Begleitend zum Wettbewerb Jugend präsentiert forscht die Uni Tübingen. Ihr Hauptinteresse ist dabei die Präsentationskompetenz. Doch wie lässt sich die messen? Gibt es erste Ergebnisse? Und wie greifen Forschung und Wettbewerb ineinander? Rhetorik- und Lernforscher Fabian Ruth gibt im Interview Einblicke.
„Wie kann man Präsentationskompetenz messen?“
Herr Ruth, worum geht es bei der Begleitforschung zum Projekt Jugend präsentiert?
Im Mittelpunkt unserer Forschung steht die Präsentationskompetenz. Diese nehmen wir hier an der Forschungsstelle aus verschiedenen Perspektiven in den Blick. Zum Beispiel stelle ich in meiner Forschung die grundsätzliche Frage: Wie kann man Präsentationskompetenz messen? Unser Forschungsinteresse zielt aber auch auf einzelne Teilbereiche der Präsentationskompetenz ab, wie die Anschaulichkeit in Präsentationen. Meine Kollegin Carmen Lipphardt untersucht, was Anschaulichkeit in Schülerpräsentationen ausmacht und wie Schülerinnen und Schüler lernen können, anschaulicher zu präsentieren. Ein Grundanliegen unserer Forschung ist es auch, mehr zur Förderung der Präsentationskompetenz zu erfahren. Dazu führen wir Effektivitätsstudien durch, in denen wir untersuchen, ob unsere Präsentationstrainings wirksam sind oder nicht. Aktuell läuft eine Studie im Rahmen des Jugend-präsentiert-Wettbewerbs. Darin vertiefen wir zum einen unsere bisherigen Forschungsbefunde. Zum anderen untersuchen wir ein neues Forschungsfeld der Präsentationskompetenz, dem sich meine Kollegin Pia Rox intensiv widmet: das Feedback in Schülerpräsentationen. Wir sind schon sehr gespannt auf die Ergebnisse.
Was genau ist denn Präsentationskompetenz?
Präsentationskompetenz besteht aus den drei Dimensionen Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten. Alle drei sind wesentlich und notwendig, um eine Präsentationsaufgabe kompetent zu bewältigen. „Wissen“ bedeutet in diesem Fall Wissen über das Präsentieren. Bei „Einstellungen“ geht es vor allem um die Motivation. Sehr prominent ist dabei die Selbstwirksamkeit, also die persönliche Überzeugung, erfolgreich präsentieren zu können. Und bei „Fähigkeiten“ geht es um das konkrete Anwenden, also zum Beispiel um die sprachliche Gestaltung, die Strukturierung einer Präsentation oder den Einsatz von Körpersprache und Stimme. Diese drei Dimensionen, Wissen, Einstellungen und Fähigkeiten, sind auch gleichzeitig Ansatzpunkte, um die Präsentationskompetenz zu trainieren.
Was ist das Ziel der Forschung?
Die Begleitforschung hat zwei große Ziele. Unser erstes Ziel ist, praktische Implikationen aus unserer Forschung abzuleiten und diese in die Bildungspraxis zu bringen. Mit der Bildungsinitiative Jugend präsentiert wollen wir Schülerinnen und Schülern helfen, besser im Präsentieren zu werden. Gleichzeitig möchten wir Lehrkräften in unseren Fortbildungen unterstützen, Präsentationskompetenz besser zu vermitteln. Unser zweites Ziel ist, die Präsentationsforschung weiter voranzubringen. Dieses Forschungsfeld ist noch sehr jung. Deutschlandweit und international gibt es nur sehr wenige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zur Schülerpräsentation forschen. Da das Präsentieren zu einer zentralen Kompetenz gehört, sei es jetzt an der Hochschule oder im Beruf, ist es so wichtig, mehr Erkenntnisse zu gewinnen und bereits in der Schule mit der entsprechenden Förderung zu beginnen.
Wie funktioniert das methodisch?
