Foto: Frederic Köberl, CC0

Wissenschaftliche Politikberatung – Vermittler zwischen zwei Systemen

Wissenschaftliche Politikberatung gewinnt auch in Deutschland verstärkt an Bedeutung. Worauf es dabei ankommt? Darüber haben wir mit Christian Kobsda, assoziierter Forscher am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft gesprochen. Bei der „Impact School: Science Transfer in the 21st Century“ spricht er heute mit Nachwuchsforschenden über das Thema.

Herr Kobsda, wieso ist die Politik aus Ihrer Sicht eine Zielgruppe für wissenschaftlichen Impact?

Die Relevanz von Forschung kann durchaus auch jenseits der Wissenschaft liegen. Der Impact kann also ein gesellschaftlicher sein. Zielgruppen des Transfers sind zum Beispiel Industrie und Zivilgesellschaft aber eben auch die Politik. Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die die  gesellschaftliche Relevanz ihrer Forschung selbst in den Blick nehmen, ist es deshalb interessant, sich mit den Akteuren auseinanderzusetzen, die Forschung in die Umsetzung bringen können – und zu diesen Akteuren gehört die Politik.

Was macht die Politik speziell als Zielgruppe?

Christian Kobsda ist Assoziierter Forscher am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und Mitherausgeber des Blog-Journals elephantinthelab.org. Foto: privat
Christian Kobsda ist assoziierter Forscher am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) und Mitherausgeber des Blog-Journals Elephantinthelab.org. Foto: privat

Ganz generell sollte man sich, wenn man impactorientiert forscht, Gedanken machen, wie die jeweilige Zielgruppe, die man adressieren will, arbeitet. Man muss sich mit den Stakeholdern, in diesem Fall politischen Akteuren, auseinandersetzen und vor allem auch verstehen, wie die Arbeit in diesem Bereich funktioniert. Bei der Politik kann man sich gut vergegenwärtigen, dass es Funktionslogiken, Abhängigkeiten, Geschwindigkeiten und auch Zielsetzungen gibt, die sich von denen in der Wissenschaft unterscheiden. Einen Rat an politische Entscheidungsträger zu geben, heißt beispielsweise nicht, selbst Politik zu betreiben, sondern in erster Linie Expertise anzubieten. Diese Expertise sollte so angeboten werden, dass sie nicht nur für wissenschaftliche Expertinnen und Experten verständlich ist und so aufbereitet sein, dass sie die politische Umsetzungsdimension beschriebt. Sie muss dabei schnell und leicht rezipierbar sein und trotzdem den Kriterien guter Wissenschaft entsprechen.

Wie gut funktioniert wissenschaftliche Politikberatung aus Ihrer Sicht in Deutschland?

Wir haben noch ein sehr junges System der wissenschaftlichen Politikberatung, aber wir haben vor allem in den letzten Jahren entscheidende Schritte voran gemacht. Wir haben eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Einrichtungen und Think Tanks, die sich in der wissenschaftlichen Politikberatung in Deutschland inzwischen gut etabliert haben. Auch die Gründung der Nationalen Wissenschaftsakademien hat da sicherlich viel bewirkt, da ist in den letzten Jahren eine Art informelles Qualitätssiegel entstanden. Insgesamt zeigt sich, dass das Interesse für diesen Bereich größer geworden ist und politische Akteure einen Bedarf an wissenschaftlicher Beratung signalisieren.

Sie sprechen von einem jungen System. War wissenschaftliche Politikberatung früher nicht so wichtig oder notwendig oder weshalb gibt es sie noch nicht so lange?

Ich glaube, sie war eigentlich immer schon wichtig, aber es gibt sicherlich heute eine größere Offenheit dafür. Das liegt unter anderem daran, dass wir es heute politisch mit komplexeren Szenarien zu tun haben und stärker global agieren. Politische Probleme sind facettenreicher geworden und nicht mehr so prognosefähig. Solche komplexen Szenarien zu analysieren ist eine der Expertisen von Forschenden. Auch deshalb hat die Nachfrage nach wissenschaftlicher Politikberatung zugenommen, was wiederum die Professionalisierung des Bereichs auf wissenschaftlicher Seite nach sich zieht – etwa mit Blick auf interdisziplinäre Fragestellungen mit gesellschaftlicher Relevanz.

Wissenschaftliche Politikberatung ist ja aber nicht immer von Erfolg gekrönt, wie beispielsweise die aktuellen Entwicklungen im Bereich Grüner Gentechnik zeigt. Wie nehmen Sie so etwas wahr?

