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Warum stecken wir den Kopf in den Sand? Neues aus der Forschung

Was motiviert Menschen dazu, Informationen zu Umweltthemen zu vermeiden? Welche Rolle spielen Hinweise in den Medien für das Vertrauen in die Wissenschaft? Und warum wird bei diesem Thema die Kluft zwischen Konservativen und Liberalen in den USA immer größer?

In unserem monatlichen Forschungsrückblick besprechen wir aktuelle Studien zum Thema Wissenschaftskommunikation. In diesem Monat blicken wir in die USA und nach Deutschland. Es geht um den Dauerbrenner „Vertrauen in die Wissenschaft“ und um Informationsvermeidung zu Umweltthemen.

Welche Rolle spielen „trust cues“ in den Medien?

Was ist an der These dran, dass die zunehmende Digitalisierung einen negativen Einfluss auf das Vertrauen in die Wissenschaft hat? Ein Forschungsteam um Lars Guenther von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat sich mit dieser Frage beschäftigt und untersucht, wie vertrauenserweckende Hinweise („trust cues“) in Medien bei unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen das Vertrauen in die Wissenschaft beeinflussen.

Methode: Als „trust cues“ bezeichnen die Autor*innen spezifische sprachliche Merkmale, die als Hinweise auf Vertrauenswürdigkeit dienen. „Vertrauen in Wissenschaft“ umfasst für die Autor*innen mehrere Ebenen: Vertrauen in die Wissenschaft als System (Makroebene), wissenschaftliche Organisationen wie beispielsweise Universitäten (Mesoebene) und individuelle Wissenschaftler*innen (Mikroebene). Sie stützen sich auf das Konzept des epistemischen Vertrauens, bei dem es darum geht, ob Informationen als vertrauenswürdig wahrgenommen werden.

Demnach spielen bei der Bewertung von Vertrauenswürdigkeit folgende Dimensionen eine Rolle: Expertise, Integrität, Wohlwollen, Transparenz und Dialogorientierung. Die Autor*innen nutzen für ihre Untersuchung eine Liste von „trust cues“, die sich auf diese Dimensionen beziehen. Beim Stichwort „Expertise“ verweisen sie beispielsweise auf die akademische Bildung und Berufserfahrung, beim Thema Integrität auf Unabhängigkeit und wissenschaftliche Qualitätssicherung.

Die Befragten kamen am häufigsten über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und am seltensten über Boulevardzeitungen und Mikroblogging-Dienste wie X mit Wissenschaft in Berührung.
Die Autor*innen untersuchten rund 1800 Medienbeiträge auf „trust cues“. Dazu sammelten sie zwischen März 2022 und März 2023 zu unterschiedlichen Zeitpunkten Beiträge über wissenschaftliche Themen. Diese stammten aus Quellen, die Menschen in Deutschland nutzen, um sich über Wissenschaft zu informieren, darunter journalistische Medien wie Fernsehnachrichten, Nachrichtenmagazine, aber auch rechtspopulistische Medienquellen, populärwissenschaftliche Blogs, andere Online-Medien sowie ausgesuchte Konten sozialer Medien.

Die Inhaltsanalyse der Beiträge kombinierten die Autor*innen mit einer Befragung. Dafür nutzten sie das repräsentative Online-Access-Panel des Online-Marktforschungsinstituts YouGov. Die erste Erhebungswelle fand im Frühjahr 2022, die zweite ein Jahr später statt. Die Fragen bezogen sich auf die verschiedenen Dimensionen und Ebenen von Vertrauen. 1030 Personen nahmen an beiden Befragungen teil. Sie wurden auch zu ihrer Mediennutzung zu wissenschaftlichen Themen befragt. Die Autor*innen ordneten die Teilnehmenden je nach dem Grad ihres Vertrauens in die Wissenschaft in fünf Gruppen ein. 16 Prozent fielen in die Gruppe „völlig vertrauensvoll“, 22 Prozent in „sehr vertrauensvoll“, 24 Prozent in „mäßig vertrauensvoll“, 20 Prozent in „eher nicht vertrauensvoll“ und 18 Prozent in „nicht vertrauensvoll“. Die Daten der Inhaltsanalyse und der Befragungen wurden in der Auswertung miteinander verknüpft.

