Alle zwei Wochen sind Nicolas Wöhrl und Reinhard Remfort in einer neuen Folge ihres Podcast „Methodisch inkorrekt“ zu hören. In diesem sprechen sie über aktuelle Forschungsthemen und über Ihren wissenschaftlichen und persönlichen Alltag.
„Wir müssen die Stimme der Wissenschaft erheben!“
Herr Wöhrl, Herr Remfort, Sie sprechen in Ihrem Podcast „Methodisch inkorrekt“ über aktuelle Forschungsergebnisse. Wieso ein Podcast und worum geht es?
Reinhard Remfort: Wir haben selbst viel Podcast gehört und so entstand die Idee, über das zu reden, was wir täglich machen. Wir sind dann schnell bei dem Konzept gelandet, das wir seit der ersten Folge vor sechs Jahren fast unverändert durchziehen: Jeder von uns sucht sich zwei interessante wissenschaftliche Studien aus den letzten zwei, drei Wochen raus und stellt sie dem anderen vor. Wir berichten über wissenschaftliche Arbeiten aus unserem Fachbereich – der technischen Physik, aber auch über Studien aus der Chemie, Medizin, Psychologie oder Soziologie – alles querbeet.
Und was steckt hinter dem Namen „Methodisch inkorrekt“?
Nicolas Wöhrl: Am Anfang war es ein bisschen Selbstschutz. Wir hatten Angst, Dinge falsch zu erklären. Es liegt eine gewisse Gefahr darin, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oft dogmatisch wirken und Theorien und Modelle als gegeben darstellen. Uns war wichtig zu vermitteln: Wir als Forschende irren auch vorwärts, vertun uns und können falsche Ansichten haben.
Remfort: Wir berichten ja auch über Themen, in denen wir keine Experten sind und daher ist natürlich nicht immer alles komplett richtig was wir erzählen. Im Podcast erklären wir uns gegenseitig das Gelesene so gut es geht. Im Großen und Ganzen funktioniert das sehr gut. Das kommt wahrscheinlich daher, dass wir beide einen wissenschaftlichen Hintergrund haben und die wissenschaftliche Methode kennen. Trotzdem versuchen wir nicht abgehoben darüber reden. Ich glaube, das macht es für die Zuhörerinnen und Zuhörer interessant.
Wie ist die Reaktion auf Ihren Podcast?
Wöhrl: Wenn wir Themen falsch erklären, kommen mittlerweile sehr schöne Kommentare. Das ist möglich, weil wir Zuhörerinnen und Zuhörer haben, die es auch wirklich besser wissen. Dann korrigieren wir uns und erklären, warum wir das möglicherweise falsch gesehen oder falsch verstanden haben. Damit sind wir alle gemeinsam ein Stück weiter. Es ist die Wissenschaft im Kleinen, die wir in „Methodisch inkorrekt“ abbilden.
Remfort: Die sachliche Kritik ist bisher immer positiv. Was vereinzelt vorkommt sind Trolle die sagen: „Haltet eure persönliche Meinung bitte für euch!“ Aber auch Wissenschaft ist in gewisser Form politisch. Wir als Menschen sind politisch. Das gehört für uns mit dazu.
Wöhrl: Auch das ist übrigens wieder eine Stärke unseres Podcasts. Wir schauen uns nicht nur wissenschaftliche Studien, sondern auch die Politik in der Wissenschaft an. Wissenschaft funktioniert nicht ohne Internationalität. Deshalb können wir politisch-nationale Haltungen nur ablehnen und halten auch in unserem Podcast damit nicht hinterm Berg.
Wie viele Zuhörer haben Sie?
Wöhrl: Wir haben zwischen 50.000 und 70.000 Zuhörer und Zuhörerinnen pro Episode. Das ist für den Bereich der Wissenschaftspodcasts schon sehr gut, würde ich – in aller Bescheidenheit – sagen.
Hat sich Ihr Podcast verändert?
Remfort: Unser Techniksetup hat sich im Laufe nur dahingehend verändert, dass die Aufnahmetechnik besser geworden ist. Das Hosting musste einmal grundlegend verändert werden, weil ab einer gewissen Hörerzahl mit jeder veröffentlichten Folge unser Server zusammengebrochen ist.