Hier geht es aus meiner Sicht vor allem um Erwartungsmanagement auf der wissenschaftlichen Seite. Wenn man die wissenschaftliche Expertise als Beratungsangebot sieht, dann muss man auch bedenken, dass die Expertise, die man anbietet, nur ein Teil dessen ist, was für die politische Entscheidung eine Rolle spielt. Das liegt an den unterschiedlichen Funktionslogiken zwischen Politik und Wissenschaft. In der Politik gibt es oft ganz andere Beschränkungen für Entscheidungen und da spielen eben auch andere Dinge als die wissenschaftliche Perspektive bei der Entscheidungsfindung eine Rolle. Das Fazit, zu dem die wissenschaftliche Expertise einen führt, ist nicht immer auch das, was sich politisch zur Umsetzung anbietet. Trotzdem ist es wichtig, wissenschaftlichen Rat anzubieten. Aber man muss wissen, dass er nicht die einzige Entscheidungshilfe ist, die die politische Akteure sich einholen. Genau dafür versuche ich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu sensibilisieren, wenn ich Seminare und Workshops zur wissenschaftlichen Politikberatung gebe. Ich versuche, die Unterschiede der beiden Systeme herauszuarbeiten und die verschiedenen Einflussfaktoren präsent zu machen.

Wie groß ist denn das Interesse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sich im Bereich der Politikberatung zu engagieren?

Ich erlebe eine grundsätzliche Offenheit dafür, Forschung auch an Akteure außerhalb der Wissenschaft zu vermitteln. Dabei ist es je nach Kontext und Inhalt der eigenen Forschung ganz verschieden, welche Zielgruppen es sind. Gerade bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die die gesellschaftlichen Relevanz ihrer Forschung selbst im Blick haben erlebe ich eine große Offenheit und ein großes Interesse dafür, sich mit dieser Arbeit auch an die Politik zu wenden.

Ein Hindernis ist jedoch oft, dass es im akademischen Währungssystem derzeit noch eine sehr untergeordnete Rolle spielt, sich in diesem Bereich zu engagieren. Bei der Bewertung akademischer Leistung werden zumeist ausschließlich akademische Kriterien im engsten Sinne herangezogen. Wenn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich für dieses Feld interessieren, sind sie zumeist intrinsisch motiviert. Das ist zwar schön, aber es wäre ebenso wünschenswert Anreizstrukturen zu haben, die dieses Engagement aktiv fördern und honorieren, denn dann wäre die Bereitschaft sicherlich noch größer.

Bei der Impact School geben Sie einen Workshop zum Thema wissenschaftliche Politikberatung, was genau versuchen Sie dort zu vermitteln?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bekommen dort einen ersten Eindruck davon, was für ein Handwerkszeug es braucht, um die Dinge, die man sonst nur im akademischen Kontext kommuniziert, so aufzubereiten, dass sie auch für politische Akteure interessant und in eine Umsetzung überführbar sind. Dazu ist es vor allem wichtig, dass man sich klarmacht, was wissenschaftliche Politikberatung eigentlich ist. Wir Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops werden ein eigenes Policy Paper konzipieren und lernen worin die Unterschiede zu einer wissenschaftlichen Publikation liegen.

Welche drei Dinge sollten die Teilnehmenden aus dem Workshop mitnehmen?

Am wichtigsten ist es mir, wenn sie eine Begeisterung für das Thema mitnehmen, ganz gleich ob sie bereits vorher interessiert waren oder nicht. Darüber hinaus sollten sie das Verständnis für die unterschiedlichen Handlungslogiken mitnehmen, also einen ersten Eindruck davon, wie Politikberatung funktioniert und welches Handwerkszeug es braucht, um sie zu betreiben. Und bestenfalls führt der Workshop dazu, dass sie am Ende in diesem Bereich aktiv werden wollen. Vielleicht nicht sofort, doch wenn die Teilnehmenden es nach dem Workshop als Option für sich selbst auf dem Schirm haben, dann ist schon viel erreicht. Dabei geht es auch darum, sich bei der eigenen Arbeit regelmäßig zu fragen, ob sie für die Politik relevant sein könnten. Regelmäßig darüber nachzudenken und sich damit zu beschäftigen tut wissenschaftlicher Arbeit ganz allgemein gut, zumal sich durch eine solche Auseinandersetzung häufig auch wiederum Impulse für die Forschung ergeben können.