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Vertrauen, Misstrauen, Social Media – Schlüsse aus dem Wissenschaftsbarometer 2018

Wer vertraut, wer misstraut der Wissenschaft? Und wer führt die Debatten über Wissenschaftsthemen in sozialen Netzwerken? Viele Antworten und eine brisante Hypothese liefert das Wissenschaftsbarometer 2018. Carsten Könneker ordnet die Ergebnisse für uns ein.

Die für mich spannendsten Daten des Wissenschaftsbarometers 2018 sind weder statistisch belastbar noch springen sie einem in der broschierten Zusammenfassung ins Auge. Man entdeckt sie im Kleingedruckten, unter Punkt 4a und 4b des zugehörigen Tabellenbands – zwei Unterabschnitte, die es in sich haben. Doch der Reihe nach.

Wer sich Social-Media-Diskurse zu wissenschaftlichen Themen zu Gemüte führt, könnte den Schluss ziehen, nur wenige im Lande vertrauten der Wissenschaft noch. Das aktuelle Wissenschaftsbarometer lehrt uns, dass dies ein Fehlschluss wäre – und liefert Hinweise darauf, welches Phänomen den irreführenden Eindruck möglicherweise hervorruft.

Das Wissenschaftsbarometer ist neben der ARD/ZDF-Onlinestudie, die jährlich repräsentative Daten über die sich wandelnden Mediennutzungsgewohnheiten der Deutschen liefert, jene Befragung, die ich für Vorträge wie „Gesellschaftliches Vertrauen in Wissenschaft in der Social-Media-Ära“ am häufigsten heranziehe. Seit 2014 horcht „Wissenschaft im Dialog“ per Telefoninterview-Befragung durch das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid regelmäßig in die Gesellschaft hinein: Wie schätzen die Menschen im Lande einzelne Forschungsthemen ein? Trauen sie Wissenschaft und Forschung zu, die Probleme unserer Zeit zu lösen? Wie stark wird die Wissenschaft in den Augen der Bevölkerung von Politik oder Wirtschaft beeinflusst? Von Jahr zu Jahr kommen neue Schwerpunkte hinzu. Seit 2017, dem Jahr des ersten „March for Science“, gibt es etwa das Themenfeld „Vertrauen in Wissenschaft“, welches viele bis in die Spitzen der großen Wissenschaftsorganisationen hinein besonders umtreibt und mit dem ich mich daher im Folgenden näher auseinandersetze.

Keine grassierende Wissenschaftsskepsis

Das Wichtigste vorneweg: In Deutschland herrscht keine grassierende Wissenschaftsskepsis – auch wenn manche Beobachter diesen Eindruck gewinnen mögen, wenn sie die in sozialen Netzwerken geführten Diskurse auf sich wirken lassen. Das Antwortverhalten der Deutschen bezüglich der allgemein gestellten Frage, wie sehr sie Wissenschaft und Forschung vertrauen, gibt nicht zu Alarmismus Anlass und zeigt keine bedeutenden Verschiebungen im Jahresvergleich: Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Befragten im Wissenschaftsbarometer 2018 vertraut Wissenschaft und Forschung nach eigener Auskunft eher oder sogar voll und ganz; ein großer Block von 39 Prozent gibt an, in der Frage unentschieden zu sein; 7 Prozent vertrauen Wissenschaft und Forschung nicht oder eher nicht. Die Werte ähneln denen des Wissenschaftsbarometers 2017, als 50 Prozent Vertrauen äußerten, 37 Prozent sich unentschieden zeigten und 12 Prozent Misstrauen zu Protokoll gaben.

Datenbasis: 1.008 Befragte | Erhebungszeitraum: August 2018 | Quelle: Wissenschaftsbarometer – Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid Angaben in Prozent – Rundungsdifferenzen möglich. Grafik: WiD
Datenbasis: 1.008 Befragte | Erhebungszeitraum: August 2018 | Quelle: Wissenschaftsbarometer – Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid Angaben in Prozent – Rundungsdifferenzen möglich. Grafik: WiD

Doch das Wissenschaftsbarometer gräbt tiefer. Einem in der Fachliteratur seit Jahrzehnten diskutierten, in Deutschland unter anderem von dem Münsteraner Psychologen Rainer Bromme vertretenen und weiter beforschten Modell zufolge sind für Vertrauensurteile in Bezug auf Wissenschaft oder Forschende drei Dimensionen relevant. Erstens Expertise: Die Person hat das gelernt, sie kann das. Zweitens Integrität: Die Person hält sich an die begründbaren Regeln des eigenen Metiers. Und drittens gute Absichten: Die Person wird von lauteren Motiven geleitet, sie ist in ihrem Tun insbesondere nicht abhängig von den Interessen Dritter.

