Foto: Raphaël Biscaldi

Visuelle Wissenschafts­kommunikation – ein Überblick über die Forschung

Bilder spielen in der Wissenschaftskommunikation eine bedeutende Rolle: Sie schaffen Aufmerksamkeit, wecken Emotionen – und erreichen manchmal sogar ikonischen Status. Die Kommunikationswissenschaftlerin Julia Metag gibt einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand.

In der Wissenschaft sind visuelle Darstellungen seit jeher von großer Bedeutung. Über Bilder lässt sich der wissenschaftliche Fortschritt nachvollziehen und sie prägen die gesellschaftliche Wahrnehmung von Wissenschaft.1 Häufig verbinden wir mit bestimmten wissenschaftlichen Disziplinen, Prozessen und Befunden bestimmte Bilder oder Abbildungen. So sprechen manche Autorinnen und Autoren sogar von „key images“, wie zum Beispiel dem Bohr’schen Atommodell, in der Geschichte der Wissenschaft.2

Wissenschaftliche Erkenntnisse und Prozesse werden visualisiert,34 weil Bilder es vermögen, „komplexe Zusammenhänge, Prioritäten und Abhängigkeitsverhältnisse sichtbar zu machen und Komplexität zu reduzieren“5. Dabei stellt die Visualisierung von wissenschaftlichen Themen und Befunden durchaus eine Herausforderung dar. Denn viele Vorgänge sind nur sehr schwer visualisierbar.6 Bilder können daher ein Weg sein, jene wissenschaftlichen Phänomene für uns wahrnehmbar zu machen, die sonst nicht mit bloßem Auge zu erkennen wären, auch wenn sie nicht alle wissenschaftlichen Prozesse exakt abbilden können.78

„Bilder können ein Weg sein, jene wissenschaftlichen Phänomene für uns wahrnehmbar zu machen, die sonst nicht mit bloßem Auge zu erkennen wären.“ Julia Metag
Für die Vermittlung von wissenschaftlichen Befunden reichen visuelle Darstellungen allein nicht aus. Vielmehr muss auch ihre Kombination mit Texten oder gesprochener Sprache berücksichtigt werden,9 die oft eine ebenso wichtige Rolle spielen. So wird ein Bild von manchen Autorinnen und Autoren sogar erst dann als wissenschaftliches Bild definiert, wenn es durch einen wissenschaftlichen Text begleitet wird.10

Für einen Überblick über den Forschungsstand zu Bildern in der Wissenschaftskommunikation müssen zunächst zwei verschiedene Perspektiven unterschieden werden: Zum einen kann man danach fragen, welche Bilder in der Wissenschaft selbst zur Visualisierung von Prozessen, Modellen und Ergebnissen eingesetzt werden und wie diese in den verschiedenen Kanälen öffentlicher Kommunikation verwendet werden – von der wissenschaftlichen Fachzeitschrift bis zur Berichterstattung in den traditionellen Massenmedien sowie im Internet und in sozialen Medien. Zum anderen gehen viele Studien der Frage nach, wie Wissenschaft als solche und Forschende in den Medien dargestellt werden, insbesondere in visuellen populären Medien wie Filmen, Comics und neueren Formen wie Youtube-Videos. Auf diese zweite Perspektive kann im Rahmen dieses Artikels nicht näher eingegangen werden (mehr dazu findet sich in der vollständigen Version dieses Beitrags11). Letztlich lassen sich diese beiden Perspektiven aber nicht immer trennscharf unterscheiden. Denn auch Bilder, die Forschende selbst einsetzen, um wissenschaftliche Themen abzubilden, prägen das öffentliche Bild der Wissenschaft mit.

Die Produktion von wissenschaftlichen Bildern

Wissenschaftsbilder lassen sich hinsichtlich ihrer Produzentinnen und Produzenten sowie ihrer Zielgruppen unterscheiden. Sie können zum einen innerhalb der Wissenschaft selbst hergestellt werden oder Produkte von Massenmedien sein.12 Zum anderen können sie sich an die Wissenschaftsgemeinschaft richten („scholarly communication“) oder an ein breiteres (Laien-)Publikum. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von interner und externer Wissenschaftskommunikation.1314 Im Folgenden soll nur die externe Wissenschaftskommunikation näher beleuchtet werden.