Ergebnisse: Die höchste Anzahl von „trust cues“ wurde in Wissenschaftsmagazinen gefunden, die niedrigste in sozialen Medien. Die Befragten kamen am häufigsten über das öffentlich-rechtliche Fernsehen und am seltensten über Boulevardzeitungen und Mikroblogging-Dienste wie X mit Wissenschaft in Berührung. Das Vertrauen in die Wissenschaft veränderte sich bei den einzelnen Befragten im Laufe des Jahres zwischen den Befragungen kaum.

Beim Blick auf die Gesamtstichprobe zeigt sich, dass das Vertrauen in die Wissenschaft höher war, wenn die Befragten häufiger mit trust cues im öffentlich-rechtlichen Fernsehen konfrontiert waren. Es war niedriger, wenn sie mit mehr Vertrauenshinweisen in populistischen Medien konfrontiert waren.

Bei den „mäßig Vertrauensvollen“ war das Vertrauen in die Wissenschaft umso größer, je mehr sie mit Vertrauenshinweisen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und in Wissenschaftsmagazinen konfrontiert waren.
Der Blick auf die fünf Untergruppen zeigt: Bei denjenigen, die volles Vertrauen in die Wissenschaft hatten, war nur das das Vertrauen in der ersten Erhebungswelle ausschlaggebend dafür, wie hoch das Vertrauen in der zweiten Erhebungswelle war. Bei den „sehr Vertrauensvollen“ zeigte sich außerdem ein negativer Einfluss von Wissenschaftsblogs auf das Vertrauen in die Wissenschaft. Bei den „mäßig Vertrauensvollen“ war das Vertrauen in die Wissenschaft umso größer, je mehr sie mit Vertrauenshinweisen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen und in Wissenschaftsmagazinen konfrontiert waren. Außerdem hatten diejenigen mit einem höheren formellen Bildungsgrad mehr Vertrauen in die Wissenschaft. Bei den „eher nicht Vertrauensvollen“ ließ nur das Vertrauensniveau in der ersten Erhebung auf das in der zweiten schließen – wie bei den „völlig Vertrauensvollen“. Auch bei den „nicht Vertrauensvollen“ blieb das Vertrauensniveau stabil. Außerdem war ihr Vertrauen umso größer, je weniger sie mit Vertrauenshinweisen in populistischen Medien konfrontiert waren.

Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass das Vertrauen in die Wissenschaft unter den Befragten insgesamt stabil blieb – zumindest über ein Jahr hinweg. Möglicherweise habe es in diesem Jahr kein größeres Ereignis gegeben, dass das Vertrauen stark bestärkt oder geschädigt habe, vermuten die Autor*innen.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen wurde am häufigsten als Quelle genutzt, um sich über wissenschaftliche Themen zu informieren. Gleichzeitig verwendet es mäßig häufig „trust cues“ in der Berichterstattung. Laut der Autor*innen könnte das erklären, dass Menschen, die mehr öffentlich-rechtliches Fernsehen sähen, ein etwas höheres Vertrauen in die Wissenschaft haben. Während sich Menschen mit hohem Interesse an Wissenschaft vermutlich gezielt spezielle Wissenschaftssendungen im Fernsehen anschauen, zeigen andere Bevölkerungsgruppen ein großes Interesse an populistischen Medien. Auch letztere aber verwenden „trust cues“. Die Autor*innen schlagen deshalb vor, näher zu untersuchen, wie populistische Medien Vertrauen in die Wissenschaft vermitteln.

Die Autor*innen unterstreichen, dass Effekte von „echten“ journalistischen Quellen laut der Studienergebnisse immer positive Auswirkungen hatten.
Die „völlig Vertrauensvollen“ und die „eher nicht Vertrauensvollen“ ließen sich nicht durch ihren Medienkonsum in ihrem Vertrauen in die Wissenschaft beeinflussen. Bei der ersten Gruppe könnte dies durch ein hohes und stabiles Vertrauen in die Wissenschaft erklärt werden, bei der anderen sei weitere Forschung nötig, schreiben die Autor*innen. Auch dass die „sehr Vertrauensvollen“ durch „trust cues“ in Wissenschaftsblogs negativ beeinflusst wurden, sei ein Thema für weitere Forschung.