Die Daten des Wissenschaftsbarometers liefern sehr starke Indizien dafür, dass gesellschaftliches Vertrauen in Wissenschaft hierzulande eher selten an (dem Eindruck von) mangelnder Expertise zu Bruch geht; Misstrauen entsteht demnach zuvörderst auf der Ebene der (mutmaßlichen) Absichten von Forschenden. So fragte das Wissenschaftsbarometer 2017 und 2018 entlang der drei Vertrauensdimensionen in zwei getrennten Fragen, warum man Wissenschaftlern vertrauen respektive misstrauen könne. Auch hier sind die Daten der beiden Jahre vergleichbar und erlauben somit eine robuste Interpretation. So geben die meisten Menschen an, man könne Wissenschaftlern vertrauen, „weil sie Experten auf ihrem Feld seien“ (Zustimmung 2018: 64 Prozent; 2017: 72 Prozent). Im Hinblick auf die Integrität indes bröckelt das Vertrauen bereits: „Weil Wissenschaftler nach Regeln und Standards arbeiten“, geben weniger Personen als möglichen Grund für Vertrauen an (2018: 48 Prozent; 2017: 53 Prozent). Noch etwas geringer ist die Zustimmung in Bezug auf die guten Absichten. Dass man Wissenschaftlern vertrauen könne, „weil sie im Interesse der Öffentlichkeit forschen“, meinen diesmal 47 Prozent (2017: 40 Prozent).

„Gute Absichten“ der Forschenden werden am ehesten angezweifelt

Der Befund wird weiter erhärtet, wenn wir die Antworten zu der komplementären Frage nach Gründen für mögliches Misstrauen hinzuziehen. „Weil Wissenschaftler häufig Fehler machen“ – dieser gegen die Expertise gerichteten Aussage pflichten 2018 wie 2017 lediglich 18 Prozent der Befragten bei. Mehr Misstrauen entsteht im Hinblick auf Integrität: Man könne Wissenschaftlern misstrauen, „weil sie Ergebnisse oft ihren eigenen Erwartungen anpassen“ – hier liegt die Zustimmung 2018 bei 38 Prozent; 2017 waren es 40 Prozent. Das stärkste Misstrauen jedoch artikulieren die Deutschen im Hinblick auf die Absichten: „Weil Wissenschaftler stark abhängig von ihren Geldgebern sind“ – dieser Aussage stimmen 2018 67 Prozent zu; 2017 waren es gar 76 Prozent.

Datenbasis: 1.008 Befragte | Erhebungszeitraum: August 2018 | Quelle: Wissenschaftsbarometer – Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid Angaben in Prozent – Rundungsdifferenzen möglich. Grafik: <a href="https://www.wissenschaft-im-dialog.de/" target="_blank">WiD</a>
Datenbasis: 1.008 Befragte | Erhebungszeitraum: August 2018 | Quelle: Wissenschaftsbarometer – Wissenschaft im Dialog/Kantar Emnid Angaben in Prozent – Rundungsdifferenzen möglich. Grafik: WiD

Was bedeuten diese Zahlen für die externe, also die an Nicht-Spezialisten gerichtete Wissenschaftskommunikation? In erster Linie geben sie kommunizierenden Forschenden und wissenschaftlichen Institutionen Stoff zum Nachdenken; Wissenschaftsjournalisten, deren primäre Aufgabe es nicht ist, Vertrauen in Wissenschaft herzustellen, sondern unabhängig über Wissenschaft zu berichten, mögen die Daten ebenfalls zur Kenntnis nehmen. Alle Akteurinnen und Akteure auf dem Feld der externen Wissenschaftskommunikation sollten sich darüber klar werden, dass ihre Äußerungen oder die von ihnen bereitgestellten Informationen von ihren jeweiligen Rezipienten bewusst oder unbewusst in Bezug auf Expertise, Integrität und gute Absichten abgeklopft werden. Die Wissenschaftsbarometer-Daten könnten sensibel dafür machen, die eigenen Beiträge einmal selbstkritisch vor dem Hintergrund speziell der beiden Dimensionen gute Absichten und Integrität zu prüfen: Verliere ich überhaupt Worte über meine Motive? Gebe ich überhaupt Einblicke in meine Methoden? Denn wo ich das nicht mache, sondern lediglich mein Expertentum in Form von Erfolgsmeldungen herausstelle, lasse ich auf Empfängerseite auch Raum für Spekulationen. Und mitunter füllt die Leerstellen im öffentlichen Diskurs dann jemand anderes – mit Füllstoff, der vielleicht dazu geeignet ist, Vertrauen zu unterminieren.

