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Wissenschaftskommunikation unter Sparzwang

Einsparungen zwingen die Wissenschaftskommunikation zum Umdenken. „Mann beißt Hund“ war eine der ersten großen Kommunikationsagenturen, die das zu spüren bekam. Die Gründer*innen Marcus Flatten und Nicola Wessinghage fragen: Kann sich die Branche neu erfinden?

Fast 25 Jahre haben wir als „Mann beißt Hund – Agentur für Kommunikation“ Kund*innen aus der Wissenschaft strategisch beraten, Konzepte entwickelt, sie in der Kommunikation unterstützt und Veranstaltungen kommuniziert – mit Leidenschaft und erfolgreich. Neben der Wissenschaft hatten wir viele gesellschaftlich relevante Themen im Portfolio, fast immer für öffentliche Auftraggeber*innen. Dabei boten wir Beratung, Moderation und Umsetzung an. Mit unserem Stammtisch Wissenschaftskommunikation haben wir zur Vernetzung in der Branche beigetragen und unser Know-how auf Konferenzen, über Social Media und einen Blog geteilt. Damit waren wir viele Jahre sehr erfolgreich, zuletzt mit fast 30 Mitarbeitenden.

Zu Ende August dieses Jahres haben wir unsere Agentur geschlossen. Die Nachricht hat viele überrascht, nicht wenige bestürzt. Auch für uns und unser Team war das Ende ein großer Einschnitt.

„Dennoch passt unsere Entwicklung in die Zeit und ist die Folge verschiedener Trends. Trends, die sich für uns negativ ausgewirkt haben, die aber bei neutraler Betrachtung auch positive Seiten haben.“ Marcus Flatten, Nicola Wessinghage
Wie ist es dazu gekommen?
In den vielen Jahren haben wir immer wieder mit Krisen zu tun gehabt. Zuletzt hat uns die Pandemie mit großen Einnahmeausfällen konfrontiert. Das alles konnten wir gut bewältigen. Diesmal aber war es deutlich anders. Seit dem letzten Jahr sind unsere Auftraggeber*innen zunehmend von Einsparungen betroffen, die ausgeschriebenen Budgets sinken. Unsere Kosten dagegen steigen mit der Inflation, die sich zum Beispiel auf Energiekosten, Einkauf von Dienstleistungen und Gehälter auswirkt. Es gab keinen Anlass zu hoffen, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern würde. Die Unsicherheit unserer Kund*innen zeigte sich in Budgetkürzungen und -verschiebungen. Aufträge, für die es bereits Zusagen gab, lagen auf Eis. Zudem fanden wir deutlich weniger Ausschreibungen, die zu uns passten. Auch die Zahl direkter Anfragen hatte abgenommen.

In dieser Situation haben wir uns entschlossen, die Reißleine zu ziehen, bevor existenzielle Probleme eine kreative Arbeit unmöglich gemacht hätten. Natürlich war das unsere individuelle Entscheidung. Dennoch passt unsere Entwicklung in die Zeit und ist die Folge verschiedener Trends. Trends, die sich für uns negativ ausgewirkt haben, die aber bei neutraler Betrachtung auch positive Seiten haben.

Stärkere Professionalisierung
Am auffälligsten ist, dass die Kommunikation der Organisationen, für die wir lange gearbeitet haben, professioneller geworden ist. Die zuständigen Stellen sind gewachsen und verfügen über mehr Ressourcen, Kommunikationskanäle und Kompetenzen. Sie können auch ohne Agenturen mehr bewältigen als früher. Die Kommunikation profitiert davon. Sie entsteht in der Organisation selbst, wird authentischer und erspart sich den Aufwand des Outsourcings. Aufträge werden zunehmend nur noch punktuell vergeben.

Stagnierende Preise
Leider reichen vereinzelte Anfragen aus der Wissenschaft jedoch nicht aus, um mittelgroße Agenturen wie unsere am Leben zu erhalten. Ein weiterer Aspekt ist der Verfall der Preise für ausgelagerte Kommunikationsdienstleistungen öffentlicher Einrichtungen. Anstelle einer freien Preisfindung wurden in den letzten Jahren häufig Budgets für definierte Aufgaben vorgegeben. Das verhindert zwar einen Unterbietungswettbewerb und garantiert den Auftraggeber*innen, ihre vorhandenen Mittel nicht zu überziehen. Allerdings lesen sich die für Agenturen verbindlichen Leistungsbeschreibungen gelegentlich wie „Wunschkonzerte“, die zum vorgegebenen Preis kaum zu realisieren sind.