Die Studie konnte Effekte einiger journalistischer und populistischer (Online-)Medien auf einige Bevölkerungsgruppen feststellen. Jedoch konnten überraschenderweise keine Effekte für (Online-)Zeitungen, soziale Medien und andere Online-Medien festgestellt werden, obwohl diese auch „trust cues“ enthielten und häufig genutzt wurden. Trotzdem gäben die Ergebnisse Hinweise, über welche Medien bestimmte Zielgruppen der Wissenschaftskommunikation erreicht werden könnten, schreiben die Autor*innen. Sie unterstreichen, dass Effekte von „echten“ journalistischen Quellen laut der Studienergebnisse immer positive Auswirkungen hatten. Bei anderen (Online-)Medien, wie Blogs und populistischen Medien, war der Effekt negativ.

Einschränkungen: Die vorgeschlagene Verknüpfung von Inhaltsanalyse und Panelbefragung hat laut der Autor*innen Grenzen. Unter anderem könnten die Ergebnisse hinsichtlich der Häufigkeit von „trust cues“ nur als Näherungswert betrachtet werden. Außerdem hätten „trust cues“ unterschiedliche Wirkungen auf Menschen. Die Autor*innen schlagen deshalb vor, die Effekte von Vertrauenshinweisen in Interviews und Fokusgruppen zu testen.

Guenther, L., Schröder, J. T., Reif, A., Brück, J., Taddicken, M., Weingart, P. and Jonas, E. (2024). ‘Intermediaries in the limelight: how exposure to trust cues in content about science affects public trust in science’. JCOM 23(09), A06. https://doi.org/10.22323/2.23090206

Kopf im Sand: Warum Menschen Informationen zu Umweltthemen vermeiden

Ob Klimawandel oder Artensterben: Nachrichten über Umweltthemen können unangenehme Gefühle auslösen. Das Radio oder den Fernseher auszuschalten, ist eine Möglichkeit, damit umzugehen. Welche Motive und welche Themen bewegen Menschen dazu, Informationen im Umweltbereich zu vermeiden? Das haben Mary Beth Deline und Mary Katreeb von der Illinois State University zusammen mit Laura N. Rickard von der University of Maine und Melissa Adams von der Appalachian State University untersucht.

Methode: Die Autorinnen stützen sich auf das Modell PRIA („planned risk information avoidance“), das Informationsvermeidung untersucht. Es hat Wurzeln in den Modellen der Risikoinformationssuche und -verarbeitung (RISP) und der geplanten Risikoinformationssuche (PRISM). Bei PRIA wird Informationsvermeidung als aktives Verhalten begriffen – wie etwa das Ausschalten des Fernsehers oder die Bitte, das Gesprächsthema zu wechseln. Da das Modell noch am Anfang seiner theoretischen Ausarbeitung stehe und Informationsvermeidung bei Umweltthemen von der Forschung bisher kaum beachtetet worden sei, führten die Autorinnen eine explorative Studie durch, um eine möglichst breite Palette an Motiven und Themen zu identifizieren, die für das Phänomen relevant sind. Außerdem sollen Randbedingungen („boundary conditions“) des Modells identifiziert werden.

Über das Marktforschungsunternehmen YouGov wurde eine für die USA repräsentative Gruppe von Teilnehmenden rekrutiert, die Ende März 2022 einen kurzen Fragebogen ausfüllten. Dieser enthielt eine offene Frage zu Vermeidungsmotiven und eine geschlossene zu Umweltthemen, aus denen die Teilnehmenden wählen könnten – und einer Kategorie „Sonstiges“. Die Antworten zu den Motiven von 188 Teilnehmenden wurden mithilfe einer Rahmenanalyse („framework analysis“) untersucht. Die Antworten wurden kodiert, die Codes wurden zu Oberthemen zugeordnet. Bei der offenen Frage zu den Themen wurde ähnlich verfahren.

Ergebnisse: Die Autorinnen identifizierten in den Antworten sieben Hauptmotive zur Informationsvermeidung:

