Das PUSH-Memorandum wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Volker Meyer-Guckel, stellvertretender Generalsekretär des Stifterverbandes, spricht im Interview über positive Entwicklungen, neue Aufgaben und Visionen für die Zukunft.
„Wenn Wissenschaft politisch wird …“ – neue Herausforderungen für die Kommunikation
Herr Meyer-Guckel, fangen wir mit dem Positiven an. Was hat sich aus Ihrer Sicht in den letzten 20 Jahren positiv verändert in der deutschen Wissenschaftskommunikation?
Gerade im Bereich der Formatentwicklung – also der Entwicklung neuer Methoden zur Vermittlung wissenschaftlicher Forschung und Ergebnisse an die Bevölkerung – hat sich viel getan. Sowohl die Kommunikationsabteilungen der Wissenschaftsorganisationen als auch Institutionen wie Wissenschaft im Dialog haben hier viel bewegt und es gibt eigentlich keine Forschungseinrichtung und auch keine Stadt, die sich nicht an der Kommunikation von Wissenschaft beteiligt. Diese zunehmende Professionalisierung ist ein großer Erfolg. Insgesamt kann man sagen: Wissenschaftskommunikation ist heute so erfolgreich wie nie in der Vergangenheit – sowohl qualitativ als auch quantitativ.
Trotzdem wird vielfach von einer Krise der Wissenschaftskommunikation gesprochen. Weshalb?
Das liegt paradoxerweise nicht an ihrer eigenen Entwicklung, sondern mehr an der gesellschaftlichen Entwicklung in den letzten 20 Jahren. Wissenschaft hat heute eine ganz andere Bedeutung in der Gesellschaft. Sie ist viel wichtiger für den politischen und gesellschaftlichen Dialog geworden und muss sich damit diesen Systemen – die sich vom System Wissenschaft erheblich unterscheiden – stellen und mit ihnen in den Austausch gehen.
Parallel dazu hat sich die Art und Weise, wie wir uns miteinander verständigen, grundlegend geändert. Die Digitalisierung und der eng damit verbundene Medienwandel sorgen für ein neues komplexeres Kommunikationsgebilde. Eines, das noch nicht hundertprozentig verstanden ist. Dieses zu durchdringen und gleichzeitig die Rolle im Zusammenspiel mit der Politik klarer herauszuarbeiten, werden entscheidende Schritte auf dem Weg in die Wissenschaftskommunikation der Zukunft sein.
Was meinen Sie genau mit dem politischen Aspekt?
Was wären Konsequenzen daraus?
Wir müssen die Wissenschaftskommunikation weiterentwickeln vom Modus der Ergebnispräsentation hin in einen kontextualisierenden Modus, in dem es mehr um das Begreifen wissenschaftlicher Methoden geht, um den Umgang mit Irritation, um Redlichkeit, politische Bildung, um Pluralismus und Skepsisbildung. Es bedarf neuer Formate, die der Frage nachgehen, welches Rollenverständnis ich als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler in der Gesellschaft habe, in welchen Diskursformaten ich mich in unterschiedlichen Rollen bewege – und welche Verbindungen es zwischen Kommunikations- und Debattenstrukturen innerhalb und außerhalb der Wissenschaft gibt. Während das alte PUSH-Memorandum auf die Wissenschaftsmündigkeit der Öffentlichkeit gezielt hat, sollte eine neue PUSH-Ausrichtung viel mehr auf eine Art Öffentlichkeitsmündigkeit der Wissenschaft ausgerichtet sein.
Ich glaube, hierzu bedarf es wirklich einer großen Reflexionsphase in der Wissenschaft, begleitet von Forschung über Wissenschaftskommunikation und eine Neuverortung von Wissenschaft innerhalb der politischen Theorie. Hier muss gemeinsam an einem Strang gezogen werden, um neue Wege zu finden und Formate zu entwickeln, die diesen Bereich abdecken.
Gibt es Entwicklungen, die Sie positiv stimmen, dass es gelingt?
So bizarr das klingen mag: Die Vorwürfe von rechtsaußen, die Wissenschaft sei stabilisierender Teil eines „versifften“ Systems, wird, da bin ich mir sicher, zu einer verstärkten Beschäftigung mit den von mir skizzierten Fragen führen. Und dann gibt es natürlich auch derzeit insgesamt starke Impulse aus der Politik, das Thema Kommunikation der Wissenschaft mit und in der Gesellschaft noch einmal deutlich zu stärken und voranzutreiben.