Die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz sind so rasant, dass die Datenlage hinterherhinkt. Das will der Meinungsmonitor KI ändern. Sandra Kero und Matthias Begenat erläutern, wie viel Technikpessimismus existiert und wie sie die Ergebnisse in die öffentliche Debatte einbringen.
Was die Bevölkerung über KI denkt
ChatGPT ist in aller Munde. Der textbasierte Chatbot scheint generativen KI-Anwendungen zum lang prognostizierten Durchbruch zu verhelfen. Innerhalb kürzester Zeit erlangte der Chatbot gesellschaftsweite Aufmerksamkeit. Bereits im Januar 2023, nur etwa zwei Monate nach seiner offiziellen Veröffentlichung, gaben in einer Umfrage des Meinungsmonitors Künstliche Intelligenz (MeMo:KI) knapp 30 Prozent der deutschen Bevölkerung an, ChatGPT zu kennen. In der Befragung des Forschungsteams unter der Leitung von Frank Marcinkowski äußerten zudem 11 Prozent der Befragten, dass sie den Chatbot schon aktiv nutzen.
Hier setzt der Monitor an und liefert Daten für diese und ähnliche Fragen: Was denkt die Bevölkerung über Künstliche Intelligenz? Welche Bevölkerungsgruppen befürworten eher den Einsatz von KI, welche lehnen ihn ab? Werden durch Erfahrungen, die Nutzer*innen mit ChatGPT machen, Befürchtungen verringert oder bestärkt?
Der Meinungsmonitor KI
Der Meinungsmonitor Künstliche Intelligenz (MeMo:KI) ist eine Forschungspartnerschaft zwischen der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) und dem Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum. Er wird durch die Stiftung Mercator bis Ende März 2024 gefördert.
Die Pilotphase des Projekts von Januar 2020 bis März 2021 wurde zusammen mit dem Forschungsteam der HHU und mit Fördermitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen erfolgreich umgesetzt.
Zum Team des MeMo:KI gehören: Prof Dr. Frank Marcinkowski (Projektleiter), Dr. Fabian Anicker (wissenschaftlicher Mitarbeiter), Florian Golo Flaßhoff (wissenschaftlicher Mitarbeiter, alle HHU) und Sandra Kero (Wissenschaftskommunikation, CAIS).
Wenig Evidenz für Technikpessimismus
Mit einem langfristigen Monitoring soll die Bevölkerungsmeinung, eine Auswertung der Medienberichterstattung und die (Fach-)Diskussion in sozialen Netzwerken über KI erfasst werden. Die empirischen Befunde sollen wiederum in die gesellschaftliche Diskussion eingespeist werden. Der Meinungsmonitor unterstützt so eine evidenzbasierte Debatte über Künstliche Intelligenz.
In der Medienanalyse ermitteln Forscher*innen jeden Monat die veröffentlichten Artikel zu Künstlicher Intelligenz in den 34 reichweitenstärksten deutschen Online- und Printmedien. Erfasst werden auch thematische Schwerpunkte. So kann monatlich gezeigt werden, welche Themen dominieren oder weniger oft vorkommen. Im Jahr 2022 berichteten die Medien am häufigsten über den wirtschaftlichen Nutzen von KI, weit weniger Artikel wurden zu ethischen, kulturellen und politischen Themen veröffentlicht.
Die Fachdiskussion wurde in den Jahren 2021 und 2022 über eine halbjährliche Analyse der Twitter-Kommunikation abgebildet. Untersucht wurde dabei, wer wie häufig über KI spricht und wer sich mit wem zum Thema KI vernetzt. Aufgrund der Dynamik der Plattform seit der Übernahme und der Unsicherheit über den API-Zugang für die Forschung wird die Analyse nicht fortgeführt.
Wie über KI kommunizieren?
Die Wissenschaftskommunikation zum Meinungsmonitor übernimmt das Center for Advanced Internet Studies (CAIS). Als Institut für Digitalisierungsforschung fokussiert sich das CAIS auf Themen rund um die digitale Transformation der Gesellschaft. In der Kommunikationsarbeit kann der Meinungsmonitor daher mit anderen Forschungsthemen des Instituts verknüpft werden. Seit Projektbeginn konnte die Kommunikation in die Formate des Instituts integriert werden, auf Kommunikationsinfrastruktur und Reichweite zurückgreifen, ohne selbst bei null anfangen zu müssen.
Der Meinungsmonitor Künstliche Intelligenz soll ein Instrument zur Selbstbeobachtung der Gesellschaft sein. Damit in der öffentlichen Auseinandersetzung und in fachlichen und politischen Diskussionen die Einschätzungen der Bevölkerung gegenüber der Technologie nicht rein spekulativ bleiben, werden die Befunde des Monitors mittels vielfältiger Kommunikationsmaßnahmen in die Debatte eingespeist. Je nach Zielgruppe unterscheiden sich dabei Format und Informationstiefe. So werden in der Pressearbeit und via Twitter einzelne Befunde aus der Befragung oder der Medienanalyse aufbereitet, um eine größere Reichweite zu erzielen. Ganz anders gehen wir in Veranstaltungsformaten vor, die das CAIS für Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Medienbildung oder auch für Journalist*innen initiiert und in denen – thematisch gebündelt – auch weitere Forschungsprojekte präsentiert werden. Hier werden Ergebnisse detailliert vorgestellt und Ursachen, Folgen und potenzielle Handlungsoptionen ausführlich diskutiert.
Eigene digitale Formate bieten die größte Gestaltungsfreiheit. In einem interaktiven Dashboard machen wir die Befragungsdaten in aufbereiteter Form öffentlich zugänglich und liefern die Visualisierung gleich mit. Interessierte können eigene Auswertungen durchführen. Die Einschätzungen der Bevölkerung können im Zeitverlauf oder für unterschiedliche Gruppen analysiert werden. Factsheets zu Sonderbefragungen wie zum Thema Nachhaltigkeit und Künstlicher Intelligenz bereiten Ergebnisse kurz und verständlich in schriftlicher Form auf. In einer Podcast-Folge ist viel Zeit, um auch die methodische Vorgehensweise ausführlicher zu erläutern.
Resonanz und Reflexion
Das Projekt gibt uns immer wieder Impulse, die eigene Kommunikationsarbeit zu reflektieren. So führte unsere Analyse der Twitterkommunikation dazu, dass Organisationen in eigenen Postings die Befunde aufgriffen und sich damit „rühmten“ in der Debatte zu den zentralen Akteuren zu gehören. Anfang des Jahres 2023 als die Ergebnisse der ChatGPT-Umfrage eine Vielzahl von Medienplatzierungen erreichten, wurde der Monitor selbst zum Teil der Berichterstattung, die im Projekt analysiert wird. Paradoxerweise nehmen Herausforderungen dieser Art zu, je gelungener und erfolgreicher die Wissenschaftskommunikation ist.
Die redaktionelle Verantwortung für diesen Beitrag lag bei Anna Henschel. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.