Kann eine Stiftung den Wissenschaftsjournalismus wieder stark machen? Eher nicht, kommentiert Josef König die Idee aus einem Beitrag in der Wochenzeitung Die Zeit. Im Gastbeitrag erklärt er seine Bedenken und zeigt auf, warum viele Fragen offen bleiben.
Wissenschaft ist für jeden zugänglich
Was ist von einem Beitrag eines Diplom-Biologen und eines Geobotanikers zu halten, der wissenschaftliche Expertise gegen Fake News fordert, aber im Text behauptet, Eulen könnten „ihren Kopf um 180 Grad drehen“ – statt, richtiger, um 270 Grad? Das mag eine lässliche Sünde sein, sie zeigt aber die Komplexität des Problems: Irren ist ebenso menschlich wie die bewusste Desinformation – und manchmal ist die Ursache schlicht Zeitmangel.
Diese Petitesse steht im Artikel „Wie man Wissenschaft zugänglich macht“ (Zeit, Nr. 42/2018), mit dem sich Volker Stollorz und Reinhard Hüttl mit zum Teil fragwürdigen Argumenten für die Bildung einer Stiftung für Wissenschaftsjournalismus stark machen. Leider versäumen sie aber zu erklären, wofür das Geld verwendet werden soll. Der Beitrag verstärkt die Forderungen, die bereits im Gutachten der Akademien „Zur Gestaltung der Kommunikation zwischen Wissenschaft, Öffentlichkeit und den Medien“ (WÖM II) 2017 in Berlin erhoben wurden: öffentliches Geld für Wissenschaftsjournalismus zu reklamieren. Nur dass sie jetzt Geld aus der Forschungsförderung dafür abzweigen wollen. Ist das gerechtfertigt?
Für ihr Plädoyer deuten sie geschichtliche Tatsachen zum Teil um. Sie behaupten zwar zu Recht, dass nach dem PUSH-Memorandum 1998/99 „viel passiert“ sei, beschränken das aber allein auf die „Wissenschaftskommunikation“– einen Begriff, der zur Zeit des PUSH-Memorandums noch gar nicht im Gebrauch war. Sicher: mittlerweile gibt es bundesweite Wissenschaftsjahre, Hochschulen veranstalten Vorlesungen für Kinder, Universitäten lange Nächte der Wissenschaft und so weiter. Aber historisch falsch ist, dass im selben Zug – wie man aus ihrem Text herauslesen kann – „die öffentlichen und privaten Medien ihre Wissenschaftskompetenz abgebaut“ hätten. Das ist historisch nicht haltbar.
Die fetten Jahre des Wissenschaftsjournalismus
Die Bertelsmann-Stiftung bildete 2000 eine Arbeitsgruppe zur Verbesserung der „Aus- und Weiterbildung von Wissenschaftsjournalismus“, deren Mitglied ich damals war, die auch Journalistinnen und Journalisten in regionalen Medien im Blick hatte. Aus ihr ging 2004 die jährliche Messe für Wissenschaftsjournalismus „Wissenswerte“ (Bremen) hervor sowie weitere regional organisierte Fortbildungen und ebenso die Studiengänge Wissenschaftsjournalismus an der TU Dortmund und der Hochschule Darmstadt. Beide haben viele Journalisten gut ausgebildet und die TU Dortmund und das Karlsruher Institut für Technologie – neben anderen – bilden sie heute noch aus.
Ausbau der Wissenschaftskommunikation unabhängig vom Journalismus
Bei Stollorz und Hüttl liest es sich aber so, als ob die Wissenschaftskommunikation den Wissenschaftsjournalismus verdrängt habe. Der Ausbau der Presse- und Kommunikationsabteilungen in Forschung und Lehre ging aber erst 2005/06 richtig los mit dem Start und als Konsequenz der Exzellenzinitiative von Bund, Ländern, DFG und Wissenschaftsrat. Selbst Unis wie Bayreuth oder Regensburg, die bis dahin nur einzelne Personen in ihren Pressestellen hatten, statteten sie nun besser aus. Später kamen hier wie anderswo Social-Media-Verantwortliche dazu. So schlossen die Kommunikationsabteilungen deutscher Unis auf zu ähnlichen Personalzahlen wie sie britische, schwedische oder niederländische Unis längst hatten.
Abbau im Journalismus und Kontrollverlust über „wahr und falsch“
Dabei ließ nicht allein der Wissenschaftsjournalismus Federn: Die Printmedien konnten den Verlust des Anzeigengeschäfts an die Digitalen Medien nicht mehr kompensieren und rupften ihre Redaktionen gleichzeitig in allen Sparten. Der WAZ-Konzern zum Beispiel hat damals allein im Ruhrgebiet in kürzester Zeit mehr als 450 Journalistinnen und Journalisten „freigesetzt“, darüber hinaus Regionalausgaben und Titel (zum Beispiel die Westfälische Rundschau) eingestellt. Mit der Konzentration entstanden Zentralredaktionen, die seitdem alle Ausgaben des Konzerns beliefern und sie uniformieren. Diesem Beispiel folgten bald andere Häuser, etwa Dumont.