  1. Stimmungsmanagement: Das Vermeidungsverhalten scheint teilweise der Regulierung der eigenen Stimmung zu dienen. Teilnehmende beschrieben sowohl positive als auch negative Gefühle angesichts von Umweltinformationen. Es hieß beispielsweise, dass es „deprimierend sei“ Informationen über solche Themen zu lesen. Die Teilnehmenden beschreiben auch emotionale Erregung und Gefühle von Überwältigung: „Es ist fast wie ein Gefühl von drohendem Untergang, mit dem ich manchmal einfach nicht umgehen kann.“
  2. Handlungsmotive: Die Teilnehmenden hatten unterschiedliche Einschätzungen dazu, ob sie selbst oder andere fähig seien, etwas zur Lösung von Umweltproblemen beizutragen – und ob das Handeln Konsequenzen haben würde. Eine Person sagte: „Manchmal ist das Problem zu deprimierend, weil ich weiß, dass ich nichts tun kann, um zu helfen oder es zu verhindern.“ Teilweise beschrieben Teilnehmende die vermeintliche Bedeutungslosigkeit ihres Handelns als Grund für die Vermeidungshaltung.
  3. Gefahrenwahrnehmungen: Die Teilnehmenden waren unterschiedlich stark besorgt, was die eigene Gefährdung, die anderer Menschen und die von Tieren und Pflanzen durch Umweltprobleme betrifft. Eine Person nannte als Vermeidungsmotiv „Katastrophen-Burnout“, eine andere erklärte, sie könne den Gedanken an den Tod so vieler Tiere aufgrund von Bränden, des Temperaturanstiegs der Ozeane etc. nicht ertragen.
  4. Zwischenmenschliche Faktoren („relationship frames“: Die Teilnehmenden äußerten sich über Beziehungen zu anderen Menschen, die sich zu Umweltthemen äußerten – beispielsweise ablehnend gegenüber Aktivist*innen wie Greta Thunberg.
  5. Informationsexposition: Teilnehmende nannten häufig als Vermeidungsmotiv, einem Übermaß an Informationen ausgesetzt zu sein (Informationsüberlastung): „Manchmal sind es einfach zu viele Informationen, zu traurig (…).“ Auch beschrieben einige, gelangweilt zu sein oder unter „Nachrichtenmüdigkeit“ zu leiden
  6. Glaubwürdigkeit von Informationen: Die Teilnehmenden bewerteten die Glaubwürdigkeit von Informationsquellen nach verschiedenen Kriterien – etwa Genauigkeit und Qualität der Argumentation. Sie nannten mangelhafte Glaubwürdigkeit als Grund dafür, Informationen auszublenden. Einige wollten keine Informationen zu Themen bekommen, mit denen sie sich nach einigen Aussagen bereits gut auskennen.
  7. Spezifische Themen: Die Teilnehmenden verwiesen teilweise auf ein bestimmtes Thema als Grund für die Vermeidung von Umweltinformationen, wobei die Themen vom Klimawandel bis zum Bergbau reichten.

Die Themen, die Teilnehmende am häufigsten nannten, waren: Klimawandel, Abfall und Erschöpfung der natürlichen Ressourcen.

Schlussfolgerungen: Die Autorinnen haben einige Motive identifiziert, die in der Forschung zu umweltbezogener Informationsvermeidung noch nicht oder wenig beachten wurden, und schlagen vor, die PRIA-Kategorien entsprechend zu erweitern. Zu diesen Motiven gehört die „Glaubwürdigkeit“ von Informationen, „emotionale Erregung“ und „zwischenmenschliche Faktoren“. Beispielsweise kann es passieren, dass Teilnehmende Aktivist*innen als unsympathisch beschreiben und sich deshalb abwenden. Die Autorinnen schlagen deshalb vor, besser zu erforschen, wie sich das Verhalten und die Wahrnehmung von Aktivist*innen auf die Informationsvermeidung auswirkt. Als letzten Motiv, dass ins PRIA-Modell aufgenommen werden sollte, schlagen sie „emotionale Erregung“ vor.

Als „Randbedingungen“ des Modells haben die Autorinnen unter anderem das Ausmaß und die Dauer eines Umweltproblems identifiziert. So werde chronische Nachrichtenmüdigkeit beispielsweise vermutlich nur dann auftreten, wenn ein Problem als langfristig begriffen wird.

Die Studienergebnisse können für die Kommunikationspraxis insofern relevant sein, dass sie Hinweise darauf geben, welche Umweltprobleme Informationsvermeidungsverhalten hervorrufen könnten.
Die Autorinnen schlagen auch vor, Informationsvermeidung in Bezug zu Charakteristika der gegenwärtigen Medienlandschaft zu untersuchen. Dazu gehöre das Phänomen des „NFM“ („news finds me“), nach dem Menschen davon ausgehen, dass wichtige Nachrichten sie sowieso über andere Personen und Online-Plattformen erreichen. Die Autorinnen überlegen, ob diesem Phänomen nicht mehr als bloße Trägheit zugrunde liegt – nämlich aktives Vermeidungsverhalten.

