Das haben wir die Community in unserer Umfrage zum Schwerpunkt Wissenschaft und Politik gefragt. Mehr Diversität und Interdisziplinarität, Transparenz, klare Rollenverteilung und die Trennung von Wissenschaft und politischen Interessen sind nur einige der Antworten. Teil zwei der Auswertung.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der wissenschaftlichen Politikberatung?
Was denken Sie über wissenschaftliche Politikberatung? Das war das Thema unserer Umfrage zum Start des Schwerpunkts „Wissenschaft und Politik“. 139 Personen haben teilgenommen. Nach einigen Fragen zum Stand wissenschaftlicher Politikberatung, die wir hier ausgewertet haben, gab es noch zwei offene Fragen: Welche Strategien empfinden Sie als effektiv für die wissenschaftliche Politikberatung? Die Auswertung gibt es hier.
Außerdem haben wir um einen Blick in die Zukunft gebeten und gefragt: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der wissenschaftlichen Politikberatung? 66 Personen haben diese Frage beantwortet. Die Antworten sind hier in Themenbereiche zusammengefasst. Da eine freie Antwort möglich war, wurden die Antworten einzelner Personen, wenn sie mehrere Themenbereiche abdecken, entsprechend aufgeteilt. Die Prozentangaben kommen somit in der Summe auf über 100 Prozent.
Diversität und Interdisziplinarität
Am häufigsten wünschten sich die Teilnehmenden (21 Prozent, n = 14) der Umfrage mehr Diversität und Interdisziplinarität in der Politikberatung. Konkret genannt wurde etwa, dass „nicht nur die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Festanstellung beachtet werden, sondern auch die Zeitangestellten und Selbstständigen im wissenschaftlichen Dienstleistungssektor“. Oder dass „weniger Einfluss von Akademien ausgeübt wird und mehr aktive Forscherinnen und Forscher aus ihrem Gebiet ihre Stimme erheben“, zum Beispiel durch „diverse und jüngere Runden als die Leopoldina“.
Außerdem solle Politikberatung „unterschiedliche Themenbereiche abdecken“, „den wissenschaftlichen Diskurs einbeziehen, die Deutungshoheit nicht einzelnen Forschenden überlassen, Grenzen der Wissenschaft berücksichtigen und die Praxis mit einbeziehen (im Fall von Corona zum Beispiel Ärztinnen und Ärzte)“. Konkret genannt wurde hier, die „Förderung von Strukturen, die Wissenstransfer [zu] unterstützen. Dies kann nicht aus Einzelprojekten heraus geleistet werden und sollte im Sinne der Pluralität und Objektivität nicht von Einzelpersonen geleistet werden“.
Mehr Orientierung der Politik an wissenschaftlichen Ergebnissen
Eine „stärkere Basierung [von Politik] auf Empirie und Daten“ oder dass „wissenschaftliche Fakten auch entsprechende Handlungen nach sich ziehen“, war ein weiteres häufig genanntes Antwortfeld. Dazu gehöre „Offenheit für die Beschäftigung mit der Komplexität der Forschungsfelder und dem kontroversen wissenschaftlichen Diskurs seitens der Politik (und der Gesellschaft)“. Die wissenschaftliche Politikberatung „sollte normaler Teil der Entscheidungsfindung sein – das dauert dann im Zweifelsfall auch einmal länger“. Gefordert wurde auch, dass „die Empfehlungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den politischen Entscheidungen noch stärker berücksichtigt werden (Beispiel: Klimawandel)“, aber ebenso „mehr Beachtung der Forschungsergebnisse, weniger Rücksicht auf Emotionen der Bevölkerung“.
Mehr Transparenz, vor allem bezüglich der Prozesse
Mit 15 Prozent (n = 10) auf dem dritten Platz der Nennungen lag das Thema Transparenz. Konkret ausformuliert hieß das zum Beispiel „seitens der Politik: Bei der Veröffentlichung von Entscheidungen eine begleitende Erläuterung, welche wissenschaftliche Basis einbezogen wurde (frei zugängliche Daten, Stellungnahmen der Wissenschaft et cetera) und auf welchen Überlegungen die finale Entscheidung basiert“. Allgemeiner wurde gefordert, dass „Politikerinnen und Politiker immer erklären, worauf ihre Entscheidungen beruhen (sowohl wissenschaftliche als auch andere Entscheidungsgrundlagen benennen)“ oder dass sichtbar gemacht werden sollte, „inwiefern wissenschaftliche Expertise, politische Entscheidungen mitgestaltet hat“. Ebenfalls genannt wurde eine „bessere Kommunikation der Zusammenarbeit in die Gesellschaft“.
