Foto: Clint Adair (bearbeitet)

Warum LinkedIn zurzeit mein Lieblingsnetzwerk für Wissenschafts­kommunikation ist

Gibt es einen virtuellen Raum, in dem ein ruhiger und respektvoller Austausch über wissenschaftliche Themen möglich ist – und dann auch noch mit der Zielgruppe, die man sucht? Für Viktor Deleski ist aktuell das soziale Netzwerk LinkedIn dieser Ort, wie er im Gastbeitrag erklärt.

Die Kommunikation – auch die Wissenschaftskommunikation – in den sozialen Medien ist harte Arbeit. Der Kampf um Aufmerksamkeit in einem lauten, schrillen und zu hemmungslosen Reaktionen neigenden Umfeld ist für die Social-Media-Arbeiter kräfteraubend und belastend. Die Sehnsucht ist groß nach einem Ort, an dem ich mich in Ruhe mit meiner Zielgruppe austauschen kann und eine Diskussion, die auf Respekt und Argumenten basiert, führen kann.

Social-Media-Plattform LinkedIn – nicht nur für Recruiter

Diesen Ort gibt es in der digitalen Welt: LinkedIn. Seit 2009 gibt es LinkedIn bereits in Deutschland und es wird immer noch als Business-Netzwerk bezeichnet. Zunächst zielte das Unternehmen aus Mountain View in Kalifornien tatsächlich darauf ab, ein alternatives Karrierenetzwerk zum deutschen Platzhirsch Xing anzubieten – mit dem Bonbon der internationalen Vernetzung. Seither hat sich LinkedIn stark weiterentwickelt. Ja, es gibt die nervigen Kontaktanfragen und Mails von Vertrieblern, die häufig beklagt werden. Aber hey, das gehört dazu und vielleicht haben sich diejenigen einfach noch nicht gemeldet, bei denen aus einer solchen Mail eine erfolgreiche Zusammenarbeit entstanden ist.

„Heute ist LinkedIn mehr als eine Xing-Alternative, es ist eine vollwertige Social-Media-Plattform, die sich deutlich von Twitter und Facebook unterscheidet.“ Viktor Deleski
Heute ist LinkedIn mehr als eine Xing-Alternative, es ist eine vollwertige Social-Media-Plattform, die sich deutlich von Twitter und Facebook unterscheidet. Und anders als Xing bietet LinkedIn für die B2B-Kommunikation und auch für die Wissenschaftskommunikation viele Möglichkeiten und ein großes Potenzial, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Dieses Potenzial besteht auch und vor allem für die Profile von Unternehmen und Organisationen, etwa Forschungseinrichtungen.

LinkedIn verstehen

Dabei sollte man zwei Aspekte in Kombination betrachten. Den technischen und den inhaltlichen. Technischer Aspekt meint, dass man ein gewisses Verständnis für die Funktionsweise der Plattform haben sollte. Da gibt es zum einen das richtige Timing für einen Post. Laut der Erhebung eines Online-Marketing-Betreibers liegt dieser Zeitpunkt morgens zwischen 10 und 11 Uhr, also während der Arbeitszeit, wobei Dienstag, Mittwoch und Donnerstag die Tage mit dem größten Engagement sind. Andere Statistiken aus 2018 und 2019 listeten noch die Zeit kurz vor Feierabend auf, was meiner Erfahrung nach ebenfalls stimmt. Das sind statistische Werte, an denen man sich orientieren sollte – für die eigenen Posts muss man aber selbst schauen, wann sie am besten funktionieren. Um eine Analyse des eigenen Social-Media-Engagements kommt man nicht herum. Wahrscheinlich aber werden Ihre Werte nicht von der allgemeinen Statistik abweichen, denn als berufsbezogenes Netzwerk ist der größte Traffic auf LinkedIn während der Arbeitszeiten zu verzeichnen, in Deutschland also zwischen 9 und 17 Uhr.

Auch wichtig zu wissen: LinkedIn ist für viele so etwas wie das Business-Google. Viele nutzen die Plattform, um sich über eine Organisation und ihre Themen zu informieren. Es gibt also ein eigenes „LinkedIn-SEO“, das gepflegt werden muss. Das Unternehmensprofil auf LinkedIn ist in dieser Hinsicht wie eine Webseite und wird auch von Suchmaschinen durchsucht. Die Unternehmensseite sollte also immer aktuell sein und alle wichtigen Informationen enthalten, die eine eindeutige Einordnung erlauben. Auch Hashtags funktionieren auf LinkedIn, aber werden (noch) nicht so intensiv genutzt wie auf Twitter oder Instagram.