„Studien deuten darauf hin, dass es NGOs deutlich besser gelingt, ihre Anliegen visuell in die Öffentlichkeit zu bringen, als beispielsweise Regierungen.“ Julia Metag
Verschiedene Akteure in der Wissenschaftskommunikation setzen Bilder strategisch ein und versuchen damit, die breite Öffentlichkeit zu erreichen und ihre Interessen durchzusetzen. Neben Medien sind das etwa Regierungen, lokale Verwaltungseinheiten, Stiftungen und NGOs.151617 Letztere sind oft besonders geschickt darin, mit visuellen Darstellungen zu arbeiten. Für den Klimawandel ist dies relativ gut untersucht. Eine Studie zum Einsatz von Klimawandel-Bildern durch Greenpeace zeigt die unterschiedlichen Strategien zur Visualisierung in den Kampagnen der Organisation.18 Eine Strategie beinhaltet beispielsweise den Einsatz von Bildern, die Ursachen des Klimawandels zeigen, wie die Nutzung fossiler Brennstoffe. Aber auch Folgen der globalen Erwärmung wie schmelzende Gletscher werden bildlich gezeigt. Studien deuten darauf hin, dass es NGOs deutlich besser gelingt, ihre Anliegen visuell in die Öffentlichkeit zu bringen, als beispielsweise Regierungen. Dies liegt offenbar daran, dass sich die Vorstellung von NGOs dazu, welche Bilder gut funktionieren, besser mit denen von Journalistinnen und Journalisten deckt.19

Bildagenturen wie zum Beispiel Getty Images verfolgen im Gegensatz zu NGOs keine strategische Agenda. Da sie aber eine Vielzahl an Bildern für Redaktionen weltweit zur Verfügung stellen, sind solche Agenturen ebenfalls wichtige Akteure für die Produktion visueller Darstellungen von Wissenschaftsthemen.20 Ein Spezialfall dagegen sind Wissenschaftsbilder im Bildungsbereich, etwa in Schulbüchern. Die Zielgruppe rangiert hier zwischen einem Laien- und Fachpublikum. Der Vergleich von wissenschaftlichen Bildern in Schulbüchern und in Tageszeitungen in Griechenland ergab, dass in Unterrichtsbüchern deutlich mehr visuelle Darstellungen zu Wissenschaft zu finden sind als in der Presse. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Bilder mit höherer Schulstufe ab.21 Überwiegend handelt es sich dabei um sogenannte „realistische“ Bilder, also um Fotos oder Zeichnungen.

Inhalte von Bildern in der Wissenschaftskommunikation

Der Forschungsstand zur Frage, welche Bilder in der Wissenschaftskommunikation eingesetzt werden, lässt sich wiederum hinsichtlich zweier Perspektiven unterscheiden: Zum einen kann man wissenschaftliche Bilder nach dem jeweiligen Wissenschaftsthema, das abgebildet ist, analysieren. Zum anderen lässt sich fragen, ob es Unterschiede zwischen verschiedenen Medien in der visuellen Darstellung von Wissenschaft gibt.

Eisbär auf Eisscholle: Ein ikonisches Bild der Klimawandel-Kommunikation – das mittlerweile schon zu einem klischeehaften und stereotypen Bild zur Illustration dieses Themas geworden ist. Foto: NOAA Photo Library

Die Erkenntnisse zu visuellen Darstellungen von einzelnen Wissenschaftsthemen sind unterschiedlich gut fundiert. Zu einigen Themen, wie dem Klimawandel, gibt es einen relativ breiten Forschungsstand.2223 Dagegen wurden viele andere Wissenschaftsthemen nur selten oder gar nicht erforscht. Die visuellen Darstellungen des Klimawandels wurden schon in unterschiedlichen Ländern untersucht, überwiegend lag dabei der Fokus auf Printmedien.24 Die meisten Bilder zeigen hierbei die Folgen des Klimawandels, Naturräume, Personen, Grafiken und Klimamodelle sowie Energiethemen.2526272829 Bei Personen handelt es sich häufig um Politikerinnen und Politiker oder Demonstrierende.30 Vor allem Klimawandel-Folgen werden regelmäßig dargestellt, da es sich dabei meist um besonders spektakuläre Bilder handelt wie Naturkatastrophen.31 Als ikonisches Bild hat sich in der Klimawandel-Kommunikation der Eisbär (auf der schmelzenden Eisscholle) etabliert.32 Es steht exemplarisch für die globale Erwärmung und hat selbst eine Entwicklung durchlaufen: Ursprünglich sollte es vor dem Klimawandel warnen, dann setzten es Aktivistinnen und Aktivisten ein, und mittlerweile ist es zu einem schon klischeehaften und stereotypen Bild geworden.3334

