Heute erscheint das Wissenschaftsbarometer 2018. Wir haben bei Projektleiterin Ricarda Ziegler nachgefragt, was die spannendsten und überraschendsten Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage zu Wissenschaft und Forschung sind.
Wissenschaftsbarometer 2018 – die neuen Ergebnisse sind da!
Frau Ziegler, was ist beim Wissenschaftsbarometer 2018 neu?
Im Vorfeld des letztjährigen Wissenschaftsbarometers hatten wir bereits eine ganze Reihe von Veränderungen vorgenommen, sowohl methodisch, als auch inhaltlich. So haben wir 2017 zum ersten Mal einen Dual-Frame-Ansatz genutzt. Das bedeutet, dass wir anders als zuvor unsere Teilnehmenden nicht nur über das Festnetz erreicht haben, sondern 20 Prozent von ihnen auf ihrem Mobilfunkanschluss. Auch den Fragebogen hatten wir an einigen Stellen verändert beziehungsweise ausführlicher gestaltet. Im Vergleich dazu haben wir in diesem Jahr eher wenig verändert.
Aber auch in diesem Jahr haben wir wieder Fragen aus dem Vorjahr weggelassen und dafür andere Aspekte ganz neu ergänzt. Unter anderem haben wir den Fragenblock zum Informationsverhalten bezüglich Wissenschaft und Forschung wieder aufgenommen und sogar ausgebaut. In diesem wird abgefragt, wo und wie sich die Befragten über Wissenschaft informieren. Ganz aktuell mit reingenommen haben wir verschiedene Aussagen zur Wahrnehmung von Wissenschaft. Dabei wird abgefragt, wie relevant die Teilnehmenden Wissenschaft generell finden und wie Komplexität und Kontroversen wahrgenommen werden. Zudem gibt es auch eine Frage, die sich damit befasst, wie die Befragten es beurteilen, wenn wissenschaftliche Ergebnisse bei Wiederholungsstudien nicht bestätigt werden.
Im letzten Jahr hatten wir außerdem eine offene Frage nach den Eigenschaften einer guten Wissenschaftlerin oder eines guten Wissenschaftlers gestellt. Auf Basis dieser Ergebnisse haben wir in diesem Jahr eine neue Frage aufgenommen, welche die Zustimmung zu verschiedenen Aspekten gestützt erfasst.
Wie wird entschieden, welche Fragen in die Umfrage kommen und welche Schwerpunkte gesetzt werden?
Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum einen überlegen wir, welche Anschlussfragen sich aus den letzten Umfragewellen ergeben. Daraus hat sich beispielsweise in diesem Jahr die Frage ergeben, welche Eigenschaften einen guten Wissenschaftler oder eine gute Wissenschaftlerin ausmachen. Zum anderen schauen wir, welche Themen aktuell in der Gesellschaft, im Wissenschaftssystem und in der Forschung zu Wissenschaftskommunikation relevant sind. Das erfolgt in enger Abstimmung mit dem Beirat des Wissenschaftsbarometers, dem Lenkungsausschuss von Wissenschaft im Dialog und unseren Projektpartnern. So ist der diesjährige Schwerpunkt rund um die Komplexität und Vorläufigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse entstanden.
Neben der Aktualität und Relevanz ist es für uns sehr wichtig, auch Fragen aus den Vorjahren wieder aufzugreifen, um zeitliche Vergleiche zwischen den Jahren anstellen zu können.
Gibt es im Bezug auf die neuen Frage Ergebnisse, die Sie überrascht haben?
Es zeigt sich zum Beispiel, dass bei den Fragen zum Informationsverhalten zu Wissenschaft und Forschung das Internet an die zweite Position hinter Fernsehsendungen gerückt ist. Damit hat es Artikel in Zeitungen und Magazinen und die persönliche Kommunikation überholt. Darüber hinaus finde ich bei den Ergebnissen rund um die Wahrnehmung der Wissenschaft spannend, dass rund zwei Drittel der Befragten wissenschaftliche Forschung wichtig für den Alltag finden. Sie beschäftigten sich mit Wissenschaft und Forschung, weil sie nach Antworten auf konkrete Fragen suchen. Ich finde es zeigt, dass Wissenschaft besonders dann eine Rolle für die Menschen spielt, wenn sie unmittelbar mit deren Lebenswirklichkeit zu tun hat.