„Die Unternehmensseite auf LinkedIn sollte immer aktuell sein und alle wichtigen Informationen enthalten, die eine eindeutige Einordnung erlauben.“ Viktor Deleski
Und dann ist da natürlich noch der LinkedIn-Algorithmus, der darüber bestimmt, welche Inhalte Nutzerinnen und Nutzern in ihrem Feed angezeigt werden. Man muss nicht im Detail wissen, wie dieser funktioniert, LinkedIn verrät das ohnehin nicht. Man sollte aber wissen, dass er von hochwertigen Inhalten beeinflusst wird und von Interaktionsraten.

Content ist doch King

Und damit wären wir auch bei den Inhalten. Denn auch für LinkedIn gilt: Es ist kein Selbstläufer, nicht jeder Post funktioniert gleich gut. Die Ansprüche an die Qualität von Beiträgen, sprich deren Visualisierung und deren Inhalt, gelten auch hier, vielleicht sogar noch mehr als auf anderen Plattformen. Das ist eine Chance. Denn hier gibt es ein interessiertes, fachlich versiertes Publikum, dass im Schutze eines quasi-geschlossenen Netzwerks Lust auf gute Inhalte und auf Meinungsaustausch hat – und zwar meistens gesittet und respektvoll. Wo findet man das heutzutage noch?

Wie können diese Inhalte aussehen, die von LinkedIn belohnt werden? Die Antwort darauf kann man sich selbst geben, wenn man das Vorstehende beachtet und einmal in sich hineinhört, welche Inhalte man sich selbst gerne ansieht. Wahrscheinlich wie überall: gute Geschichten, gute Visualisierung, Emotionen, Videos, Informationen mit Mehrwert und Veranstaltungshinweise. Alles Zutaten, die zu Likes, Kommentaren und zu Reposts führen. Dem Algorithmus gefällt das. Vor allem wenn man auch die häufig unbeachtete Funktion für sich entdeckt, Whitepapers und Ebooks hochzuladen.

„Wer gute Inhalte hat, sollte sie auch gleich bei LinkedIn zeigen und nicht erst hinter einem Link auf die eigene Website.“ Viktor Deleski
Eine wichtige Erkenntnis aus der Nutzung von LinkedIn ist, dass hier selten jemand dem Link zur Webseite folgt, der unter einem (oft viel zu langen) Post als Goodie steht. Wie im klassischen Nachrichtenjournalismus muss deshalb die wichtigste Informationen im ersten Satz, genau wie in einem Business-Meeting alle Inhalte gleich auf den Tisch sollen. Wer also gute Inhalte hat, sollte sie auch gleich bei LinkedIn zeigen und nicht erst hinter einem Link auf die eigene Website. Denn Webseiten-Traffic ist zwar auch wichtig, aber in erster Linie möchte ich als Kommunikator doch, dass meine Inhalte dort ankommen und wirken, wo meine Zielgruppe ist. Wenn der Link zur Website nicht geklickt wird, habe ich mein Ziel verfehlt: Der Post wird nicht beachtet, die tolle Studie oder das tolle Whitepaper bleiben unsichtbar. Das wäre doch schade, oder?

Mensch bleibt Mensch

Wenn ein E-Paper mit mehreren Seiten von vielen Nutzerinnen und Nutzern direkt bei LinkedIn durchgeklickt wird, beeinflusst das den Algorithmus positiv. Wenn man das alles verstanden hat und es richtig anwendet, kann man das Potenzial, das diese Plattform bietet, heben und bald die gewünschten Ergebnisse erzielen. Dabei sollte man aber eine Sache nicht vergessen: Die eigentliche Social-Media-Arbeit beginnt oft erst nach der Veröffentlichung – Kommentare beobachten, Zusatzinfos bereitstellen, andere Mitglieder durch Tagging aktivieren (ja, auch Unternehmensprofile). Ein gutes persönliches Netzwerk der Kommunikatorinnen und Kommunikatoren ist wichtig. Wie heißt es in einem Werbevideo von LinkedIn: „Focus on relationships!“ Ja, genau darum geht es – Beziehungen zwischen Menschen. Und wenn ein Mitglied auf LinkedIn meinen Post jemand anderem aus seinem Netzwerk empfiehlt, ist das wie Mundpropaganda und hat für den Adressaten viel mehr Gewicht. Den aktivsten Part in der Community sollte man daher selbst einnehmen, um die Kommunikation zu steuern. Das ist harte Arbeit – macht aber auch viel Spaß!

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.