Ein weiteres Thema, das in der Berichterstattung prominent aufgegriffen und visualisiert wurde, ist die Gentechnik. Im Internet findet sich eine nicht erfassbare Zahl an Bildern zu Gentechnik und genetisch veränderten Organismen, viele davon sind Fotos oder Fotoillustrationen. Sie zeigen Beispiele für gentechnisch veränderte Produkte, bilden den wissenschaftlichen Prozess ab oder zeigen bizarre Pflanzen (siehe Bild unten). Tendenziell sind diese Darstellungen in ihrer Bewertung der Gentechnologie ausgewogen, wobei Bilder mit negativer Valenz im Vergleich zu positiven Bildern doch leicht dominieren.35 Generell werden Bilder in journalistischen Medienangeboten üblicherweise als Eyecatcher eingesetzt, sie enthalten jedoch seltener als in Fachzeitschriften tatsächlich wissenschaftliche Informationen.36 Bei visuellen Darstellungen von Gentechnik im Internet zeigte sich, dass mehr als die Hälfte der untersuchten visuellen Darstellungen wissenschaftlich nicht akkurat waren37 und solche Bilder häufig furchterregend sind.38 Bei komplexen wissenschaftlichen Themen wie der Gentechnik sollen visuelle Darstellungen offenbar vor allem vereinfachen und anschaulich sein. Inwieweit sich die wissenschaftliche Ungenauigkeit dann auch auf die Wissens- und Meinungsbildung der Betrachtenden auswirkt, bleibt zu überprüfen.

Um das abstrakte Thema Gentechnik zu illustrieren, greifen die Medien häufig auf wissenschaftlich nicht akkurate Bilder zurück. Auch Darstellungen, die offenbar Furcht vor der neuen Technologie wecken sollen, kommen oft zum Einsatz. Foto: Alessandro Sala / Pixabay

Themenübergreifende Befunde zu den Sujets von Wissenschaftsbildern in der öffentlichen Kommunikation sind selten. Es lässt sich aber festhalten, dass es in der öffentlichen visuellen Darstellung von Wissenschaft einen überproportionalen Fokus auf Naturwissenschaften gibt, ähnlich wie in der schriftlichen Berichterstattung über Wissenschaft.3940 Es zeigte sich auch, dass die visuelle Darstellung eines wissenschaftlichen Themas sich in Form und Gestaltung je nach Medium unterscheidet. So wurden etwa Bilder des Mars aus dem Jahr 2007 in verschiedenen Medien unterschiedlich aufbereitet:41 Spiegel Online zeigte bestimmte Bilder aus dem ursprünglichen Science-Artikel, aber ohne Radardaten und -diagramme. Die technischen Gegebenheiten und die journalistischen Schwerpunkte von Medien führen dazu, dass unterschiedliche Aspekte eines Wissenschaftsthemas betont, weggelassen, vereinfacht, verfälscht oder akkurat dargestellt werden.

Nutzung und Wirkung von visueller Wissenschaftskommunikation

Wie wissenschaftliche Bilder vom Publikum rezipiert und genutzt werden, ist noch weitestgehend ungeklärt. Bildern wird generell ein umfassendes Wirkpotenzial attestiert, was auch für die Wissenschaftskommunikation gilt.42 Bilder können auf wissenschaftliche Phänomene aufmerksam machen und dazu führen, dass sich Rezipierende besser an das Thema oder den Befund erinnern können.43444546 und diesen besser verstehen4748. Auch Einstellungen zu wissenschaftlichen Themen und das Wissen darüber können durch Bilder beeinflusst werden.4950

Markus Lohoff schreibt Bildern in der öffentlichen Kommunikation über Wissenschaft im Wesentlichen drei Funktionen zu: Informations- und Wissensvermittlung, Unterhaltung und Persuasion.51 Die Funktionen, die Wissenschaftsbilder tatsächlich in der öffentlichen Kommunikation einnehmen, müssen nicht mit der Funktion übereinstimmen, die Forschende den Abbildungen selbst zugeschrieben haben. Widersprechen sich diese Funktionen, so spricht man auch von „dysfunktionalen“ Wirkungen. Sie entstehen unter anderem deshalb, weil wissenschaftliche Bilder häufig sehr komplex sind, nicht unbedingt intuitiv verständlich sind und Expertenwissen oder Erläuterungen benötigen, um richtig verstanden zu werden.525354

