Der aktuelle Siggener Impuls „Walk the Talk“ zählt den Wissenschaftsjournalismus ausdrücklich zur Wissenschaftskommunikation. Das ist einer der Kritikpunkte der Journalistin Heidi Blattmann in ihrem Kommentar. Markus Pössel, Leiter des Hauses der Astronomie, sieht dies anders und plädiert im Gastbeitrag für einen Begriff, der alle Spielarten einschließt.
Was zur Wissenschaftskommunikation dazugehört: Wie sieht die Praxis aus?
Jetzt sind sie da, die Siggener Impulse 2018. Unter der Überschrift „Walk the Talk“ geht es darum, dass Wissenschaftskommunikation (auch) Chefsache sein sollte. Mich hat allerdings vor allem aufhorchen lassen, welches Verständnis von Wissenschaftskommunikation den Impulsen zugrundeliegt :
„Unter Wissenschaftskommunikation verstehen wir hier die externe Wissenschaftskommunikation. Dazu zählen wir sowohl die institutionelle Wissenschaftskommunikation, die von professionellen Kommunikatoren, aber auch von den in den Wissenschaftsinstitutionen angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern betrieben wird, aber auch die „freie“ Wissenschaftskommunikation außerhalb dieser Organisationen sowie auch den Wissenschaftsjournalismus.“ (S. 2)
Warum das wichtig ist?
Weil es in Diskussionen zum Thema derzeit (im Wesentlichen) zwei Definitionen gibt, was alles zur Wissenschaftskommunikation gehört. Die hier zitierte und eine deutlich verengte, aus meiner Sicht irreführende und schädliche.
Ich bin als Wissenschaftler in der wissenschaftlichen Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit tätig, konkret im Haus der Astronomie und im Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA). Ein Teil meiner Arbeit fällt in den Bereich Public Relations, etwa das Abfassen von Pressemitteilungen. Andere Tätigkeiten ähneln dem Alltag meiner in der Forschung tätigen Kolleginnen und Kollegen: Ich schreibe (und debugge) Programme zur Auswertung astronomischer Daten, nur eben nicht für die Spitzenforschung, sondern bei der Betreuung einer Jugend-forscht-Teilnehmerin. Ich schreibe und veröffentliche (vereinzelt) Fachartikel, durchaus auch in Zeitschriften mit Peer-Review, aber wiederum nicht zur aktuellen astronomischen Forschung, sondern beispielsweise zu didaktischen Vereinfachungen kosmologischer Modelle. Ich halte Vorträge und Vorlesungen, allerdings nicht für Fachkollegen, sondern für die Öffentlichkeit, bei der Lehramtsausbildung oder im Rahmen des Studium generale.
So oder ähnlich tragen auch meine direkt in der Forschung tätigen Kolleginnen und Kollegen ihre Wissenschaft in die Öffentlichkeit. Viele von ihnen halten öffentliche Vorträge. Andere engagieren sich bei öffentlichen Führungen oder Schülerpraktika ihrer Institute. Wieder andere schreiben populärwissenschaftliche Artikel, bloggen oder tweeten.
PR Begriff ist für viele Bereiche nicht passend
„PR“ weckt Assoziationen mit Werbung und Marketing. Nicht falsch, solange es um die Pressestellen wissenschaftlicher Institutionen geht – die dortigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ja nicht selten auch ihrem Selbstverständnis nach PR-Fachleute, nutzen gängige PR-Werkzeuge und verstehen die eigene Institution als Marke, die es bei einer Zielgruppe in positiver Weise bekannt zu machen gilt. Was die Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler angeht, führen die PR-Assoziationen dagegen weitgehend in die Irre. Wer eine PR-Ausbildung besitzt, kann damit noch lange nicht mit einer Schülerin Galaxien-Rotationskurven auswerten, oder Physiklehrer fortbilden. Umgekehrt denken die betreffenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz überwiegend nicht in Begriffen der PR. Wer einen öffentlichen Vortrag plant, macht sich zwar darüber Gedanken, das Thema gut und anschaulich zu präsentieren, aber doch nicht dazu, wie das eigene Institut möglichst markenkonform präsentiert werden kann.
Nicht zuletzt ist mit der Begriffswahl eine Wertung assoziiert. PR will nicht in erster Linie informieren, sondern beeinflussen und letztlich verkaufen. Dieser Aspekt wird häufig dann betont, wenn der Kontrast zwischen Wissenschafts-PR und der unabhängigen Berichterstattung des Wissenschaftsjournalismus herausgestellt werden soll. Und auch in diesen Teil des Schemas passen die meisten Vermittlungsaktivitäten von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht hinein.
Schritt in die richtige Richtung
Entsprechend froh bin ich darüber, dass es in der Forschung zum Thema einen umfassenderen Begriff der Wissenschaftskommunikation gibt. Er entspricht der eingangs zitierten Definition und umfasst alle Situationen, in denen Menschen über wissenschaftliche Themen kommunizieren – innerhalb der Wissenschaft, zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, durch PR-Fachleute, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder Journalistinnen und Journalisten. Ein Begriff ohne Ausgrenzung, Unsichtbarmachen, Abqualifizieren, hier auf diesem Portal eingängig beschrieben in einem Beitrag des Wissenschaftskommunikationsforschers Mike Schäfer. Nach einer entsprechenden Diskussion auf dem von wechselnden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bespielten Twitter-Konto @realsci_DE hatte ich im Oktober 2018 auch den Wikipedia-Eintrag „Wissenschaftskommunikation“ entsprechend ergänzt und aktualisiert.
Der allgemeine Begriff der Wissenschaftskommunikation bietet die Chance, die unterschiedlichen Vermittlungsarten zu vergleichen und zu kontrastieren – ohne tendenziöse Vorsortierung, ohne das Ausblenden wichtiger Teilbereiche. Es schränkt nicht ein, wie wir über Wissenschaft und Öffentlichkeit reden – zumal der Begriff der Wissenschafts-PR ja nach wie vor zur Verfügung steht – sondern erweitert die Möglichkeiten. Er gibt uns überhaupt erst ein Wort dafür, zusammenfassend über alle Arten und Weisen zu reden, wie Wissenschaft kommuniziert wird. Das ist der richtige Rahmen, um Wissenschaftskommunikation in all ihren Spielarten zu diskutieren.
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.
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