Welche Wirkung hat Wissenschaftskommunikation? Nur wenige Formen und Formate hat die Forschung dazu bisher eingehend untersucht. Monika Taddicken über das Zusammenspiel mit der Praxis, Messbarkeit von Erfolg und viele noch offene Forschungsfragen.
Wissenschaftliche Begleitung von Wissenschaftskommunikation
Die wissenschaftliche Begleitung von Wissenschaftskommunikation, also eine konkrete Beforschung von praktischen Kommunikationsprojekten, findet derzeit kaum statt. Dabei scheint die Bearbeitung von Fragen aus der Praxis bzw. ein stärkerer Austausch zwischen Praxis und Wissenschaft sinnvoll: Wissenschaftliche Forschungserkenntnisse können von Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren intensiver und direkter genutzt werden – beispielsweise Erkenntnisse dazu, wie Menschen mit bestimmten Inhalten erreicht werden oder welche Wirkungen Formate entfalten können.
Die Sinnhaftigkeit der wissenschaftlichen Begleitung praktischer Wissenschaftskommunikation lässt sich aber auch auf andere Art herleiten.
Wissenschaftliche Begleitung in Zeiten praktischen Experimentierens
Wohl unbestritten ist, dass Wissenschaft ein elementarer Bestandteil unserer modernen Gesellschaft ist und dass alleine deshalb die Kommunikation über sie Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzung sein sollte. Diese Aufgabe gewinnt angesichts aktueller Entwicklungen zusätzlich an Relevanz. So lässt sich in der Wissenschaftskommunikation derzeit eine starke Ausdifferenzierung beobachten. Zahlreiche unterschiedliche Formate sind entwickelt und etabliert worden und zum Teil unterscheiden sie sich deutlich bezüglich Zielsetzung und Darstellungsstil sowie Zielgruppe und Beteiligungsgrad. Es stehen heute (eher) klassische Angebote wie Fernsehdokumentationen, Ringvorlesungen und Tage der offenen Tür neben neueren Formaten wie Blogs, Science Slams, Hackday-Abwandlungen oder Science Cafés. Fast könnte man sagen, dass in den letzten Jahren ein „Experimentierfeld“ der praktischen Wissenschaftskommunikation entstanden ist.
Diese Entwicklung kann von der Wissenschaftskommunikationsforschung zugleich sowohl als Einladung als auch als Begründung für eine wissenschaftliche Begleitung und empirische Evaluation verstanden werden. Es drängt sich die Frage auf: Was bringt’s? Anders formuliert: Wie erfolgreich sind die verschiedenen Formen und Formate der Wissenschaftskommunikation?
Erfolg von Wissenschaftskommunikation vielschichtig verstehen und messen
Dabei ist zunächst zu diskutieren, was das eigentlich bedeutet – erfolgreich. Was ist erfolgreiche Wissenschaftskommunikation, wann ist Wissenschaftskommunikation erfolgreich? Im Kommunikationsalltag relevant ist natürlich die Frage der Reichweite: Wen hat es erreicht – und insbesondere wie viele? Darüber hinaus interessiert in der Praxis auch, wie es dem Publikum gefallen hat, ob es wiederkommt und im besten Fall weiterempfiehlt. Die Zielsetzungen von Wissenschaftskommunikation sind aber genereller als die Frage danach, ob es gefallen hat oder nicht. Ziele sind auch die Vermittlung von Wissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen, Aufklärung, aber auch Erhaltung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit sowie die Akzeptanz wissenschaftlicher Innovationen, zum Teil Veränderungen von Einstellungen und Verhalten, daneben auch Reputations- und Imagemanagement oder ganz grundlegend die Legitimierung von Wissenschaft. Deswegen sollten wir auch die Frage nach dem prinzipiellen Erfolg von Wissenschaftskommunikationsaktivitäten genereller und breiter stellen.
Hier kann die begleitende Wissenschaftskommunikationsforschung einen wichtigen Beitrag leisten, um (zunächst) theoretisch zu klären, zu systematisieren und zu differenzieren. Warum zum Beispiel ist Reichweite eigentlich wichtig? Welche Idee von Öffentlichkeit wird grundsätzlich angelegt – und inwiefern beeinflusst dies die Formulierung konkreter Zielsetzungen von bestimmten Wissenschaftskommunikationsangeboten? Soll gemäß des normativen Prinzips Gleichheit in der Öffentlichkeit hergestellt werden, wird ein diskursiver Austausch innerhalb der Öffentlichkeit sowie zwischen Bürgerinnen und Bürgern und der Wissenschaft angestrebt? Oder dient die öffentliche Kommunikation der Selbstbeobachtung und –beschreibung? Daraus lassen sich durchaus sehr unterschiedliche Zielkonkretisierungen und Konzeptideen für Gestaltung und Inhalte der Wissenschaftskommunikationsangebote ableiten.
Aktuelle Trends noch wenig erforscht
Bei der Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Formen und Formate der Wissenschaftskommunikation scheinen nicht zuletzt zwei Grundgedanken als Leitplanken der Entwicklung gedient zu haben: zum einen Partizipation und Dialog, zum anderen Unterhaltung. Stichworte sind hier ein „Trend zum Event“ und eine „Edutainmentisierung“ der Wissenschaftskommunikation12. Die akademische Seite bewertet dies häufig eher skeptisch als Trivialisierung. Es wird weiter kritisiert, dass „public engagement“ häufig per se als etwas Positives angenommen wird3456 und somit die Einbindung des Publikums zum Selbstzweck geworden ist. Die wissenschaftliche Begleitung mit empirischer Evaluation von spezifischen Angeboten erscheint hier notwendig, um tiefgründiger bewerten zu können, ob und inwiefern tatsächlich positive oder vielleicht sogar negative Effekte für die verschiedenen Beteiligten entstehen.
