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Contra: Wissen­schafts­kommunikation kostet Geld

Wissenschaftler, die sich um Wissenschaftskommunikation bemühen, sind keine Märtyrer für den guten Zweck, sondern Idioten. Darüber müssen wir mal reden, sagt die Physikerin Sabine Hossenfelder. Ein Plädoyer gegen die Verpflichtung zur Wissenschaftskommunikation.

Ich schreibe seit 10 Jahren einen Weblog zum Thema Physik. Ich mache das, weil ich denke, dass die breite Öffentlichkeit die Relevanz meines Forschungsthemas unterschätzt. Natürlich denke ich das, denn woran ich arbeite ist selbstverständlich das interessanteste Thema der Welt. Klar, nicht jeder stimmt mir zu. Klar ist aber auch, dass ich so meine Erfahrung habe mit der Wissenschaftskommunikation. Und meiner Erfahrung nach sind Wissenschaftler, die sich um Wissenschaftskommunikation bemühen, keine Märtyrer für den guten Zweck, sondern Idioten. Darüber müssen wir mal reden.

Es ist nämlich so, dass im Gegensatz zu Wissenschaftsjournalisten, Wissenschaftler selbst häufig keinen Cent für den Aufwand sehen, den es macht, ein schwieriges Thema allgemein verständlich darzustellen. Es kommt dazu, dass die meisten Wissenschaftler Wissenschaftler sind, weil sie gut sind in der Wissenschaft. Sie haben in der Regel weder die Kompetenz noch das Interesse, Wissenschaftskommunikation nebenbei zu betreiben. Und doch erwarten viele Universitäten und Forschungsinstitutionen, dass Wissenschaftler genau das machen. Noch dazu unbezahlt.

Das funktioniert nicht. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie das schiefgeht. Wenn Administratoren erwarten, dass Wissenschaftler Öffentlichkeitsarbeit machen, dann ist das Ergebnis im besten Fall miserabel, im Normalfall nicht existent. Die meisten Wissenschaftler machen lieber etwas anderes, nämlich das, wofür sie angestellt wurden: Wissenschaft. Gute Wissenschaftskommunikation, auf der anderen Seite, habe ich dort gesehen, wo professionelles Personal für die Aufgabe eingestellt wurde.

Engagement in der Wissenschaftskommunikation ist für die Karriere im Wissenschaftsbetrieb nutzlos

Der Mangel an Bezahlung ist für viele Wissenschaftler vermutlich nicht einmal das Ausschlaggebende. Wichtiger ist, dass ein Engagement in der Wissenschaftskommunikation derzeit für die weitere Anstellung im Wissenschaftsbetrieb nutzlos ist. Während Lehre und Betreuung von Studenten hoch angerechnet wird, interessiert es niemanden, ob man jahrelang einen Weblog geschrieben hat, von dem zehntausende Leser, die meisten Studenten, aktuelle Forschungsthemen aufgepickt haben.

Es ist also nicht verwunderlich, dass viele Wissenschaftler wenig Anreiz in der Wissenschaftskommunikation sehen. Universitäten und andere Institutionen, die ganz oder teilweise von Steuergeldern finanziert werden, und die kein Personal für Wissenschaftskommunikation einstellen, sind daher für die Öffentlichkeit oft  undurchsichtige Geldschlucker. Das ist mehr als nur ein Ärgernis. Der Mangel an Wissenschaftskommunikation entkoppelt den Fortschritt in der Forschung vom Wissenstransfer in die Gemeinschaft. Wenn keiner versteht, was wir in der Forschung tun, macht das die Wissenschaft verdächtig. Es öffnet Verschwörungstheorien die Tür.

Es mangelt an qualifiziertem Personal oder, mit anderen Worten: an Geld

Aufgrund der Erwartung, dass Wissenschaftler nebenbei noch ihre Forschung der Öffentlichkeit erklären, wird Wissenschaft derzeit nicht gut kommuniziert. Es mangelt an qualifiziertem Personal oder, mit anderen Worten: an Geld. In der EU im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen gibt es derzeit fast keine nützlichen Finanzierungsmittel für Wissenschaftskommunikation. Es gibt nur manchmal Kleckergelder von Privatstiftungen.

Foto: Ausserhofer Stifterverband
Foto: Ausserhofer Stifterverband

Ironischerweise ist es als Wissenschaftler oft einfacher Finanzierung für Eigenwerbung zu finden, als für allgemein fortbildende Öffentlichkeitsarbeit. Das liegt daran, dass man Ausgaben zur Selbstbeweihräucherung bei manchen Forschungsprojekten abrechnen kann. Das nur mal so als Beispiel für den Unsinn der Situation. Wenn die Öffentlichkeit auf dieser Art und Weise überhaupt Information erhält, darf man also berechtigt die Objektivität der Quelle anzweifeln.

Niemand kann alles

Der Ursprung des Problems, dass Wissenschaftskommunikation so vernachlässigt wird, ist, dass Akademiker die Vorteile von beruflicher Aufgabenteilung noch nicht kapiert haben. Deshalb sind Wissenschaftler heute nicht einfach Wissenschaftler. Sie sind Forscher und Lehrpersonal, Gruppenleiter, Strategieplaner, Konferenzorganisatoren, Geldeinwerber, Bucheditoren und jetzt auch noch Kommunikationsexperten.

Aber niemand kann alles. Wir würden daher alle profitieren, wenn Wissenschaftler ihre Aufgaben näher spezialisieren könnten und diese Spezialisierung für den beruflichen Werdegang anerkannt würde. So könnten manche zum Beispiel eine Zusatzausbildung zur Gruppenleitung machen, andere zur Strategieplanung oder eben Öffentlichkeitsarbeit. Und die, die das derzeit nebenbei und unbezahlt machen, sollten darauf pochen, dass sie für ihre Arbeit angemessen bezahlt werden. Denn: Was nichts kostet ist nichts wert.

Wissenschaftskommunikation ist zu wichtig, um sie Wissenschaftlern als unbezahlte Überstunden aufzuladen.


Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.