Positiv überrascht hat mich zudem, dass über 60 Prozent der Befragten der Meinung sind, dass Kontroversen zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hilfreich sind. Diese trügen dazu bei, dass sich am Ende die richtigen Ergebnisse durchsetzen. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Frage ab, wie die Teilnehmenden wahrnehmen, dass manche wissenschaftlichen Ergebnisse nicht reproduzierbar sind. Hier war nur eine Minderheit von 17 Prozent der Meinung, dass es zeigt, dass man daher der Wissenschaft in diesem Bereich nicht vertrauen kann. Die große Mehrheit sieht darin eine erfolgte Qualitätskontrolle innerhalb der Wissenschaft. Vor diesem Hintergrund sind dann über drei Viertel der Befragten der Meinung, dass Irrtümer und deren Korrektur zur Wissenschaft dazugehören.
Ebenso spannend finde ich, dass bei der Frage nach den Eigenschaften guter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zwar alle abgefragten Eigenschaften recht große Zustimmung erfahren. Gleichzeitig erfahren die eher sozialen Fähigkeiten wie Kommunikations- oder Teamfähigkeit die geringste Zustimmung.
Ein Thema des Wissenschaftsbarometers, das traditionell am häufigsten diskutiert wird, ist die Frage nach dem Vertrauen in die Wissenschaft. Wie ist es darum bestellt?
Wir haben zum Thema Vertrauen eine Frage, die „Wie sehr vertrauen sie in Wissenschaft und Forschung?“ lautet. Da sind die Werte im Vergleich zum Vorjahr stabil. (Anmerkung der Redaktion: 54 Prozent vertrauen voll und ganz oder eher, 39 Prozent sind unentschieden und 7 Prozent vertrauen eher nicht oder nicht; Werte 2018) Auch wenn man sich die Zustimmung zu den Gründen ansieht, aus denen man Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vertrauen oder misstrauen kann, sind die Ergebnisse sehr ähnlich zu denen des Vorjahres. Die Abhängigkeit von Geldgebern ist nach wie vor mit großem Abstand der Grund für Misstrauen, der die meiste Zustimmung erfährt. Hier gibt es zwar eine Veränderung auf 67 Prozent Zustimmung für diesen Grund im Vergleich zu 76 Prozent im letzten Jahr, aber die Zustimmung ist immer noch deutlich stärker als in Bezug auf die anderen abgefragten Gründe.
Gibt es also die Vertrauenskrise, von der vielfach gesprochen wird, gar nicht?
Zumindest aus unseren Daten, die allerdings auch nur bis 2014 zurückreichen, lässt sich tatsächlich keine generelle Vertrauenskrise ableiten. Das bedeutet aber keineswegs, dass es nicht sein kann, dass sich etwas am Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit verändert. Aber mit unseren Surveydaten lässt sich dies nicht belegen.
Abgesehen vom Vertrauen, welche Ergebnisse sind für Sie besonders spannend für die Wissenschaftskommunikation und die Wissenschaft?
Ich denke gerade aus den Ergebnissen der Fragen nach der Wahrnehmung nicht reproduzierter wissenschaftlicher Ergebnisse und zu den Eigenschaften guter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lässt sich einiges für die Wissenschaftskommunikation ableiten. Zum einen zeigen die Antworten zu den Eigenschaften für mich, dass wir in der Kommunikation noch mehr Wert darauf legen sollten, auch die sozialen Faktoren und Kontexte in der Wissenschaft mitzukommunizieren. In den letzten Jahren wurde verstärkt versucht, Prozesse und Methoden sichtbar zu machen. Die aktuellen Ergebnisse zeigen für mich aber, dass wir eben stärker auch an Wissenschaft als soziales System denken müssen, wenn wir Wissenschaftskommunikation betreiben.
Zum anderen zeigen die Ergebnisse zur Einschätzung nicht reproduzierter wissenschaftlicher Ergebnisse für mich, dass man den Bürgerinnen und Bürgern durchaus etwas zutrauen kann, wenn es um die Bewertung und Einschätzung bestimmter Forschungsthemen geht und wir sie aktiv in Debatten mit einbinden sollten. Und ich glaube, daraus, dass die Befragten die Alltagsrelevanz von Wissenschaft wichtig finden, lässt sich ebenfalls einiges für die Wissenschaftskommunikation ableiten. Wir sollten so kommunizieren, dass die Menschen Wissenschaft und Forschung als etwas wahrnehmen, in dem sie konkrete Antworten in verschiedenen Lebenslagen finden können.
Auch die Ergebnisse der verschiedenen Fragen und Aussagen, die sich mit den Motiven in der Wissenschaft und von Wissenschaftlern beschäftigen, sind sowohl für die Wissenschaft interessant als auch für die Wissenschaftskommunikation. 46 Prozent der Teilnehmenden an unserer Umfrage waren unentschieden, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Wohl der Gesellschaft arbeiten oder aus anderen Motiven. Das ist nicht nur für die Wissenschaftskommunikation relevant, sondern auch für das System Wissenschaft.
Alle Informationen zum Wissenschaftsbarometer 2018 finden sie hier.