Wöhrl: Inhaltlich hat sich wenig geändert. Wir hatten von Anfang an ein sehr gutes Konzept, weil wir selbst viel Podcast gehört haben. Wichtig ist eine Struktur, damit man weiß, was einen erwartet. Jede Folge beginnt mit einem Block, in dem wir über uns sprechen. Dieser Teil ist tatsächlich über die Zeit immer länger geworden. Wir haben festgestellt, dass die Menschen uns auch als Personen mögen und daran interessiert sind, wie wir uns beruflich aber auch privat weiterentwickeln. Das macht es für neue Hörerinnen und Hörer wahrscheinlich ein bisschen schwierig sich einzufinden. Neu dazugekommen sind Kommentare aus der letzten Sendung, die wir jetzt am Anfang vorlesen. Dann stellen wir die wissenschaftlichen Themen vor und bauen als Auflockerung ein Live-Experiment ein.
Hat die „Minkorrekt Liveshow“ ein ähnliches Konzept wie der Podcast?
Remfort: Sich mit zwei Mikrofonen auf die Bühne zu setzen und eine Folge aufzunehmen, wie manche anderen Podcaster das machen, war uns definitiv zu wenig. Wir wollten Experimente auf der Bühne durchführen, Spaß vermitteln und eine Mischung aus „Man lernt was“ und guter Unterhaltung sein. Wichtig war uns, eine Lanze für die Wissenschaft zu brechen. Und genau das machen wir.
Warum finden Sie es notwendig über Wissenschaft zu kommunizieren?
Remfort: Wissenschaft an sich ist ein wichtiger Bestandteil in unserem Leben, den wir gerne teilen wollten. Außerdem wollen wir zeigen, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch Menschen und nicht allwissend sind. Dass wir nicht in Elfenbeintürmen geheimes Wissen horten, sondern durch Steuergelder finanziert forschen. Wir sagen auf der Bühne immer: Wissenschaft ist keine Meinung. Gerade wenn man sich heutzutage umschaut und sieht, was in der Politik passiert oder wie viel Unsinn kursiert: Wir haben eine Partei im Bundestag sitzen, die den menschgemachten Klimawandel für eine Erfindung hält?! Und das ist in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Diese Missstände sind uns zunehmend aufgefallen, sodass wir uns dazu entschlossen haben, darüber zu reden.
Wöhrl: Im Wissenschaftsbarometer wird gezeigt, wie groß das Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft ist. Laut der Version von 2018, vertrauen etwa 13 Prozent der Wissenschaft sehr, weitere 41 Prozent einigermaßen und der Rest ist skeptisch bis ablehnend. Man kann natürlich sagen: 50 Prozent sind noch Team Wissenschaft. Ich sehe das aber anders. Wem will man vertrauen, wenn nicht der Wissenschaft? Daran müssen wir arbeiten! Es wird ein Problem, wenn zunehmend gesellschaftlich akzeptiert wird, dass man mit abstrusen Ideen Produkte verkauft. Es führt dazu, dass 50 Prozent sagen: Wissenschaft ist eine Meinung. Darum haben wir uns lange Jahre nicht gekümmert. Als es das Internet noch nicht gab, war das ok. Dann war es nur eine Person, mit einem begrenzten Kommunikationsradius, die eine abstruse Idee verbreitet hat. Mittlerweile erreicht diese Person aber 1.000 Leute im Internet. Und diese Stimmen werden lauter. Daher gibt es für uns jetzt nur noch eine Möglichkeit: Wir müssen auch die Stimme erheben! Wir müssen die Stimme der Wissenschaft erheben! Wir hoffen weitere Leute dazu begeistern zu können.
Remfort: Oder Leute unterstützen, die sich aktiv dagegen stellen. Ein Punkt der uns auch anfrisst ist, dass sich Leute an unserem Vokabular bedienen, an Begriffen die Menschen der Wissenschaft zuordnen, um damit den Anschein von Wissenschaftlichkeit zu erwecken.
Wöhrl: Manche Menschen haben nie gelernt, wie wissenschaftliche Methoden, wissenschaftliches Denken und Arbeiten funktionieren. Oft wird uns vorgeworfen, wir würden Dinge kategorisch ablehnen. Das stimmt so nicht. Es geht darum, dass – für uns als Wissenschaftler – Sachverhalte überprüfbar sein müssen. Hier hat man dann die Möglichkeit den Leuten zu erklären, wie wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn funktioniert. Und das versuchen wir zu nutzen.