„Disziplinen, die häufiger Diagramme einsetzen, wie die Naturwissenschaften, werden als ‚härtere‘ Wissenschaft wahrgenommen.“ Julia Metag
Generell gibt es einige Hinweise darauf, dass wissenschaftliche Abbildungen persuasiv, also überzeugend wirken können. So nutzen Rezipierende beispielsweise das bloße Vorhandensein von Grafiken als einen Hinweis darauf, dass wissenschaftliche Befunde plausibel sind.55 Und Disziplinen, die häufiger Diagramme einsetzen, wie die Naturwissenschaften, werden als „härtere“ Wissenschaft wahrgenommen.56 Auch Einstellungen zu wissenschaftlichen Themen lassen sich durch visuelle Darstellungen beeinflussen: So nehmen Rezipierende ein Thema wie die Nanomedizin oder Neurowissenschaften positiver wahr, wenn sie einen bebilderten Artikel gelesen hatten, als wenn derselbe Artikel ohne Bild auskam.5758 Auch Erosionsschäden an einer Küste wurden als massiver wahrgenommen, wenn Bilder dazu vorhanden waren.59 Diese Effekte lassen sich unter anderem damit erklären, dass visuelle Darstellungen dazu führen, dass Individuen sich aktiver mit dem Thema beschäftigen. Visuelle Darstellungen des Klimawandels können generell die Aufmerksamkeit für das Thema steigern, allerdings sind die Befunde uneinheitlich. Bilder von Naturkatastrophen, die eher Angst auslösen, senken etwa offenbar die Bereitschaft, etwas gegen den Klimawandel zu tun.60

Noch wenig beleuchtet ist, welche Resonanz und Wirkung wissenschaftliche Bilder in Online-Kontexten erzeugen. Für Youtube-Videos zu Wissenschaft zeigte sich, dass sogenannter „user-generated content“ populärer ist als professionell produzierte Filme, und Kanäle mit wiederkehrenden Moderatoren sind beliebter als solche ohne.61 Auch die Analyse der Online-Kommentare zu wissenschaftlichen Videos erlaubt Rückschlüsse auf deren Resonanz und mögliche Wirkungen, die Forschung steht hier aber ebenfalls noch am Anfang. Für Youtube-Videos zum Klimawandel konnte etwa gezeigt werden, dass Kommentare zwar wissenschaftsbasiert, aber häufig eher genereller Natur und nicht spezifisch auf das Video bezogen sind. Dabei politisieren sie das Thema oftmals.62

Fazit

„Da visuelle Darstellungen von Wissenschaft allgegenwärtig sind und eine wichtige Funktion haben, wäre eine stärkere theoretische Einbettung der Forschung notwendig.“ Julia Metag
Der Überblick zeigt, dass die Forschungslandschaft zu Bildern in der Wissenschaftskommunikation recht heterogen und fragmentarisch ist. Bilder zu bestimmten Wissenschaftsthemen, wie beispielsweise dem Klimawandel, sind relativ gut erforscht, andere Wissenschaftsthemen und ihre öffentlichen visuellen Darstellungen dagegen spärlich oder gar nicht. Darüber hinaus ziehen die Studien sehr unterschiedlichen Methoden heran – von standardisierten Inhaltsanalysen63 zu qualitativen Inhaltsanalysen64 über Mehrmethoden-Designs bis hin zu Experimenten65 – und sie fokussieren unterschiedliche Länder und Zeitpunkte.

Abschließend lässt sich konstatieren, dass eine theoretische Einordnung der Analysen zu Wissenschaftsbildern häufig fehlt. In den Studien, die stärker theoretisch angebunden sind, wird mit unterschiedlichen Paradigmen argumentiert, meist mit dem Public Understanding of Science oder der Medialisierungsthese. Da visuelle Darstellungen von Wissenschaft aber allgegenwärtig sind und eine wichtige Funktion haben, wäre eine stärkere theoretische Einbettung wünschenswert und auch notwendig. Denn nur so lässt sich die Bedeutung dieser Bilder in der Wissenschaftskommunikation, die durch die Digitalisierung noch weiter zunehmen wird, systematisch untersuchen und erklären.

 

Dieser Beitrag ist ein gekürzter und bearbeiteter Auszug aus dem Kapitel „Visuelle Wissenschaftskommunikation: Zur visuellen Darstellung von Wissenschaft, ihrer Produktion, Nutzung und Wirkung“, erschienen in K. Lobinger (Hrsg.), Handbuch Visuelle Kommunikationsforschung (S. 291–312), Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019.

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