Ein Experte erklärt im Fernsehinterview Astrophysik, eine Youtuberin tut online dasselbe. Wen empfinden wir als vertrauenswürdiger? Das hat ein Forschungsteam der Technischen Universität Braunschweig erforscht. Die Kommunikationswissenschaftlerin Anne Reif erklärt im Interview, was sie herausgefunden haben.
Wem wir vertrauen, wenn es um Wissenschaft geht
Frau Reif, worum geht es in Ihrer Studie „Why Are Scientific Experts Perceived as Trustworthy? Emotional Assessment within TV and Youtube Videos“?
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind oft als Grundlagen für unsere Alltagsentscheidungen notwendig. Deshalb sind wir auf vertrauenswürdige wissenschaftliche Expertinnen und Experten in den Medien angewiesen. Für unsere Studie haben wir zwei Bewegtbildformate angeschaut, zum einen Interviews mit wissenschaftlichen Expertinnen und Experten im Fernsehen. Denn laut dem Wissenschaftsbarometer ist das Fernsehen die Hauptquelle für wissenschaftliche Informationen. Außerdem haben wir uns Youtube-Videos von Sciencetuberinnen und Sciencetubern angeschaut, die selbst wissenschaftliche Expertinnen und Experten sind und die Videos moderieren. Da gibt es eine direktere Dialogmöglichkeit und ein stärkerer Fokus liegt auf Emotionen, nicht nur der Faktenvermittlung. Wir haben vermutet, dass das vertrauensstärkend wirken könnte. Außerdem sind die Expertinnen und Experten online diverser, also jünger und häufiger Frauen. Wenn Expertinnen und Experten im Fernsehen auftreten, sind darunter einer Studie zufolge nur 21 Prozent Frauen und fast 80 Prozent Männer.
Was genau wollten Sie anhand der Videos herausfinden?
Wir wollten wissen, wie sich die wissenschaftlichen Expertinnen und Experten in den Videos hinsichtlich ihrer wahrgenommenen Vertrauenswürdigkeit unterscheiden. Zum einen abhängig vom Format, also ob sie in einem Fernsehinterview oder einem Youtube-Video auftreten. Dann aber auch in Bezug auf Alter und Geschlecht. Außerdem hat uns interessiert, mit welchen anderen Faktoren der emotionalen Bewertung die Vertrauenswürdigkeit zusammenhängt: beispielsweise, wie verständlich sie erklären oder ob sie als typische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wahrgenommen werden.
Wie sind Sie dafür vorgegangen?
Für die Studie haben wir eine standardisierte Online-Umfrage mit einem experimentellen Design und sechs verschiedenen Stimuli, also Videobeispielen, durchgeführt. Vier Stimuli waren Ausschnitte aus Fernsehinterviews aus der Sendung „alpha Forum“, zwei waren YouTube-Videos. Die Hälfte der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den Videos waren Frauen, die andere Männer. Bei allen Videos ging es um Physik, vor allem Astrophysik, und sie dauerten ungefähr eine Minute. Allen Probandinnen und Probanden wurden zufällig zwei Videos gezeigt (je eine Expertin und ein Experte), die es zu bewerten galt. Insgesamt haben 155 Menschen teilgenommen, dabei wurde jedes Video von etwa 50 Personen gesehen. Die Stichprobe war eher jung, höher gebildet und auch eher männlich. Viele haben außerdem Onlinemedien genutzt.
Wie lief die Umfrage konkret ab?
Zuerst haben wir abgefragt, wie interessiert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Wissenschaft sind, und wie sehr sie Forschenden vertrauen. Außerdem, wie häufig sie Wissenschaftsmedien nutzen. Nach jedem der zwei zufällig ausgewählten Videos sollten sie die Vertrauenswürdigkeit des Experten oder der Expertin bewerten – also ihre Kompetenz, Integrität und ihr Wohlwollen – und auch, wie verständlich und unterhaltsam das Video war. Und inwieweit man glaubt, dass es sich um einen typischen Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin handelt.
Und was haben Sie herausgefunden?
Wie haben sich Emotionen und Stereotypen auf die Vertrauenswürdigkeit ausgewirkt?
Was bedeutet das genau?
Wissenschaftlerinnen wurden in ihrer Kompetenz höher eingestuft als Wissenschaftler. Weiblich zu sein hat sich also positiv auf die Expertise ausgewirkt. Für Integrität und Wohlwollen haben wir aber keine Effekte festgestellt, die sich von stereotypen Eigenschaften ableiten lassen würden.
Was schließen Sie aus Ihren Ergebnissen?
Neue Online-Formate der direkten Wissenschaftskommunikation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die hier jünger und häufiger als im Fernsehen Frauen sind, sollten in ihrer Rolle für die Vertrauensbildung nicht unterschätzt werden. Außerdem sollte in der Wissenschaftskommunikationsforschung stärker auf die Rolle von Emotionen eingegangen werden. Die scheinen auch wichtig für die Vertrauenswürdigkeit zu sein.
Was lässt sich aus Ihren Ergebnissen nicht ableiten?
Unsere Stichprobe ist nicht bevölkerungsrepräsentativ, sondern war eher höher gebildet, sehr onlineaffin und auch relativ jung. Darunter waren viele Studierende und Absolventinnen und Absolventen von Universitäten, die tendenziell stärker mit Wissenschaft in Kontakt kommen. Das könnte sich darauf auswirken, wie sie Expertinnen und Experten wahrnehmen. Deshalb wäre es spannend, den Effekt bei nicht so universitär geprägten Personen zu untersuchen. Wir hatten außerdem nur sechs Stimuli. Das heißt, manche Effekte könnten an den einzelnen Videos liegen. Eine der Sciencetuberinnen war Mai Thi Nguyen-Kim von „maiLab“. Damals war sie noch nicht im Fernsehen tätig, aber ihre Bekanntheit kann natürlich auch mit reingespielt haben. Allerdings haben wir die Probandinnen und Probanden ausgeschlossen, die angegeben haben, sie schon zu kennen.