Braucht es wirklich mehr Ausbildung?
Zudem: Gibt es in Deutschland tatsächlich keine ausreichenden Kapazitäten für die Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten – auch mit Wissenschaftsschwerpunkt? Zählen sie nichts, die Studiengänge an Universitäten und Hochschulen, die Journalistenschulen in München, Hamburg und anderswo, die Kurse des Deutschen Journalistenverbandes, von Haus Busch und anderen – um nur einige prominente Namen zu nennen? Drängender noch: Wo sollen die zusätzlich Ausgebildeten ihre Beiträge loswerden? Es gibt bereits reichlich gute Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten. Sie finden nur keine Jobs und wandern deshalb in die PR ab. Warum also die Ausbildungskapazitäten erweitern? Die Antwort darauf bleiben die Autoren schuldig. Sie verraten auch nicht, für welche konkreten Projekte, Medien und Aufgaben die Mittel der Stiftung tatsächlich fließen sollen.
Finanzierung aus Mitteln der Forschungsförderung schafft Konkurrenz
Völlig aberwitzig erscheint zudem ihr Vorschlag zur Finanzierung der Stiftung: „Ihre Gelder könnten aus der öffentlichen Forschungsförderung und aus privaten Mitteln kommen.“ Das ist alles andere als systemkonform. Wissenschaftsjournalismus ist und bleibt in erster Linie Journalismus – er ist nicht Teil des Wissenschaftssystems und kann es auch nicht werden. Zu groß ist zudem die Gefahr einer Vermischung mit der Folge, dass der Wissenschaftsjournalismus seine Glaubwürdigkeit verlieren könnte. Der Vergleich mag zwar abwegig klingen, aber der Reisejournalismus war zeitweise völlig diskreditiert, nachdem bekannt wurde, dass viele Reiseveranstalter die Journalistinnen und Journalisten mit angenehmen Aufenthalten in exotische Gebiete gelockt und korrumpiert haben.
Kein Wort fällt darüber, wie hoch die Stiftung für Wissenschaftsjournalismus dotiert werden müsste, damit sie überhaupt arbeitsfähig wäre, noch woher konkret die Mittel abgezweigt werden sollten. In WÖM II hieß es „kostenneutrale Umverteilung – aus Mitteln der Rundfunkbeiträge.“ Wenn sie nun aber von der Forschungsförderung kommen sollen, heißt das DFG, Bund oder woher? Außerdem: Welcher Art Stiftung ist angedacht? Mit eigenem Vermögen? Bei gegenwärtiger Zinslage müssten es schon mehrere Hundert Millionen Euro Stiftungskapital sein, damit sie nebst den Verwaltungsosten etwas auszuschütten hat. Oder als Bundesstiftung, die dem jährlichen Haushaltsvorbehalt untersteht. Und was ist nun plötzlich aus den Bedenken geworden, dass „staatliche Maßnahmen im Bereich Information und Kommunikation (…) aus grundsätzlichen demokratietheoretischen Überlegungen problematisch“ sind? (WÖM II, Empfehlung 4).
Das eigentliche Problem: Der Mangel an Aufmerksamkeit
Zu guter Letzt: Nicht der Mangel an gutem Wissenschaftsjournalismus ist das Problem, sondern die Beschleunigung der Medienwelt verbunden mit Zeitmangel sowie Verkümmerung von Aufmerksamkeit beim Publikum – was sich nicht zuletzt in den Schulen zeigt, etwa an den in vielen Jahren gestiegenen Verschreibungen für Ritalin gegen ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) oder den Klagen von Professoren, dass Studierende kaum noch eine Vorlesung durchhalten.
Die Misere steckt im Pessimismus
Martin Spiewak hat kürzlich den Nerv getroffen, als er in einem langen Beitrag eine selbstkritische Medienschelte darüber übte, „Was nicht in der Zeitung steht“ (Zeit Nr. 40/2018). Die „déformation professionelle“ komme auch von dem Gedanken, dass „nur eine schlechte Nachricht (ist) eine gute Nachricht“ ist. Damit aber bedienen und heizen Medien täglich die Sensationslust der Konsumenten an. Die Fülle an begeisterten Leserbriefen für Spiewak zeigt, dass das Publikum sehr wohl den Wunsch hat, gute Entwicklungen präsentiert zu bekommen. Wenige Wochen später klagte der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen am selben Ort (Zeit 42) unter dem Titel „Genug der Apokalypse“ gegen den allgemein verbreiteten Pessimismus in den Medien und plädierte für mehr Bildungsoptimismus.
Kann es vielleicht daher sein, dass das Verständnis mancher (Wissenschafts-)Journalistinnen und Journalisten, die gern das Negative instrumentalisieren, nicht die Lösung, sondern vielmehr das eigentliche Problem ist? Ein Plädoyer für einen anderen Journalismus könnte hier hilfreich sein.
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„Wie bekommt man Rationalität in die öffentliche Debatte?“ – Toralf Staud auf Klimafakten.de
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