„Mit dem Verständnis für den Bedarf an Wissenschaftskommunikation wachsen zugleich die Anforderungen, die wissenschaftliche Organisationen an ihre Kommunikator*innen stellen.“ Marcus Flatten, Nicola Wessinghage
Gestiegene Anforderungen
Mit dem Verständnis für den Bedarf an Wissenschaftskommunikation wachsen zugleich die Anforderungen, die wissenschaftliche Organisationen an ihre Kommunikator*innen stellen. Diese werden deshalb auch in Zukunft immer wieder auf Unterstützung von außen angewiesen sein, sei es bei personellen Engpässen, wenn Fachwissen gefragt ist, große Projekte anstehen oder bei anderen besonderen Anlässen. Oft sind Impulse von außen notwendig, um einen Blick über den eigenen Tellerrand zu ermöglichen und die längerfristige Strategie zu entwickeln. Doch dazu gehört nicht nur professionelles Kommunikations-Know-how, sondern auch ein tiefes Verständnis der wissenschaftlichen Arbeit und ihrer Prozesse. Daher sollten Agenturen in gut ausgebildetes Personal investieren, ihre Mitarbeitenden weiterbilden und die entsprechenden Arbeitsbedingungen schaffen, um sie zu halten.

Mangelnde Planbarkeit
Selbst ausreichende Budgets werden für Agenturen unwirtschaftlich, wenn Zeitpläne nicht eingehalten werden können. Wir mussten immer wieder damit umgehen, dass sich interne Abstimmungen auf Kund*innenseite monatelang hinzogen oder bereits zugesagte Mittel zurückgehalten wurden. Das brachte uns in die schwierige Lage, Kapazitäten ungenutzt zu lassen und mit der Personalplanung jonglieren zu müssen. Dabei sind wir uns bewusst, dass die Gründe für die Verzögerungen oftmals nicht direkt bei unseren Ansprechpartner*innen auf Kundenseite zu suchen waren.

„Daher sollten Agenturen in gut ausgebildetes Personal investieren, ihre Mitarbeitenden weiterbilden und die entsprechenden Arbeitsbedingungen schaffen, um sie zu halten.“ Marcus Flatten, Nicola Wessinghage

Lösungsansätze
„Mann beißt Hund“ war bislang eine von wenigen „Full-Service“-Agenturen für Hochschul- und Wissenschaftskommunikation – von der Konzeption bis zur Umsetzung in nahezu allen Disziplinen. Dass wir eine Lücke hinterlassen, können wir aus den vielen wertschätzenden Rückmeldungen auf unser Abschiedsmailing schließen. Trotzdem glauben wir, dass unser Geschäftsmodell ausgedient hat.

Zu unterschiedlich sind die Anforderungen, zu wenig planbar der Aufwand, zu knapp die Budgets. Man mag diese Entwicklung beklagen, aber es gilt, einen Umgang damit zu finden. Denn auch unsere bisherigen Auftraggeber*innen müssen mit den Budgets zurechtkommen, die ihnen zur Verfügung stehen. Die Konsequenz: Externe Kommunikationsdienstleistungen müssen effizienter und flexibler werden.

Um zum Beispiel eine funktionierende, benutzerfreundliche und ästhetisch ansprechende Website zu produzieren, braucht man eine gute Internetagentur, die genau das kann. Vielleicht in Zusammenarbeit mit kompetenten Texter*innen und Fotograf*innen. Ähnliches gilt beispielsweise für die Werbung in sozialen Medien, die Suchmaschinenoptimierung oder die Produktion von Filmen.

Aber wer kann beraten, wenn eine größere Kampagne, Veranstaltung oder Initiative mit mehreren Akteur*innen geplant werden soll und Einblicke in wissenschaftliche Themen und Prozesse gefragt sind? Oder wenn Sparringpartner*innen für die Kommunikation an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft gebraucht werden? Wer unterstützt die Planung kreativer und neuer Projekte? Die Kommunikation eines Exzellenzantrags oder eines Themas wie „transdisziplinäre Forschung“ inklusive der dafür zu erstellenden Kommunikationsmittel? Agile Netzwerke können diese Lücke schließen. Sie können sich je nach Anforderung aus einzelnen, zum Teil hoch spezialisierten Dienstleister*innen und Berater*innen neu bilden – je nach Projekt mal mit, mal ohne Wissenschaftskompetenz.

Dies spiegelt den Wandel in der gesamten Branche wider. Weg von starren Modellen, hin zu flexiblen, interdisziplinären Ansätzen, die den wachsenden Anforderungen und knappen Budgets gerecht werden.

Die redaktionelle Verantwortung für diesen Beitrag lag bei Anna Henschel. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.