Neue Formate und Intermediäre braucht es nicht, wohl aber eine andere Haltung: Ein Beitrag zur Debatte um die Rolle der Wissenschaftsvermittlung in der Hochschulkommunikation.
Wann kommt das Signal zum Aufbruch?
Kommunikationsverantwortliche von Hochschulen und Forschungseinrichtungen, aber auch viele Forscherinnen und Forscher, sind bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit häufig mehr auf die Verherrlichung ihrer Institutionen bzw. wissenschaftlichen Leistung erpicht, als Sympathiewerbung für Wissenschaft gegenüber einer diffus als „Gesellschaft“ bezeichneten Zielgruppe zu betreiben. Sie kommunizieren eigennützig. Das wird kaum jemand bestreiten, das wird von den Entscheidern strategisch vorgegeben und ist seit Jahren bekannt – auch wenn der allseits geschätzte Züricher Kommunikationswissenschaftler Mike S. Schäfer nochmal eine ganze Seite im aktuellen Heft von Forschung & Lehre bekommt, um diesen Befund zu bestätigen („Legitimationsbeschaffung statt Wissensvermittlung“).
Elisabeth Hoffmann von der TU Braunschweig hat ihm aus Sicht einer PR-Werktätigen geantwortet. Ich möchte nur hinweisen auf die nach wie vor lesenswerten Beiträge der Tagungen der VolkswagenStiftung „Image statt Inhalt? – Warum wir eine bessere Wissenschaftskommunikation brauchen“ (wowk14) und „Forschungskommunikation unter dem Druck der PR“ (wowk15). Dort stand jeweils die Balance zwischen Werbung und Aufklärung in der Wissenschaftskommunikation im Mittelpunkt der Debatte.
Ich zähle mich, wenn auch im speziellen Kontext einer Förderstiftung, ebenfalls zur Wissenschafts-PR und betreibe diese im aufrechten Gang, weshalb ich gar nicht zu einer Rechtfertigung anheben will. Meine Anmerkung bezieht sich auf das Fazit, das Mike Schäfer zieht. Am Schluss seines kurzen Textes heißt es:
Da „der Wissenschaftsjournalismus unter starkem ökonomischen Druck steht und seiner Rolle als neutralem Korrektiv immer weniger nachkommen kann, braucht es neue Intermediäre, neue Formate und neue Finanzierungsformen der Wissenschaftskommunikation.“
Pardon, aber das glaube ich nicht.
Wir blicken zurück auf einen jahrelangen Aufwuchs in den PR-Abteilungen der Scientific Community (und parallel an Aufgaben, die dort zu meistern sind). Die Community hat zahllose Formate zur Wissenschaftsvermittlung kreiert. Hundertschaften Uni-Bediensteter bespaßen mit bewundernswertem Engagement in „Langen Nächten der Wissenschaft“ Tausende Bürgerinnen und Bürger samt Kindern und Kindeskindern. Science Slams füllen Säle. Schülerlabors an Universitäten und Forschungsbereichen sind ausgebucht …
Was aber hat’s gebracht?
Unbestritten hat die Wissenschaft dank der Vermittlungsarbeit ihrer PR-Abteilungen unvergleichlich viel mehr Brücken in die (regionale und lokale) „Gesellschaft“ gebaut als das vor, sagen wir, zehn Jahren der Fall war.
Trotzdem muss man heute feststellen: Die Wissenschaft ist Teil des Eliten-Bashings geworden. Das Vertrauen in die Institutionen sinkt rapide. Laut Wissenschaftsbarometer glaubt die Mehrheit der Bevölkerung nicht daran, dass Forscherinnen und Forscher unabhängig sind, sondern dass sie eigene Ziele verfolgen und weniger das Allgemeinwohl im Blick haben.
Was ist da schief gelaufen?
Ich glaube nicht, dass man der PR oder den öffentlichkeitsbewusst agierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Vorwürfe machen kann. Mein Verdacht ist eher, dass es dem System insgesamt im Innersten an Ernsthaftigkeit mangelt. An einer Haltung, die das proklamierte Interesse an der Zivilgesellschaft glaubwürdig vermittelt. Und ich fürchte, dass viele das Auseinanderklaffen zwischen Anspruch und Wirklichkeit ähnlich wahrnehmen.
Pragmatisches Verhältnis zur Gesellschaft
Ist es nicht vielmehr so, dass viele im Wissenschaftssystem das Verhältnis zur „Gesellschaft“ nach wie vor eher pragmatisch sehen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler brauchen nicht die Zuneigung eines Laienpublikums, um Drittmittel zu akquirieren oder Karriere zu machen. Wofür aber sonst sollte sich der zusätzliche Aufwand lohnen?
Die beiden Kommunikationswissenschaftler Frank Marcinkowski und Matthias Kohring rieten in einem Vortrag anlässlich der eingangs erwähnten Tagung #wowk14 sogar provokant davon ab, Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Regelrechten Publikumsaufruhr stifteten sie mit Statements wie diesen: „Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass der wissenschaftliche Erkenntnisprozess dadurch befördert würde, dass möglichst viele zugucken oder im Begründungsverfahren mitreden.“ Oder: „Wissenschaftskommunikation ist ein Einfallstor für außerwissenschaftliche Motive und Dynamiken, und das ist aus Sicht der Wissenschaft keine frohe Botschaft.“
Mag sein, dass jene, die mehr Transparenz und Bürgernähe fordern, mit denen ringen, die darin keinen Nutzen sehen. Welche Kräfte sich am Ende durchsetzen werden, ist offen. Im Moment jedenfalls sehe ich keinerlei Bewegung, weder in die eine oder andere Richtung, trotz der sich rasant eintrübenden politischen und gesellschaftlichen Großwetterlage.
Es ist deshalb nachvollziehbar, wenn Mike Schäfer „neue Intermediäre, neue Formate und neue Finanzierungsformen für Wissenschaftskommunikation“ fordert, um die vermisste Aufbruchsstimmung endlich zu entfachen. Aber was er fordert, gibt’s doch längst: Wer über einen Mangel an Formaten klagt, möge nur mal unter dem Navigationspunkt „Formate“ auf dieser Homepage nachschauen und sich von der Vielfalt beeindrucken lassen. Neue Intermediäre wurden von renommierten Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten außerhalb des etablierten Mediensystems geschaffen: Science Media Center, RiffReporter, MedWatch, um nur drei zu nennen. Und diese werden vor allem von Stiftungen finanziert – weil das Wissenschaftssystem selbst sich trotz Milliardenbudgets nicht beteiligt.
Es braucht also meines Erachtens nicht noch mehr „neue“ Konzepte, nicht „more of the same“, sondern eine andere Haltung. Im Geflecht der Wissenschaftskommunikation gibt es viele – in der PR, unter den Forscherinnen und Forschern, im Wissenschaftsjournalismus –, die auf das Signal zum Aufbruch warten.
Wann wird es kommen? Wer wird es geben?
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