Mehr Ich-Botschaften, mehr Methoden!

Mehr Ich-Botschaften, das könnte ein Weg sein, um in der Wissenschaftskommunikation vertrauensbildender zu agieren. „Ich mache das, weil ich X möchte.“ „Weil ich zu Y beitragen will.“ „Weil ich seit Kindertagen neugierig bin und die Neugierde zu meinem Beruf gemacht habe.“ Gerade letzteres Motiv, welches für viele Forschende speziell in der Grundlagenforschung zentral sein dürfte, wird möglicherweise zu selten artikuliert. Dabei sind Menschen von Natur aus neugierig. Und auch solche, die selbst keine Forschung betreiben, können meiner Erfahrung nach – auch ohne tieferes inhaltliches Verständnis – nachvollziehen und gutheißen, dass da jemand beispielsweise den Geheimnissen von Enzymen seine Lebenszeit widmet, ohne je versprechen zu können, dass man damit je heilen oder unseren Alltag verbessern wird. Natürlich: Die eigene Neugierde zu stillen kann auch eine negative, eine egoistische Seite haben. Und niemand vertraut jemandem, der seine Neugierde um jeden Preis oder unter Verletzung der Interessen anderer befriedigt. Aber per se ist Neugierde ein lauteres und vielleicht zu selten explizit gemachtes Motiv für Wissenschaft.

„Das Wissenschaftsbarometer stellt uns mit Nachdruck vor die Frage, ob der Fokus von Wissenschaftskommunikation nicht oft zu einseitig auf der Expertise liegt“ Carsten Könneker
Jenseits der Schlussfolgerung, die Beweggründe für Forschung stärker zu artikulieren, liefern die Daten des Wissenschaftsbarometers auch gute Gründe für die Annahme, dass die Wissenschaftskommunikation die Methoden stärker thematisieren sollte. Denn nur wer Methoden nutzt und Einblicke in sie gewährt, kann auch verdeutlichen, dass er sich integer daran hält – also keine Daten erfindet, nicht die Ideen anderer als die eigenen ausgibt usw. Auch hier könnte die Kommunikation mehr preisgeben: „Die Forscher unseres Instituts gehen hierbei wie folgt vor …“ „Unsere Methode besteht darin, dass wir …“ Aber auch: „Wir haben zwei Jahre lang in einer Sackgasse geforscht; Zeit, Geld, Personal und weitere Ressourcen verbraucht. Wie wir heute wissen, gingen wir dabei stets von einer falschen Annahme aus. Diese haben wir nun korrigiert und …“. Oder: „Das können wir nicht wissen, hier stoßen wir mit unserer Methode schlicht an eine Grenze.“ Kurzum: Das Wissenschaftsbarometer stellt uns mit Nachdruck vor die Frage, ob der Fokus von Wissenschaftskommunikation nicht oft zu einseitig auf der Expertise liegt: Das können wir, das haben wir geschafft, seht doch nur unsere Ergebnisse!

Das Misstrauen wächst mit dem Alter

So viel zu den globalen Antworten der Deutschen zum Thema Vertrauen in Wissenschaft. Es lohnt aber ein näherer Blick in den Tabellenband des Wissenschaftsbarometers 2018, denn die gesammelten Daten erlauben tiefere Einblicke. So nimmt das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung mit dem Alter der Befragten ab. In der Gruppe der 14- bis 29-Jährigen vertrauen die Deutschen Wissenschaft und Forschung zu 66 Prozent voll und ganz oder zumindest eher; bei den Über-50-Jährigen sind es hingegen nur noch 48 Prozent. Des Weiteren geht höhere Bildung mit mehr Vertrauen einher – wobei die Gruppe der Schüler mit 71 Prozent noch vor Personen mit Abitur oder Hochschulabschluss rangieren, welche auf 66 Prozent kommen. Unterschieden nach Sympathien für Parteien, äußern Anhänger der Grünen mit 70 Prozent im Schnitt das meiste Vertrauen in Wissenschaft, gefolgt von SPD- und FDP-Anhängern (62 bzw. 59 Prozent). Das geringste Vertrauen äußern mit 51 Prozent Anhänger der AfD; bei ihnen ist auch die Ablehnung („vertraue nicht oder eher nicht“) mit 13 Prozent gegenüber dem Schnitt von 7 Prozent über die Gesamtbevölkerung am stärksten ausgeprägt, noch vor der Gruppe der Nichtwähler (10 Prozent). Personen mit oder ohne Migrationshintergrund unterscheiden sich in der Vertrauensfrage im Wissenschaftsbarometer 2018 nicht signifikant; 2017 hatten Menschen mit Migrationshintergrund mehr Vertrauen geäußert als solche ohne.