Bisher aber hat das noch junge Forschungsfeld der Wissenschaftskommunikation keine ausreichende Antwort zu bieten. Es finden sich bislang lediglich vereinzelte Evaluationsstudien. Noch am besten beforscht scheinen die direkt partizipativen Wissenschaftskommunikationsformate mit zum Teil deliberativem Anspruch (also dem Anspruch, die Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungsprozessen zu beteiligen). So gibt es mehrere empirische Untersuchungen zu den sogenannten Consensus Conferences, die insbesondere die Wahrnehmung des Formats durch das Publikum, aber auch eine Einschätzung der Qualität der Ergebnisse7 oder die Wirkung in die Politik hinein8 zum Gegenstand haben. Auch zu Science Festivals und Science Cafés liegen einige Befragungsstudien vor, deren Zielsetzung vor allem die Untersuchung der Besuchsmotivation und der Formatwahrnehmung91011 ist. Daneben werden auch Einstellungen zu Wissenschaft und das wissenschaftsbezogene Mediennutzungsverhalten erfragt12. Dies ermöglicht eine Einordnung des Publikums in vorhandene Bevölkerungstypologien. Somit lässt sich klären, wen derartige Veranstaltungen erreichen – und wen nicht. Darauf aufbauend könnte untersucht werden, warum und wodurch die Besucherinnen und Besucher bzw. die Nutzerinnen und Nutzer erreicht werden – und warum und wodurch nicht.
Mehr und umfassende, nachhaltige und anschlussfähige Forschungen
Insgesamt aber ist festzuhalten, dass erheblicher weiterer Bedarf an empirischen Erkenntnissen zu unterschiedlichen Wissenschaftskommunikationsformaten besteht – insbesondere zu deren Nutzung, Rezeption und Wirkung. Viele der oben nicht abschließend aufgeführten Zielsetzungen sind bislang nicht bzw. kaum behandelt worden. Wissenschaft – und dabei insbesondere, aber nicht ausschließlich, die Kommunikationswissenschaft – bietet viele Theorien und Modelle, die für das Forschungsfeld der Wissenschaftskommunikation genutzt und weiterentwickelt werden können (und damit sowohl hilfreich sind für die ‚praktische‘ als auch für die ‚wissenschaftliche Seite‘).
Dabei sollte die vorhandene Bandbreite empirischer Forschungsmethoden besser als bisher ausgenutzt werden. Bislang finden sich vor allem Fallstudien und Interviews. Detaillierte standardisierte Befragungen, die dabei helfen würden, größere Einordnungen vorzunehmen, kommen dagegen eher selten zum Einsatz. Auch die vermehrte Durchführung von Beobachtungen und experimentellen Designs scheint bezüglich Fragen der Nutzung, Rezeption und Wirkung von spezifischen Wissenschaftskommunikationsangeboten hilfreich. Und nicht zuletzt würden Längsschnitt-Analysen erlauben, zeitliche Veränderungen, mittel- bis langfristige Effekte und womöglich sogar Kausalitäten aufzudecken.
Wissenschaftlich begleiten – wie gelingt es?
Wie sich die wissenschaftliche Begleitung von spezifischen Wissenschaftskommunikationsangeboten ausgestaltet, ist aber nicht nur eine Frage der Erkenntnisinteressen (wie Zielüberprüfungen oder Theorieentwicklung) und der Methoden. Es stellt sich auch ganz praktisch die Frage, wie die wissenschaftliche Begleitung organisiert sein soll. Wie wird sie insgesamt eingebunden? Soll sie beteiligt sein an Konzept(weiter-)entwicklung und Umsetzung des Kommunikationsformats? Findet die wissenschaftliche Begleitung punktuell oder dauerhaft statt? Werden bei der Evaluation auch Strukturen und Prozesse in den Blick genommen oder steht eher der Erfolg des Kommunikationsangebots im Fokus? Diese und viele weitere Aspekte sind bei der Zusammenarbeit von praktischer Wissenschaftskommunikation und akademischer Wissenschaftskommunikationsforschung zu klären. Je enger die Zusammenarbeit ist, desto wichtiger erscheint es, dass beide Seiten das Tun der anderen anerkennen, also deren Grenzen sowie unterschiedliche Zielsetzungen und Erkenntnisinteressen – und damit verbunden eine wechselseitige Kritikfähigkeit.
Die Wissenschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, sowohl in der Grundlagen- als auch in der anwendungsorientierten Forschung, wichtige Impulse zu liefern (vgl. das Selbstverständnis der DGPuK-Fachgruppe Wissenschaftskommunikation). Daraus entsteht eine besondere Herausforderung: Einerseits sollten konkrete Formen und Formate der Wissenschaftskommunikation wissenschaftlich begleitet und empirisch evaluiert werden. Andererseits darf aber auch der Blick auf die Nutzerinnen und Nutzer nicht vernachlässigt werden: Was sind ihre Einstellungen, ihre Haltungen, ihr Wissen? Nur so lässt sich sukzessive und komplementierend die Frage Was bringt’s? beantworten.
Insgesamt erscheint das Forschungsfeld der wissenschaftlichen Begleitung und empirischen Evaluation spezifischer Wissenschaftskommunikationsangebote nicht nur praktisch interessant, sondern auch theoretisch-wissenschaftlich. Sozial relevant ist es allemal. Insofern bleibt zu hoffen, dass sich zukünftig mehr Forscherinnen und Forscher seiner annehmen.
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