Die Studienergebnisse können für die Kommunikationspraxis insofern relevant sein, dass sie Hinweise darauf geben, welche Umweltprobleme Informationsvermeidungsverhalten hervorrufen könnten – zumindest in den USA. Dass der Klimawandel zu den am meisten genannten Themen gehört, sei nicht verwunderlich. Dass auch die Erschöpfung natürlicher Ressourcen dazu gehört, nicht unbedingt erwartbar gewesen, schreiben die Autorinnen. Starke Reaktionen rief das Thema Tiersterben hervor. Die Autor*innen raten deshalb dazu, in der Kommunikationspraxis zu bedenken, ob Nachrichten über das Sterben von Tieren zu Informationsvermeidung führen könnte.

Einschränkungen: Die Studie stützt sich auf die eigenen Aussagen der Teilnehmenden. Möglicherweise erinnern sie sich vor allem an Ereignisse, die sie emotional sehr bewegt haben. Es besteht das Risiko, dass sie bestimmte Informationsvermeidungsstrategien nicht wahrnehmen, nicht erinnern oder absichtlich nicht davon erzählen. Die Autor*innen schlagen für künftige Studien deshalb einen „Tagebuchdesign“ vor, damit Erlebnisse direkt notiert werden können.

Deline, M.B., Rickard, L.N., Katreeb, M., Adams, M. (2024) “Hide Our Heads in the Sand”: Environmental information avoidance motives in the United States. Front. Commun. 9:1468968. doi: 10.3389/fcomm.2024.1468968

Vertrauen in die Wissenschaft: ein politisiertes Thema?

In den vergangenen Jahrzehnten lag das Vertrauen in die Wissenschaft in den USA auf stabilem Niveau – und über den Werten für viele andere gesellschaftliche Institutionen. In den letzten Jahren aber zeichnen sich gravierende Veränderungen ab. Manjana Milkoreit von der Universität Oslo und E. Keith Smith von der ETH Zürich haben Umfragedaten aus den letzten 50 Jahren analysiert und dabei insbesondere Unterschiede zwischen verschiedenen politischen Gruppen in den Blick genommen.

Methode: Die Forscher*innen stützen sich auf Daten aus zwei Umfragen zum Vertrauen von US-Amerikaner*innen in die Wissenschaft: Beim General Social Survey (GSS) wurden 42.364 US-Amerikaner*innen zu 32 Zeitpunkten zwischen 1972 bis 2022 befragt. Sie beantworteten Fragen zu ihrer politischen Orientierung (extrem liberal bis extrem konservativ) und ihrem Vertrauen in die Wissenschaft und anderen Institutionen wie Banken und Finanzinstitutionen, Kirchen, Bildung, Presse, dem Obersten Gerichtshof und dem Kongress.

Die Daten zeigen, dass die Kluft zwischen Liberalen und Konservativen in den letzten Jahren immer tiefer geworden ist.
Außerdem verwendeten sie Daten aus dem American Trends Panel des Pew Research Center von 2022, um das gegenwärtige Vertrauen der Amerikaner*innen in verschiedene gesellschaftliche Gruppen (darunter Wissenschaftler*innen, Schuldirektor*innen und politische Vertreter*innen) zu ermitteln.

Ergebnisse: Von 1972 bis 2022 hatten zwischen 40 und 50 Prozent der Amerikaner*innen „sehr viel“ Vertrauen in die Wissenschaft. Insbesondere im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Institutionen wie der Presse, den Kirchen oder dem US-Kongress blieb das Vertrauen in die Wissenschaft über lange Zeit stabil. Auch im Jahr 2022 berichteten 77 Prozent der Amerikaner*innen, sie hätten entweder sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in Wissenschaftler*innen. Bei Polizeibeamten lag dieser Wert bei 70 Prozent, bei gewählten politischen Vertreter*innen bei 30 Prozent.