Grundsätzlich arbeiten wir mit Fragebögen und Videoaufzeichnungen von Schülerpräsentationen. Das hört sich im ersten Moment überschaubar an. Allerdings benötigen wir für die Beantwortung unserer Forschungsfragen ein anspruchsvolles Forschungsdesign. Dazu gehört eine hohe Standardisierung bei der Erhebung der Daten. Wenn wir zum Beispiel den Schülerinnen und Schülern eine Präsentationsaufgabe geben, achten wir sehr darauf, dass alle Teilnehmenden der Studie unter den exakt gleichen Bedingungen diese Aufgabe bearbeiten. Wir sorgen dafür, dass alle die gleiche Vorbereitungszeit und das gleiche Präsentationsmaterial bekommen, in gleichen Räumen präsentieren und sich nicht untereinander absprechen. Eine exakte Planung ist das A und O. Am Tag der Studie muss sehr klar sein, wer wann und für was genau bei der Studie zuständig ist. Bis zu der Frage, wann welche Kamera mit welchem Kameraausschnitt die Schülerpräsentationen aufzeichnet. Anschließend geht es um die Aufbereitung der Videodaten. Wir schulen Personen, die sich alle Präsentationen anschauen und bewerten. In der letzten Studie bewertete jede geschulte Person über 300 Schülerpräsentationen. Die Forschung in diesem Bereich ist sehr aufwendig, aber sie lohnt sich.
Gibt es in der bisherigen Forschung überraschende Ergebnisse?
Es gibt erste Hinweise darauf, dass nicht alle Bereiche der Präsentationskompetenz gleich einfach einschätzbar sind. Aus unseren ersten Analysen geht beispielsweise hervor, dass der angemessene Einsatz von Sprache in Schülerpräsentationen schwieriger zu beurteilen ist als etwa der Einsatz von Gestik und Mimik. Dieser Befund ist deswegen überraschend und bemerkenswert, weil gerade die Sprache einen wesentlichen Teil von Präsentationen ausmacht. Dieser Befund kann eine ganze Reihe von Gründen haben, denen man dann in weiteren Untersuchungen nachgehen muss, um konkrete Implikationen für die Praxis ableiten zu können.
Wie funktioniert die Vernetzung mit dem praktischen Teil des Projekts?
Wir von der Forschungsstelle Präsentationskompetenz an der Universität Tübingen sind im Rahmen von Jugend präsentiert für die inhaltliche Konzeptionierung und Entwicklung der Präsentationstrainings für die Wettbewerbsteilnehmenden sowie für die Lehrerfortbildungen zuständig. Wir erstellen die Materialien und führen die Trainings und die Fortbildungen durch. Dabei ist es uns ein Anliegen, den aktuellen Stand der Präsentationsforschung und unsere Forschungsergebnisse in der Praxis lebendig werden zu lassen. Zugleich bekommen wir durch diese Veranstaltungen auch immer wieder Einblicke in die reale Schulpraxis, so dass wir unseren Forschungsfokus immer wieder neu justieren können.
Darüber hinaus stimmen wir uns hinsichtlich der Fragestellung und der Durchführung unserer Studien eng mit empirischen Bildungsforscherinnen und -forschern und Präsentationsexpertinnen und -experten sowie mit unserem Projektpartner Wissenschaft im Dialog und der Klaus Tschira Stiftung ab und entwickeln das Projekt so gemeinsam weiter. Gerade im Bereich der Präsentation gibt es immer wieder neue Entwicklungen und Möglichkeiten durch neue Tools. Deshalb ist ein stetiger Austausch sehr wichtig. Auf Veränderungen im Präsentieren auch im Forschungsbereich zu reagieren, ist eine große und spannende Herausforderung für uns.
Dass wir bei Jugend präsentiert eine wissenschaftliche Begleitforschung durchführen können, verdanken wir unserem starken Partner, der Klaus Tschira Stiftung, sowie Wissenschaft im Dialog, die bei Jugend präsentiert die Veranstaltungen managen und die Realisierung unserer Studien ermöglichen. Vor allem tragen die Teilnehmenden von Jugend präsentiert zum Gelingen bei. Ohne ihre Unterstützung und ihre Bereitschaft an den Studien teilzunehmen, könnten wir keine Antworten auf unsere Forschungsfragen finden. Diese breite Rückendeckung für die Verknüpfung von Forschung und Praxis zeichnet Jugend präsentiert in außerordentlicher Weise aus.
Das Jugend präsentiert Finale findet am 15. September ab 10 Uhr im Kino International in Berlin statt. Der Eintritt ist frei.
Jugend präsentiert ist ein Kooperationsprojekt von Wissenschaft im Dialog – einer der drei Partnereinrichtungen, die an Wissenschaftskommunikation.de beteiligt sind – und der Klaus Tschira Stiftung. Die Begleitforschung für das Projekt wird von der Universität Tübingen durchgeführt, an der Fabian Ruth tätig ist.