Reputation, Medienanfragen – was motiviert Forschende zu kommunizieren? Carsten Heckmann und Ulf Walther von der Stabsstelle Hochschulkommunikation der Universität Leipzig verraten, warum es sich lohnt, darüber ins Gespräch zu kommen.
Warum kommunizieren Sie?
„Ich habe mich nie explizit als öffentlicher Soziologe verstanden“, sagte Soziologie-Professor Steffen Mau, Gewinner des Communicator-Preises 2023, in einem Interview. Aber er sagte auch: „Wenn man gute Forschung betreibt – das ist die Grundvoraussetzung –, dann sollte man auch Wissenschaftskommunikation dafür betreiben.“
„Sehen Sie sich als Sprachrohr für die Anliegen von Aktivist*innen, die keine große Reichweite haben?“, wurde Volker Quaschning einige Wochen zuvor gefragt. Der Professor für Regenerative Energiesysteme und Mitinitiator der Initiative Scientists for Future antwortete: „Definitiv.“
„Publizieren allein scheint es in den vergangenen Jahrzehnten nicht getan zu haben, also bleibt nur der Weg über Medien und persönliches Engagement im Bereich Kommunikation.“ Das wiederum hat Meteorologe Karsten Haustein im April dieses Jahres gesagt.
Welche Motivation steckt dahinter?
Es gibt eine Menge gute Gründe für Wissenschaftskommunikation. Einige davon lassen sich unter „man sollte…“ subsummieren, andere eher unter „ich will…“. Welcher auch immer den Ausschlag gibt: Für Wissenschaftler*innen und Kommunikator*innen lohnt es sich, die Gründe einmal zu reflektieren.
Wer seine Motivation kennt, wer sich seiner Rolle(n) bewusst ist, versetzt sich in die Lage, Ziele zu definieren, Entscheidungen für Anlässe und Kommunikationsformate zu treffen, und so angemessen zu kommunizieren. Für das „Warum“ ist das „Was“ und das „Wie“ mitentscheidend. Eine Binsenweisheit? Nicht unbedingt.
In unseren Medientrainings von Carsten Heckmann und Volker Hahn an der Universität Leipzig bringen wir das Gespräch im „Theorie“-Teil seit jeher auf die „Gründe, warum man das macht“. Wir nennen als Beispiele:
- Meine Kolleg*innen erwarten das von mir.
- Das hilft meinem Ansehen und dem Institut.
- Die Pressestelle erwartet das von mir.
- Ein Journalist hat mich darum gebeten.
- Ich genieße die Aufmerksamkeit.
- Ich will mein Wissen mit anderen Menschen teilen.
- Die Steuerzahler*innen haben ein Recht, davon zu erfahren.
- Ich möchte der Gesellschaft etwas zurückgeben.
- Ich will etwas verändern.
Die Teilnehmer*innen überlegen an dieser Stelle teilweise zum ersten Mal, mit welcher Motivation sie kommunizieren. Die kurze Diskussion, die sich anschließt, ist stets fruchtbar.
Vor einigen Wochen haben wir uns in der Medienredaktion unserer Universität entschieden, weitere Forscher*innen zu fragen, welche Motive sie umtreiben und welches Verständnis von Wissenschaftskommunikation sie haben. Wir wollten einem größeren Leser*innen-Kreis verdeutlichen, dass es ganz unterschiedliche Antworten geben kann und damit zum Nachdenken anregen.
