Wie funktioniert Kommunikation zu Ernährungsthemen am besten – über Texte, Podcasts oder Videos? Das haben Katharina Weiß und Laura König in einer Studie untersucht. Im Interview sprechen die Forscherinnen über ihr Experiment und Herausforderungen der Ernährungskommunikation.
„Wir brauchen viel Fingerspitzengefühl“
Frau Weiß, Frau König, Sie haben in einer Studie verglichen, ob Text-, Podcast- oder Video-Formate bei Ernährungsthemen besser funktionieren. Wie sind Sie zu Ihrer Fragestellung gekommen?
Katharina Weiß: Ich bin über ein Praktikum beim Kompetenzzentrum für Ernährung in Bayern auf die Idee gekommen. Die Universität Bayreuth, das Kompetenzzentrum und die Akademie für neue Medien bauen gemeinsam ein neues Wissensportal für Ernährung auf, das sogenannte Ernährungsradar. Es soll sich unter anderem an Fachkräfte der Ernährung und Journalist*innen richten und wissenschaftlich fundierte Ernährungsinformationen vermitteln. Ich wollte meine Masterarbeit über dieses Portal schreiben. Dann haben wir im Team überlegt, dass man erst mal die Frage stellen sollte, welches Medium am geeignetsten ist, wenn man Informationen über Ernährung vermitteln möchte. So sind wir dann auf das Thema gekommen.
Sie sind davon ausgegangen, dass Menschen sich Informationen aus Videoformaten besser merken können als aus Texten und Podcasts. Wie kommen Sie zu dieser Annahme?
Weiß: Wir haben uns auf die multimediale Lerntheorie gestützt. Die Theorie geht davon aus, dass wir einen höheren Lerneffekt erzielen, wenn wir über Augen und Ohren gleichzeitig Informationen aufnehmen. Denn sowohl über die Augen als auch über die Ohren können wir jeweils nur begrenzt Informationen aufnehmen. Wenn wir die Informationen über beide Kanäle parallel aufnehmen und diese dann verknüpfen, ist die Informationsaufnahme demnach effektiver.
Wie haben Sie das in Ihrem Experiment getestet?
Weiß: Wir hatten drei Themengebiete: Zum einen ging es um Ernährung und Klima, also die Treibhausgasemissionen, die durch die Produktion und den Transport von Lebensmitteln verursacht werden. Das zweite Thema war Zucker in Nahrungsmitteln und das dritte war Nudging, eine psychologische Methode, um Menschen durch bestimmte Anreize dazu zu bringen, sich gesünder zu ernähren. Wir haben für jedes dieser drei Themen jeweils ein Video, einen Podcast und einen Text erstellt. Alle drei Formate enthielten denselben Text.
Unsere Studienteilnehmer*innen haben zu einem dieser Themen ein Video angesehen, einen Text gelesen oder einen Podcast angehört und dann Fragen dazu beantwortet, wie viel sie sich gemerkt haben.
Welche Themen und welche Medien haben am besten abgeschnitten?
Weiß: Das zentrale Ergebnis unserer Studie ist, dass wir keinen Unterschied zwischen den Medien festgestellt haben. Egal, ob die Teilnehmer*innen ein Video gesehen, einen Podcast gehört oder einen Text gelesen haben: Sie haben immer ungefähr gleich viele Fragen richtig beantwortet.
Sie wollten auch wissen, ob die Beträge eine Verhaltensänderung hervorrufen könnten. Was haben Sie herausgefunden?
Weiß: Genau. Wir haben auch gefragt, wie wahrscheinlich es ist, dass die Teilnehmer*innen Verhaltensvorschläge aus unseren Beiträgen in die Tat umsetzen würden. Wir haben zum Beispiel Tipps gegeben, wie man sich klimafreundlich ernähren kann. Es geht in der Ernährungskommunikation ja nicht nur darum, Wissen zu vermitteln, sondern auch darum, Menschen dazu zu bewegen, zu handeln. Auch bei dieser Frage haben wir keinen Unterschied zwischen den Medien festgestellt.
Wir haben aber gesehen, dass bei den Inhalten Nudging etwas schlechter abgeschnitten hat. Das kann daran liegen, dass es das unbekannteste Thema ist. Außerdem war es das einzige unter den dreien, bei dem wir Kritikpunkte in den Text eingebaut haben. Das hat vielleicht auch die Teilnehmer*innen dazu gebracht, stärker zu zweifeln.
Haben Sie diese Ergebnisse überrascht – auch im Vergleich zu anderen Studien?
Unter Ihren Studienteilnehmer*innen waren relativ viele junge, weibliche, formal gebildete und an Ernährungsthemen interessierte Menschen. Hätte eine andere Stichprobe andere Ergebnisse geliefert?
