Mit ihren Ausstellungen versuchen Julia Ellrich und Katharina Loderstädt von der Berliner Agentur Archimedes Exhibitions, Orte zum Sprechen zu bringen. Wie gute Kommunikation im Raum gelingt, erzählen sie im Interview.
„Wir geben dem Raum eine Stimme“
In Ihrer Session beim Forum Wissenschaftskommunikation ging es darum, wie man Orte zum Sprechen bringt. Wie gelingt das?
Ellrich: Das kommt auf den Ort an. Jeder Ort ist für uns neu und anders. Er kann ganz unterschiedliche Eigenschaften haben. Das Ziel bleibt aber gleich: Es geht darum, dass er zu einem Erlebnis werden soll, dass dort etwas geschehen soll. Orte sollen die Personen, die sie betreten, begeistern, unterhalten und informieren.
Welche Mittel setzen Sie ein, um einen Raum zum Sprechen zu bringen?
Ellrich: Es gibt verschiedene Mittel, mit denen ein Ort seine Botschaft mitteilen kann. Wir nutzen Szenografie, Grafik, Interaktion, Text, Sound und Licht, um den Raum in einen Dialog mit den Besucher*innen treten zu lassen. Wir geben ihm damit quasi eine Stimme. Je nachdem, wie wir den Raum gestalten, kann er in eine Plauderlaune kommen, leise flüstern oder auch laut und plakativ schreien. Wir spielen dabei mit verschiedenen Mitteln.
Wie setzen Sie das auf Raum-, Sprach- und Textebene um?
Ellrich: Gerade das Mittel der Szenografie erlaubt uns, den Raum zu formen. Durch diese Form- und Bildsprache, Grafiken und Farben, die wir einsetzen, kann der Raum Unterschiedliches ausdrücken. Er kann rot, schwarz und eckig sein. Dann hat er einen offensichtlichen, starken Ausdruck. Oder wir gestalten ihn eher in hellen Farben und mit geschwungenen Formen. Dann wirkt er ruhiger, harmonischer. Dazu kommt die Sprach- und Textebene, die in die Szenografie eingewoben ist. Alles zusammen ergibt dann die Stimme des Raumes.
Wie lenkt man die Aufmerksamkeit der Besucher*innen durch die Gestaltung des Raums?
Loderstädt: Dafür fängt man am besten chronologisch an: Der Moment, in dem Besucher*innen in den Raum eintreten. Das ist der erste Eindruck, mit dem sich ihnen der Raum eröffnet. Mit diesem Erstkontakt steht und fällt die Sympathie für den Raum. Sind die Farben grell? Ist der Raum offen gestaltet? Kann man die Ausstellungsinhalte schnell überblicken? Oder setzen wir beispielsweise zu Beginn eine Art Schleuse, mit der wir den Rundgang durch die Ausstellung steuern?
Nach diesem ersten Eindruck nehmen Besucher*innen den Hauptteil der Ausstellung wahr, der aus den Exponaten mit den dazugehörigen Inhalten besteht. Dabei müssen wir regelmäßige Highlights schaffen, um die Menschen auf einem gewissen Aufmerksamkeitsplateau zu halten.
Daneben braucht es aber immer auch Orte, an denen die Besucher*innen zur Ruhe kommen, reflektieren oder sich wieder in ihrer Gruppe versammeln können. Es geht nicht nur darum, Informationen zu vermitteln. Wir müssen in der Gestaltung einer Ausstellung immer auch die Bedürfnisse der Besucher*innen bedenken und in der Umsetzung berücksichtigen.
Archimedes Exhibitions
Die Berliner Kreativagentur entwickelt Ausstellungen, Exponate und Installationen zu wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Themen. Alle Arbeitsschritte von der ersten Idee über die Zielgruppenanalysen und Prototypenentwicklung bis zum fertigen Produkt laufen in-house ab.
Ellrich: Durch verschiedene räumliche und inhaltliche Vermittlungsebenen geben wir dem Raum eine Struktur und den Inhalten eine Priorität. Die erste Ebene dient der Orientierung. Sie vermittelt die große Botschaft und verleiht dem Raum seinen Ausdruck. Dabei arbeiten wir neben der Raumgestaltung verstärkt mit großen Überschriften und binden Grafiken ein.
Auf der zweiten Ebene gliedern wir die Unterthemen. Die Informationen sollen dabei noch immer schnell erfassbar sein. Selbst in kurzer Zeit sollen Besucher*innen durch die ersten zwei Ebenen alle wichtigen Inhalte mitbekommen und erfahren haben, was der Raum zu ihnen gesprochen hat.
Die dritte Ebene ist schließlich die Vertiefungsebene, in der wir uns stärker mit dem Thema auseinandersetzen. Neben Text, Bild und Grafik arbeiten wir hier vermehrt mit interaktiven Exponaten. Sie erlauben den Besucher*innen, sich in der Tiefe mit dem Inhalt auseinanderzusetzen und ihn besser zu verstehen. Wir versuchen dabei Erlebnisse zu schaffen, die immersiv sind und die Besucher*innen in das Thema hineinziehen.
Mit diesen Vermittlungsebenen im Blick, wie ordnet man die Inhalte am besten im Raum an?
Das bedeutet, Storytelling hat in der Ausstellungsentwicklung einen hohen Stellenwert?
Ellrich: Definitiv. Hat man einmal die Geschichte gefunden, leiten sich Gestaltung, Interaktion und Sprache davon ab. Das Storytelling hilft außerdem bei der Verortung von Inhalten im Raum, damit die Besucher*innen wissen, welcher Themenkomplex als nächstes folgt. Dabei müssen die Einzelbereiche aber auch autark, also jeder für sich stehen können. Manchmal gibt es die Zeit oder das Interesse der Besucher*innen nicht her, dass sie die komplette Ausstellung durchlaufen. Daher muss es Themencluster geben, die unabhängig von den anderen Inhalten verständlich sind.