Zwischen Pflicht und Reputationspflege
Soziologe Holger Lengfeld ist unter anderem der Ansicht: „Grundsätzlich ist es aus meiner Sicht Aufgabe der Wissenschaftskommunikation, auch Handlungsempfehlungen zu geben. Wir müssen anwendungsorientiert denken, aber nicht erst, wenn Journalist*innen fragen, sondern schon im Forschungsdesign.“ Leistner sieht die Forschenden in einer Pflicht gegenüber der Gesellschaft. „Wir als Wissenschaftler*innen [können] der Gesellschaft nicht sagen, was die Gesellschaft tun soll. Aber wenn wir wissen, was die Interessen der Gesellschaft oder einer bestimmten Gruppe sind oder was eine bestimmte gesellschaftliche Zielsetzung ist, dann können wir sagen, welche Mittel besser als andere Mittel geeignet sind, diese Zielsetzung zu erreichen.“
Der Sportsoziologin Petra Tzschoppe ist es wichtig, dass Wissenschaftskommunikation auf Dinge hinweise, die im öffentlichen Bewusstsein weniger bekannt sind: „Es geht mir darum, […] im Sinne einer angewandten Sportsoziologie auch Impulse für Veränderungen zu setzen.“ Dies mache sie zum Beispiel über den Austausch auf Fachkonferenzen oder wissenschaftliche Publikationen, in der Zusammenarbeit mit Sportorganisationen – und über die Medien, beispielsweise durch die fachliche Beratung von Formaten des Kinderkanals. Ihr fällt auf: „Ich glaube, dass Männer in der Wissenschaftskommunikation etwas stärker als Frauen auf die eigene Reputation achten. Mir, und das nehme ich auch mehrheitlich bei Wissenschaftlerinnen wahr, geht es zuallererst um die Sache und um die Inhalte und darum, eben diese Inhalte zu kommunizieren.“
Dieser Ansicht ist auch Frank Gaunitz: „Nur wer versteht, was man in der Wissenschaft macht, kann das auch entsprechend unterstützen“. Der Biochemiker und Leiter eines Arbeitskreises für Ringvorlesungen, die sich an ein breites Publikum richten, sagt: „Es ist nicht so, dass wir nur Reklame machen, […] sondern man sollte auch kritisch rangehen.“ Die Steuerzahler*innen hätten nicht nur das Recht, darüber informiert zu werden, was mit ihrem Geld gemacht werde, sondern „gegebenenfalls natürlich auch informiert zu werden, was man vielleicht nicht tun sollte“ – um Ängste abzubauen. Als Beispiel nennt er die Diskussion um den Einsatz von KI.
„Forschende sollten sich einmischen“
Meteorologe Karsten Haustein ist der Ansicht, dass der Klimaforschung angesichts der dramatischen weltweiten Entwicklungen noch zu wenig Beachtung geschenkt wird, insbesondere durch die Politik: „Im Bereich der Klimawandelkommunikation haben sich insbesondere seit der vergangenen Dekade viele Kolleg*innen immer selbstbewusster in den gesellschaftlichen Diskurs eingemischt und nicht nur gewarnt und aufgeklärt, sondern haben Lösungen angeboten und eingefordert. Es ist eben keine Option mehr, einfach nur daneben zu stehen, wenn ganze Gesellschaften sich klimapolitisch einfach nicht bewegen wollen, obwohl es aus wissenschaftlicher Sicht absolut notwendig ist.“
Wissenschaftler*innen sollten sich „so oft es geht einmischen und äußern“. Dass diese Sicht nicht überall auf Gegenliebe stößt, ist Haustein bewusst: „Es gibt bis heute Kolleg*innen, die von unseren öffentlichen Aussagen nicht so begeistert sind, weil wir keine richtige Peer Review machen, bevor wir beispielsweise zu einer Pressekonferenz laden. Sich darüber hinwegzusetzen und zu sagen: Wir machen es trotzdem! – Diesen Schritt muss man erst einmal wagen.“
Unser Plädoyer für mehr Reflexion
Alle Interviewten eint die Erkenntnis: Wir haben Botschaften, die sich aus unserer Forschung heraus ergeben. Nicht die Forschung allein, sondern auch die öffentliche, zielgruppengerechte Kommunikation ist wichtig. Ob dies auch darin mündet, öffentlich Handlungsempfehlungen zu geben oder lediglich Argumente zu liefern, darüber gibt es unterschiedliche Sichtweisen.
Ähnliche Gespräche mit weiteren Forscher*innen führen wir unter anderem im uniinternen Netzwerk Wissenschaftskommunikation. Sie sind interessant und inspirierend. Sie liefern auch einen Mehrwert für die Arbeit einer Medienredaktion: Zu wissen, wer was, warum und wie kommunizieren möchte, hilft neben der Kenntnis der Fachprofile enorm, wenn die nächste Medienanfrage kommt.
Viele Forschende sind sich ihrer Rolle(n) leider nicht bewusst. Dass dieses Bewusstsein ihnen hilft, um gut zu kommunizieren, können sie im Austausch mit professionellen Wissenschaftskommunikator*innen und natürlich untereinander lernen. Unter Umständen erkennen sie dann, dass bestimmte Formate für die Rolle, die sie einnehmen, schlechter oder besser geeignet sind als andere. Ein weiterer Punkt ist unter anderem in den Medientrainings zu beobachten: Wer seine Rolle reflektiert, kann sich besser auf so manche kritische Frage vorbereiten.
Unser Plädoyer an kommunizierende Wissenschaftler*innen ist: Welchen Grund man auch immer sieht, was auch immer einen antreibt – man sollte sich dessen bewusst sein. Für die Ziel-Definition und für die Rollen-Transparenz, im Dienst guter Wissenschaftskommunikation. Kommunikationsabteilungen können diese Selbstreflexion fördern und davon profitieren. Let’s talk about it!
Die redaktionelle Verantwortung für diesen Gastbeitrag lag bei Anna Henschel. Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.