Weiß: Ja, das könnte ich mir durchaus vorstellen. Podcasts sind ein Medium, das häufig von höher gebildeten Menschen genutzt wird. Vielleicht sind es viele unserer Studienteilnehmer*innen gewohnt, länger zuhören. Wenn an dem Experiment eher ältere Menschen ohne Affinität zu digitalen Medien teilgenommen hätten, sähen die Ergebnisse vielleicht anders aus.
Laura König: Was auch wichtig ist: Aufgrund der Ergebnisse können wir nicht sagen, dass es absolut keine Unterschiede zwischen den Medien gibt. Aber diese sind nicht so groß, wie man es auf Grundlage unserer Theorie und der Studien, die signifikante Unterschiede gezeigt haben, vermuten könnte. Um geringere Effekte zu zeigen, hätten wir mehr Teilnehmer*innen gebraucht. Die Studie ist nicht repräsentativ, aber die Gruppe von Menschen, die im Internet nach Ernährungsinformationen sucht, sind eher jünger und weiblich. Insofern war unsere Stichprobe passend.
Was schlussfolgern Sie aus Ihren Ergebnissen für die Kommunikation von Ernährungsthemen – oder auch die Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen?
Weiß: Vor allem, dass man das Medium wählen sollte, mit dem man sich selbst als Kommunikator*in wohl fühlt. Das ist eine ganz wichtige Grundlage, um gut zu kommunizieren. Es gibt beispielsweise Personen, die gerne vor der Kamera agieren – andere können sich das gar nicht vorstellen. Man sollte sich außerdem gut überlegen, wen man ansprechen möchte und für wen welches Medium geeignet wäre.
Worin liegen die Besonderheiten und Herausforderungen von Ernährungskommunikation?
Weiß: Ein Merkmal von Ernährungsthemen ist, dass es immer wieder neue Forschungsergebnisse gibt. Deshalb muss man immer schauen, wie aktuell Informationen sind. Im Internet finden sich Unmengen von Artikeln. Wenn es schlecht läuft, findet man auf fünf Seiten fünf unterschiedliche Antworten. Es kann sein, dass die meisten davon mit bestem Wissen bereitgestellt wurden, zwischendurch aber neue wissenschaftliche Erkenntnisse hinzugekommen sind. Deshalb ist es eine Herausforderung, zu kommunizieren, dass es nicht immer zu hundert Prozent sicher ist, was wir gerade wissen.
Sie haben angedeutet, dass es auch widersprüchliche Ergebnisse gibt – auch das ist sicherlich eine Herausforderung in der Kommunikation?
Weiß: Ja, das hat damit zu tun, dass man Ernährungsstudien nur sehr schwer am Menschen durchführen kann, um wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu bekommen. Wenn ich wissen will, welchen Einfluss Süßstoffe auf die Gesundheit haben, kann ich Studienteilnehmer*innen ja nicht nur noch Süßstoff zum Essen geben und nichts anderes. Eine Möglichkeit ist, eine große Gruppe von Menschen zu rekrutieren und sie zu fragen, was sie in einem bestimmten Zeitraum gegessen haben. Aus diesen Daten versuche ich dann Rückschlüsse zu ziehen. Oder eine Gruppe von Personen nimmt über einen kürzeren Beobachtungszeitraum von einigen Wochen beispielsweise nur Süßstoffe und keine anderen Arten von Zucker zu sich. Allerdings muss man sich dabei auch ansehen: Wie lebt eine Person insgesamt? Welche Lebensmittel nimmt sie sonst zu sich?
Ein anderes Problem ist, dass die langfristige Entwicklung von Krankheiten oder die Sterblichkeit extrem schwer zu untersuchen sind. Ich kann ja nicht 30 Jahre warten, bis bei meinen Studienteilnehmer*innen bestimmte Effekte auftreten. Das geht bei Tier- oder Zellmodellen deutlich einfacher, aber solche Studien kann man nicht so einfach auf den Menschen übertragen. Man muss damit leben, dass es viele Unsicherheiten gibt.
Was bedeutet das für die Kommunikation von Forschung zum Thema Ernährung?
König: Wir brauchen viel Fingerspitzengefühl – und wir müssen uns überlegen, wie wir mit der enttäuschten Reaktion des Publikums umgehen, weil es auf viele Fragen noch keine eindeutige Antwort gibt. Auch in der Coronapandemie haben wir gesehen, dass es frustrierend sein kann, wenn es immer wieder neue Erkenntnisse gibt. Wir haben als Menschen natürlich ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit. Aber da ist die Ernährungsforschung an vielen Stellen noch nicht so weit – und ich glaube, auch die Wissenschaftskommunikationsforschung auch nicht. Wir wissen noch nicht, wie wir solche Unsicherheiten kommunizieren können. Deshalb wollen wir dazu beitragen, die Kommunikation besser zu gestalten.
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