Der Podcast Schlaulicht will Kinder an wissenschaftlich-kritisches Denken heranführen. Wie die Macher ihre Zielgruppe erreichen, was bei einem Podcast für Kinder zu beachten ist und über ihre Sonderreihe zu COVID-19 spricht der Grundschullehrer und Mitbegründer André Sebastiani im Interview.
„Wir versuchen, Themen aus Kinderperspektive zu betrachten“
Herr Sebastiani, Sie produzieren gemeinsam mit zwei Kollegen den Podcast Schlaulicht (nicht nur) für Kinder. Worum geht es in Ihrem Podcast?
Wir beschäftigen uns mit allen Themen, die wir für interessant halten – von Neandertalern, über Epilepsie bis zu Künstlicher Intelligenz. Wie wir darauf kommen, ist ganz unterschiedlich. Zum einen sammeln wir Themen, die uns auffallen. Zum anderen gibt es aber auch immer häufiger direkte Wünsche von unseren Hörerinnen und Hörern. Oder es gibt gerade ein aktuelles Thema, wie momentan die COVID-19-Pandemie. Dazu haben wir momentan eine Sonderreihe, die täglich erscheint. Normalerweise sind die Episoden aufwändiger und erscheinen nur alle drei bis vier Wochen.
Warum veröffentlichen Sie eine Sonderreihe zu COVID-19?
Wir haben die Schulschließung zum Anlass genommen häufiger zu erscheinen, da wir die Kinder zum einen mit Informationen versorgen wollen und zum anderen auch Ängste abbauen möchten. Es ist sicher komisch für Kinder, wenn von heute auf morgen die Schule nicht mehr stattfindet, die Läden geschlossen bleiben und man sich nicht mehr so verabreden darf, wie man das gewohnt ist. Der tägliche Podcast kann ein kleiner Anker in ihrem neuen Alltag sein. Wir wollen vermitteln, dass die Lage ernst ist, wir aber trotzdem heiter bleiben können. Wie ich in der dritten Episode unserer Sonderreihe sage, können wir alle Superhelden sein, indem wir einfach zu Hause bleiben und auf dem Sofa sitzen.
Wer gehört alles zu den Schlaulichtern?
Das sind der Mediengestalter Jörg Satorius, der Grafiker und Illustrator Knut (Kumi) Junker, und ich. Als Hilfsmittel und Identifikationsfigur nutzen wir außerdem Emil van Ram, einen Roboter. Er übernimmt die Kinderrolle, ist frech und kann auch mal etwas fragen, was die anderen nicht fragen würden. Wir sind weit verstreut und treffen uns in aller Regel einmal die Woche zur Videokonferenz. Das ist unser virtueller Stammtisch. Dort planen und skripten wir die nächsten Folgen, recherchieren und pflegen unsere Freundschaft.
Warum haben Sie einen Podcast für Kinder gestartet und wie gehen Sie das an?
Ich bin Grundschullehrer. Von daher ist das auch beruflich mein „Klientel“. Zu unserer Gründungszeit vor vier Jahren gab es im Podcast-Bereich praktisch noch gar nichts für Kinder zwischen acht und elf Jahren. Das wollten wir ändern. Für mich begann es mit einem Tweet, bei dem ich äußerte, dass man eigentlich auch einen skeptischen Podcast für Kinder bräuchte. Ich bekam viel Resonanz und auch Jörg Sartorius hat ihn gelesen. Er hatte, unabhängig von mir, eine ganz ähnliche Idee. Da wir uns bereits kannten, haben wir gemeinsam an der Idee weitergearbeitet. Zusätzlich haben wir noch einen dritten Mitstreiter ins Boot geholt. Seit zwei Jahren ist das nun Knut (Kumi) Junker. Mit ihm ist unser Podcast jetzt auch optisch sehr schön. Im Laufe der Zeit hat sich aber nicht nur unsere Besetzung, sondern auch der Podcast selbst ein bisschen gewandelt. Unsere ersten Episoden waren sehr lang. Inzwischen sind sie deutlich kürzer und liegen jetzt bei circa 30 Minuten. Wir legen die Folgen zum Einstieg hörspielartig, also stark geskriptet, an. Anschließend gehen wir in ein lockeres Gespräch über, bei dem wir uns an thematischen Ankerpunkten orientieren.
Wir drei kommen aus dem Skeptiker-Umfeld und setzen uns für wissenschaftliches und kritisches Denken ein. Das wollen wir schon im Kindesalter fördern. In dieser Altersgruppe kann man allerdings noch keinen wissenschaftstheoretischen Ansatz wählen. Deshalb greifen wir unterschiedliche Themen auf und versuchen überall da, wo es möglich ist, eine wissenschaftliche Perspektive einzunehmen. Wir verstehen unseren Podcast als Einstieg in ein Thema. Ganz oft hören wir, dass Eltern mit ihren Kindern über die Episoden sprechen und sich weiter informieren. Das finde ich eigentlich am allerbesten.
Was unterscheidet Ihren Podcast von einem Podcast für Erwachsene?
Wir versuchen Themen aus der Perspektive von Kindern zu betrachten: Was für Erfahrungen haben sie mit einem Thema? Was hat das Thema mit ihrem Alltag zu tun? Nur wenn wir diese Fragen berücksichtigen, können wir ein Programm schaffen, das Kinder dazu bewegt dabei zu bleiben. Bei einem Podcast für Erwachsene müsste man den Alltagsbezug wahrscheinlich nicht so stark herstellen. Es ist uns auch wichtig, dass man zwischendurch auch mal lachen kann, bevor die nächsten Informationen kommen. Außerdem müssen wir natürlich damit umgehen, dass die Aufmerksamkeitsspanne bei Kindern kürzer ist. Wir können Ihnen nicht einen dreistündigen Podcast anbieten.
Wie finanzieren Sie sich?
Zu Beginn haben wir das Schlaulicht aus eigener Tasche finanziert. Es kamen auch lange Zeit kaum Spenden in die Kasse, obwohl die Downloadzahlen schon ganz gut waren. Da erhielten wir den Tipp, einen gemeinnützigen Verein zu gründen. Damit haben wir im Podcast Bereich tatsächlich Neuland betreten glaube ich. Darüber können wir neben monatlichen auch einfacher einmalige Spenden empfangen. Unsere Haupteinnahmequelle sind jedoch die freiwilligen jährlichen Mitgliedsbeiträge unserer Fördermitglieder und unsere Mitgliederzahl wächst stetig, was uns sehr freut.
Welches Feedback erhalten Sie von Ihren Hörerinnen und Hörern?
Das ist ganz vielfältig. Häufig kommt die Frage, ob es Emil wirklich gibt. Manchmal bauen Kinder aus Lego oder mit Pappkartons das Schlaulichtstudio nach. Es kommen auch viele Themenvorschläge. Die Themen Ritter, Tiefsee oder Epilepsie sind zum Beispiel von Hörerinnen und Hörern vorgeschlagen worden. Von Erwachsenen kommt ebenfalls viel Zuspruch. Ich weiß von einigen, die keine Kinder haben und uns trotzdem im Verein unterstützen und zum Teil auch regelmäßig hören. Wahrscheinlich, weil sie es nett finden, ein Thema lustig und niederschwellig beigebracht zu bekommen – so ähnlich wie bei der Sendung mit der Maus.