Die Vermittlungsebenen
Die Agentur Archimedes Exhibitions arbeitet in der Ausstellungsgestaltung mit drei Vermittlungsebenen: Auf der ersten Ebene entsteht durch Gesamtbild und die Szenografie der Raumeindruck. Die Themengebiete bilden die zweite Ebene. Dazu zählen einzelne Exponate, einführende Texte und Grafiken. Die weiterführenden Vertiefungsebenen entstehen durch Interaktion, Text, Audio, Film und weiteren Grafiken. Dabei können alle Ebenen verschiedene oder auch nur einzelne der aufgeführten Medien beinhalten.
Loderstädt: Ich nehme Sie mal mit auf ein Gedankenspiel. Nehmen wir beispielsweise das Phänomen vom Schwarzen Loch und stellen es einmal in einer Kunstgalerie und einmal in einem Science Center aus.
In der Galerie würde es wahrscheinlich spektakulär inszeniert werden. Eventuell läuft Sound, um das Erlebnis immersiver zu gestalten. Es gibt vielleicht noch einen kurzen Text, der einen kleinen Denkanstoß liefert und die Intention der*s Künstler*in beschreibt. Aber die Besucher*innen können und dürfen es für sich selbst interpretieren. Dennoch befinden sie sich in einer eher passiven Rolle, sie sind Betrachter*innen. In jedem Fall darf die künstlerische Darstellung frei sein.
Jetzt zeigen wir das Ausstellungsobjekt „Schwarzes Loch“ in einem Science Center. Dort geht es hauptsächlich darum, das Phänomen zu erklären. In diesem Beispiel muss das Exponat also in den wissenschaftlichen Kontext gesetzt werden. Ziel eines Wissenschaftsmuseums ist es schließlich, dass Besucher*innen begreifen, warum es für sie relevant ist, sich mit der Materie auseinanderzusetzen.
Wenn eine Ausstellung gut gemacht ist, schafft sie es, die Brücke zwischen einem wissenschaftlichen Phänomen und unserem Alltag zu schlagen und die Menschen für komplexe wissenschaftliche Themen zu begeistern. Und da setzt unsere Arbeit an. Die Inszenierung der Inhalte muss informativ und korrekt, aber auch spannend sein. Dafür nutzen wir interaktive Angebote. In Science Centern werden die Besucher*innen häufig dazu motiviert, Sachen auszuprobieren, sie sollen also selbst aktiv werden. Wenn die Inhalte spielerisch aufgebrochen werden, wenn sie Spaß machen, bleiben die Informationen nachweislich besser im Gedächtnis, dazu gibt es viel Forschungsliteratur. Und wenn ich mit voller Kraft an etwas ziehe, wende ich die physikalischen Gesetze, um die es dort geht, ja quasi direkt an!
Was gilt es mit Blick auf die Sprache in wissenschaftlichen Ausstellungen zu beachten?
Ellrich: Im wissenschaftlichen Kontext ist es wichtig, dass wir eine einfache Sprache verwenden. Wenn wir mit Wissenschaftler*innen an einer Ausstellung arbeiten, sind wir deren Übersetzer*innen. Meistens bekommen wir die Inhalte geliefert, bereiten diese auf und machen sozusagen die Verpackung dazu. In gemeinsamen Workshops erarbeiten wir zunächst die Struktur, die Erzählung der Ausstellung. Entsprechend der Ergebnisse entwickeln wir dann die Interaktionsmöglichkeiten, die Medien im Raum und die Grafik.
Unterscheiden sich die Zielgruppen je nach Art der Ausstellung?
Loderstädt: Die jeweilige Zielgruppe erarbeiten wir uns auch direkt zu Beginn des Konzeptionsprozesses in einem Workshop. Wir sprechen bei der Planung mit den Auftraggeber*innen grundsätzlich als erstes darüber, wer überhaupt in die Ausstellung kommen soll. Das Interessante ist, dass ihnen die Zielgruppe oftmals noch gar nicht so klar ist oder zu breit gedacht wird: Am liebsten sollen alle Menschen von null bis 99 Jahren angesprochen werden.
Was macht erfolgreiche Kommunikation im Raum aus?
Ellrich: Erfolgreiche Kommunikation kann Themen anschaulich vermitteln und Begeisterung auslösen. Sie ist spannend, erlebnisreich und setzt kleine Highlights. Gerade im wissenschaftlichen Kontext ist es wichtig, Themen so zu transportieren, dass sie Relevanz haben. Durch nahbare, interaktive Erlebnisse wollen wir helfen, Vorurteile gegenüber Wissenschaft und Wissenschaftler*innen abzubauen.
Loderstädt: Vielleicht kann man es vom Ende her betrachten: Ein Erfolgserlebnis ist es dann, wenn Besucher*innen sich informiert fühlen und von ihrem Ausstellungsbesuch erzählen. Wenn sie ein griffiges Beispiel haben, mit dem sie die Botschaft und die Erkenntnisse aus der Ausstellung weitertragen können. Je mehr Leute das tun, desto besser. Deswegen müssen wir eine möglichst universelle Sprache anwenden und Bilder schaffen, auch im Kopf, die lange hängen bleiben. Für uns ist eine Ausstellung dann erfolgreich, wenn ein komplexes wissenschaftliches Thema wirklich verstanden wurde und die Medienberichte sich mit unseren Erwartungen aus dem Konzeptionsworkshop decken.