Unter dem Titel „Scientists4Future Online Symposium – S.O.S.“ versammelten sich am 5. und 6. Juni die Scientists for Future zu einem digitalen Kongress. Laura Herzog, Vorstandsvorsitzende des Fördervereins der Bewegung, gibt im Interview Einblicke.
„Wir können einiges für die Klimakrise lernen“
Wieso habt ihr euch entschieden, einen digitalen Kongress durchzuführen?
Wir haben uns im Zuge der Corona-Pandemie entschieden, einen Scientists-for-Future-Onlinekongress zu veranstalten, da derzeit persönliche Treffen ja nicht möglich sind. Ursprünglich war ein physischer Kongress Anfang April in Hannover geplant. In erster Linie, um uns alle einmal kennenzulernen, uns auszutauschen und über die mehr als 80 Regional- und Fachgruppen hinweg zu den Themen und Aktivitäten zu diskutieren, die wir in den verschiedenen Regionen verfolgen.
Das Ziel war es also vor allem, die Strukturen unserer Bewegung besser kennenzulernen und die zukünftige Kommunikation und Arbeit innerhalb der Bewegung zu verbessern.
Wie habt ihr es technisch umgesetzt und wie hat es funktioniert?
Natürlich gibt es ein paar technische Herausforderungen. Wir haben mit Big Blue Button – einer Open Source Plattform – gearbeitet und natürlich gibt es da immer wieder auch technische Probleme. Allerdings hatten wir das Glück, dass wir bei der technischen Umsetzung Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hochschule Bremerhaven hatten, die bei Problemen immer sofort zur Stelle waren und diese lösen konnten. Insofern hat technisch alles gut geklappt.
Ich bin auch mit der Anzahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sehr zufrieden. Wir hatten bis zu 200 Menschen in den unterschiedlichen Sitzungen und selbst am Samstagnachmittag waren noch 70 Personen mit dabei. Auch die Moderation hat sehr gut geklappt und daher bin ich sehr zufrieden damit, wie es abgelaufen ist.
Welche Rolle spielte die Kommunikation beim Kongress?
Es gab bei dem Kongress eine Session, die sich mit Kommunikation und unserem Selbstbild beschäftigt hat. Da ging es also sowohl um interne als auch um externe Kommunikation. Gerade der Austausch über interne Kommunikation und die Ausgestaltung unseres Selbstverständnisses war im Vorfeld eines der am meisten gewünschten Gesprächsthemen derer, die sich bei uns engagieren.
Externe Kommunikation ist ja unser Hauptanliegen und der Grund weshalb es uns überhaupt gibt. Wir wollen verständliche Informationen von der Wissenschaft in die Gesellschaft bringen. Dabei geht es auch darum, wissenschaftliche Hintergrundinformationen und Analysen zu liefern, die die Argumente der For-Future-Gruppen für eine Veränderung unserer derzeitigen Lebensstile, Produktionsweisen, Konsummuster, Energiegewinnung und Transportformen unterstützen und belegen. Beim Kongress ging es unter anderem darum, welche Kanäle wir künftig in welcher Art und Weise dafür nutzen wollen. Wir decken da eine große Palette ab und wollen dies auch weiterhin tun, aber es war gut, dass wir hier einen Überblick gewinnen konnten.
Wie schafft man so etwas in einer Organisationsstruktur ohne Hierarchien?
Wir verstehen uns als Schwarm, der sich entweder zu verschiedenen Themen oder innerhalb verschiedener Regionen organisiert. Unser gemeinsames Ziel ist es, Wissen für den Wandel bereitzustellen und aufzubereiten. Innerhalb dieses Spektrums sind die Gruppen frei zu entscheiden, wie sie es umsetzen wollen. Jede Regional- und Fachgruppe kann also relativ frei entscheiden, welche Aktivitäten sie mache möchte. Um zu gewährleisten, dass trotzdem ein kohärentes Bild entsteht, gibt es Strukturen, die den Austausch fördern. So gibt es eine Regionalgruppen-Koordinatorin, die die einzelnen Gruppen sehr gut kennt und den Austausch zwischen ihnen koordiniert. Außerdem gibt es ein 15-köpfiges überregionales Koordinationsteam, welches einen Blick auf die übergeordneten Aktivitäten hat und den Austausch im Schwarm versucht zu gewährleisten.
Diese Strukturen aufzubauen war natürlich eine Herausforderung. Auch um diese weiter zu verbessern haben wir den Kongress genutzt und es sind viele tolle Ideen entstanden.
Wie hat sich eure Arbeit durch Corona verändert?
In manchen Regionalgruppen sind die Aktivitäten vielleicht weniger geworden, andere Regionalgruppen wiederum wurden sehr viel aktiver. Hier kommt es natürlich auch darauf an, welche Aktivitäten es zuvor gab und es wird sich auch nach der Pandemie sicherlich wieder ändern beziehungsweise angleichen.
Ich selbst sehe in der Corona-Pandemie viele Muster, die auch in der Klimakrise eine Rolle spielen. Die Abhängigkeit von den Handlungen anderer beispielsweise gibt es in beiden Krisen ebenso wie das Gefühl einer Gefahr durch einen übermächtigen Gegner, hier der Virus, dort der Klimawandel. Gleichzeitig zeigt sich derzeit, dass Regierungen fähig sind, schnell auf eine solche Krise zu reagieren und gemeinsam und im internationalen Raum Maßnahmen durchzusetzen. Darauf können wir einiges für die Klimakrise lernen und mitnehmen denke ich, denn hier sieht man wie ein Wandlungsprozess sehr schnell und aktiv vollzogen werden kann.
Trotzdem hat die Corona-Pandemie das Thema Klimawandel auch ein wenig von der Agenda genommen. Wie schätzt du das ein?
Das ist natürlich richtig und auch vollkommen normal. Die Pandemie ist ein dramatischer Einschnitt in unser Leben und bedeutet extremes Leid für viele Menschen weltweit – auch wenn Deutschland noch relativ glimpflich davongekommen ist. Da mussten wir auch erstmal die richtige Balance finden, um eine gute Kommunikationsstrategie zu entwickeln, in Zeiten einer drastischen Situation. Die Klimakrise ist natürlich genauso dringend, aber sie spielt sich auf einer anderen Zeitskala ab und da mussten alle Akteure des Klimaschutzes sich auch erstmal selbst reflektieren und eine Einordnung treffen.
Für mich ist es entscheidend, die Krisen zusammenzudenken und nicht gegeneinander aufzuwiegen. Wir müssen und können aus der derzeitigen Situation vieles mitnehmen und dies sollten wir nun tun. Inzwischen sind wir da auf einem guten Weg denke ich und der Kongress hat mich in dieser Ansicht bestätigt.