Die Unterschiede zwischen Menschen mit unterschiedlichen politischen Ansichten waren dabei in der Vergangenheit eher gering. Das Vertrauen in die Wissenschaft nahm im Zeitverlauf bei Konservativen und Liberalen entweder gleichzeitig zu oder ab. In den 1990er-Jahren aber werden Veränderungen sichtbar. Der Anteil der Konservativen, die großes Vertrauen in die Wissenschaft haben, begann zu sinken, während der Anteil der Liberalen mit großem Vertrauen stetig zunahm. Bis 2018 blieben die Unterschiede im Vertrauensniveau der politischen Gruppen gering. Die Daten zeigen aber, dass die Kluft zwischen Liberalen und Konservativen in den letzten Jahren immer tiefer geworden ist. 2022 war die Wahrscheinlichkeit, dass Liberale großes Vertrauen in die Wissenschaft haben, doppelt so hoch wie bei Konservativen.

Schlussfolgerungen: Das Vertrauen in viele gesellschaftliche Institutionen ist in den USA gesunken. Lange konnte sich die Wissenschaft gegen diesen Trend behaupten. Die Ergebnisse der Studie sprechen laut der Autor*innen jedoch für eine substanzielle Veränderung, was das Vertrauen der Amerikaner*innen in die Wissenschaft betrifft.

Bei einem Teil der Bevölkerung sei der Verlust des Vertrauens in die Wissenschaft nicht mehr auf spezifische Themen wie den Klimawandel beschränkt, sondern habe einem allgemeinen Mangel an Vertrauen Platz gemacht.
Dass in den letzten Jahrzehnten starke Veränderungen im Vertrauen in die Wissenschaft in den USA nie lange anhielten, könnte dafür sprechen, dass sich auch die aktuelle Situation wieder ändern könnte. Die Autor*innen überlegen beispielsweise, dass sich mit mehr Abstand zur Coronapandemie auch das Vertrauen der Konservativen in die Wissenschaft erholen könnte. Eine andere Möglichkeit sei, dass bereits ein Kipppunkt überschritten und ein neuer Zustand erreicht sei, der durch ein dauerhaftes Auseinanderklaffen des Vertrauens der Amerikaner*innen in die Wissenschaft gekennzeichnet ist. Das könnte langfristig Folgen für das öffentliche Engagement der Wissenschaft in der Politik, die Finanzierung der Wissenschaft, aber auch für Bildung, Umweltverhalten und die öffentliche Gesundheit haben, schreiben die Autor*innen.

Neben der Pandemie könnte ein weiterer Grund für den Vertrauensverlust gewesen sein, dass politische Akteur*innen – besonders unter der ersten Trump-Präsidentschaft – versucht haben, das Ansehen der Wissenschaft im öffentlichen Diskurs zu untergraben. Diese Versuche beschränkten sich vor allem auf bestimmte Bereiche wie den Klimawandel, schreiben die Autor*innen. Die Daten zeigten jedoch, dass sich das Vertrauen der Amerikaner*innen in die gesamte Wissenschaft zum Ende der Trump-Präsidentschaft in historisch einmaliger Weise verändert habe. Bei einem Teil der Bevölkerung sei der Verlust des Vertrauens in die Wissenschaft nicht mehr auf spezifische Themen wie den Klimawandel beschränkt, sondern habe einem allgemeinen Mangel an Vertrauen Platz gemacht. Es stelle sich die Frage, ob die Rolle der Wissenschaft in der US-Gesellschaft zu einem politischen Thema geworden ist – so wie auch der Klimawandel oder genetisch veränderte Organismen politische Themen sind.

Milkoreit, M., & Smith, E. K. (2024). Rapidly diverging public trust in science in the United States. Public Understanding of Science, 0(0). https://doi.org/10.1177/09636625241302970

Mehr Aktuelles aus der Forschung

Welche Rolle spielen Humor und Satire in der Wissenschaftskommunikation? Ein Forschungsteam um Isabelle Freiling von der University of Utah hat untersucht, wie Satire die Glaubwürdigkeit einer Botschaft und die Wahrnehmung der Verlässlichkeit von Informationen zum Thema erneuerbare Energien beeinflussen. Die Studienteilnehmenden hörten einen Podcast, in dem ein Wissenschaftler entweder gutmütige Witze machte – wie zum Beispiel: „Enhanced geothermal systems (EGS) könnten überall stattfinden. Genau wie die Liebe. Aber für erneuerbare Energien“. In der derberen Version bezeichnete er EGS zum Beispiel als „Herpes der erneuerbaren Energien“. „Sanfte“ Satire zeigte keine Auswirkungen. Die derberen Varianten wirkten sich negativ auf die Glaubwürdigkeit aus. Die Forscher*innen raten deshalb, mit letzteren lieber vorsichtig umzugehen.

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