Wissenschaftssparte in den Nachrichten? Jede kurze News Sendung hat einen Sport- und Börsenteil, den höchstens ein Bruchteil des Publikums interessiert.
Wichtig ist, dass es nicht immer dieselben Gesichter sind. Ich fände es zum Beispiel wichtig, mehr Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Raum in den Medien zu geben, anstatt den üblichen drei alten, weißen, männlichen TV-Wissenschaftlern. Das wäre eine viel größere Inspiration für die kommende Generation von Forschenden.“
Alfred Pühler, Senior Research Professor am Centrum für Biotechnologie der Universität Bielefeld.
„Seit der Übernahme einer Senior Research Professur am CeBiTec der Universität Bielefeld komme ich verstärkt mit Medien in Berührung. Dies ergibt sich aus meiner Tätigkeit als Koordinator eines vom BMBF geförderten Netzwerks (de.NBI), das den Aufbau einer Bioinformatik-Infrastruktur in Deutschland betreibt. Dieses Netzwerk hat die Aufgabe, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem lebenswissenschaftlichen Bereich bei der Auswertung großer Datenmengen behilflich zu sein. Meine Aufgabe als Koordinator besteht nun darin, das de.NBI-Netzwerk in Deutschland bekannt zu machen. Dafür nutze ich klassische und neuere Kommunikationsmöglichkeiten. Wir veröffentlichen Artikel in wissenschaftlichen Fachjournalen, aber auch in allgemein ausgerichteten Zeitschriften. Neuere Medien wie Twitter und Youtube werden in der Zwischenzeit ebenfalls eingesetzt. Auf der Webseite informieren wir mit einem Imagefilm über das Projekt.
Anmerken kann ich, dass der Auftritt vor einer Kamera nach wie vor die Ausnahme darstellt und dass Dreharbeiten eigentlich immer dann erfolgreich verlaufen, wenn ein detailliertes Drehbuch vorliegt.“