Mehr Kooperation zwischen Wissenschaft und Politik
14 Prozent (n = 9) der Teilnehmenden wünschten sich grundsätzlich mehr Kooperation zwischen Wissenschaft und Politik. Hier wurden neben dem Wunsch nach grundsätzlich „mehr wissenschaftliche[r] Politikberatung“ auch „mehr Offenheit und Zusammenarbeit“ und „mehr Austausch“ genannt sowie „langfristige Beziehungen und kontinuierlicher Dialog zwischen Politik und Wissenschaft nicht nur in der Krise“. Eine Idee war hier: „Mehr Schnittstellen, die wissenschaftliche Ergebnisse und Einordnungen aggregieren und im Gespräch mit Politikerinnen und Politikern zusammenfassend einbringen können (wie etwa die Akademien)“. Wichtig sei auch „eine engere Zusammenarbeit, um effiziente, zielgerichtete Kommunikation zu ermöglichen. Nur so ist eine breite Akzeptanz der Bevölkerung möglich“.
Klare Rollenverteilung
Mehrfach benannt (8 Prozent, n = 5) wurde auch, dass es in der Politikberatung eine klare Rollenverteilung braucht, etwa „Zuständigkeiten und Verantwortungen entlang der gesamten Prozesskette von Kommunikation, das heißt: Wer kann/soll wann was leisten?“. Wichtig sei auch, „dass beide Sphären ihre eigenen Grenzen sowie die Grenzen der anderen Sphäre kennen, anerkennen und benennen können. Wissenschaft kann nicht das Politische ersetzen, zumal Wissenschaftlichkeit die Vermehrung und politische Praxis die Reduktion von Uneindeutigkeiten bedeutet“.
Klare Trennung von Wissenschaft und politischen Interessen
Zu diesen klaren Rollen gehört auch eine klare Trennung von Wissenschaft und politischen Interessen – ebenfalls Thema in 8 Prozent der Antworten (n = 5). Dazu gehöre „seitens der Wissenschaft: Eine klare Kennzeichnung, wo der Übergang von der neutralen wissenschaftlichen Analyse zur inhaltlichen Forderung (nach politischen Maßnahmen) stattfindet“. Außerdem genannt wurden hier „Wertneutralität, Verfassungstreue, kritischere Analyse“ und „Regierungsferne“.
Passende Formate, mehr Kontinuität und mehr gegenseitiges Verständnis
In jeweils vier Antworten wurde außerdem der Wunsch nach mehr passenden Formaten in der Politikberatung laut. Hier brauche es etwa „kreative Veranstaltungen, um Politik und Wissenschaft zusammenzubringen“, „zielgruppenorientierte Formate und Kommunikation“ und „mehr offene Formate, die Wissenschaft dazu bringt, frühzeitig mit anderen Wissensträgern zu kommunizieren“.
Genauso häufig wurde mehr Kontinuität thematisiert, etwa eine „bessere Verstetigung“, „Förderung von Strukturen, die Wissenstransfer unterstützen“, „mehr fest etablierte Formate“ und konkret, „dass wissenschaftliche Expertise auch hinsichtlich des Erhalts unseres Lebensraumes ernst genommen wird wie in der Pandemie und zu schnellen und ernst zu nehmenden Handlungen führt“.
„Mehr wechselseitiges Verständnis“ wurde ebenfalls in vier Antworten thematisiert. Dazu gehöre etwa das „Verständnis für die Handlungszwänge der Praxis seitens der Wissenschaft“ und auch, „dass Wissenschaft noch mehr lernt, wie effektives Werben um die eigene Position in der Politik geht und Politik versteht, dass das Wissenschaftssystem ein ganz eigenständiges ist und anders funktioniert“.
Weniger Lobbyismus, mehr Qualitätssicherung und mehr Unterstützung durch die Politik
Jeweils dreimal thematisiert wurde der Wunsch nach weniger Lobbyismus, mehr Qualitätssicherung in der Politikberatung und mehr Unterstützung der Wissenschaft durch die Politik. Konkret wurde hier etwa geschrieben: „Die ‚breite Öffentlichkeit‘ hat wenig Verständnis für das wissenschaftliche Arbeiten. Dass Erkenntnis, Interpretationen, Gegenrede, Neuinterpretation zum Geschäft gehört, ist schwer zu vermitteln. Die Menschen wollen unumstößliche, ewig währende Fakten. Diese Bedürfnisse der Menschen und die Realität der Wissenschaft müssen in Einklang gebracht werden. Die Politik muss hier deutlicher kommunizieren, damit die Wissenschaft bei neuen Erkenntnissen und Widerspruch keinen Schaden nimmt“.
Weitere Themen von Professionalisierung bis zu mehr wissenschaftlicher Kompetenz in der Politik
Einzeln genannt wurde eine bessere Ansprechbarkeit in beide Richtungen, „weniger Prominenz von Meinungen einzelner Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen“, mehr „Zeit, Ruhe, Überblick“ und „mehr Mut von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihre Ergebnisse politisch einzuordnen“. Eine Person wünschte sich entgegen dem obigen Ruf nach mehr Politikberatung außerdem „mehr Zurückhaltung, jedenfalls in meinem Fach (Sozialwissenschaften).“