40 Prozent der Deutschen stimmen der Aussage, dass Wissenschaftler zum Wohl der Gesellschaft arbeiten, voll und ganz oder eher zu. Unterteilt nach ihrer Nähe zu den im Bundestag vertretenen Parteien, zeigen sich jedoch erneut Unterschiede: Während die Anhänger von Union (51 Prozent), SPD (49 Prozent), FDP (49 Prozent) und Grünen (46 Prozent) teils deutlich über diesem Schnitt liegen (und die Anhänger der Linken mit 42 Prozent quasi auf dem Schnitt), bröckelt die Zustimmung bei Anhängern der AfD (30 Prozent) merklich. Allein die Nichtwähler liegen mit 28 Prozent noch darunter. Am Rande sei bemerkt, dass diejenige Bevölkerungsgruppe, die der genannten Aussage am klarsten zustimmt, mit 56 Prozent Zustimmung Personen sind, die sich selbst als eher oder sehr religiös bezeichnen.

Der Aussage „Alles in allem werden Wissenschaft und Forschung in Zukunft zu einem besseren Leben führen“ pflichten FDP- und SPD-Anhänger (67 bzw. 65 Prozent) entschiedener bei als der Bevölkerungsschnitt (50 Prozent). Geringere Zustimmung kam mit jeweils 43 Prozent auch hier aus der Anhängerschaft von AfD wie auch der Linken; zudem fiel die Ablehnung dieser Aussage mit 20 Prozent (Linke) und 18 Prozent (AfD) ebenfalls größer aus (Bevölkerungsschnitt: 14 Prozent).

AfD-Nahe zeigen das stärkste Misstrauen in Wissenschaft

Wie nun steht es mit den politischen Sympathien, wenn es um die drei psychologischen Vertrauensdimensionen Expertise, Integrität und gute Absichten geht? Insgesamt signalisieren AfD-Anhänger hier klar am wenigsten Vertrauen in die Wissenschaft. Die Expertise sahen sie nur zu 51 Prozent (Schnitt: 64 Prozent), die Integrität nur zu 39 Prozent (Schnitt: 48 Prozent) und die guten Absichten nur zu 43 Prozent (Schnitt: 47 Prozent) als mögliche Gründe für Vertrauen an. Dass man Wissenschaftlern vertrauen kann, weil sie Experten auf ihrem Feld sind, finden FDP-Anhänger am überzeugendsten (80 Prozent Zustimmung); entlang der beiden anderen Vertrauensdimensionen Integrität und gute Absichten rangieren die Grünen-Anhänger mit ihren Zustimmungswerten am höchsten. Bei der komplementären Frage nach möglichem Misstrauen zeigen Linke-Anhänger in puncto gute Absichten sowie Expertise die stärksten Vorbehalte und Grüne-Anhänger bei der Integrität, sieht man einmal von den Anhängern sonstiger, kleinerer Parteien ab, die bei guten Absichten und Integrität noch stärkere Ressentiments zeigen.

Foto: <a href="https://unsplash.com/photos/46mSYsT046Q"> Aaron Burden</a>, <a href="https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de" target="_blank" rel="noopener">CC0</a>
Schadet es dem Ansehen von Forschenden, dass viele Studien durch Drittmittel finanziert sind? Und wie lässt sich dem in der Kommunikation begegnen? Unser Schwerpunkt versammelt verschiedene Artikel zum Thema. Foto: Aaron Burden, CC0

Eine besondere Einstellung haben relativ viele AfD-Anhänger insbesondere beim Thema Klimawandel. So wurde den Befragten des Wissenschaftsbarometers 2018 die Aussage vorgelegt: „Der Klimawandel wird hauptsächlich durch die Menschen und ihr Handeln verursacht.“ Während hier Anhänger der anderen Parteien von 91 Prozent bei den Linken bis 79 Prozent bei der FDP recht nah am Schnitt der Bevölkerung von 82 Prozent Zustimmung liegen, sacken die Zustimmungswerte der AfD-Anhänger hier mit nur 54 Prozent sehr deutlich ab. Ein ähnlich stark abweichendes Verhalten zeigt keine Parteiklientel, auch die der AfD nicht, bei der Zustimmung zu der Aussage „Kinder zu impfen schadet mehr als dass es nützt“. Hier sind die Ablehnungswerte interessanter, da bei Linken (51 Prozent) und AfD (54 Prozent) vergleichsweise schwach ausgeprägt im Vergleich zum Bevölkerungsschnitt von 67 Prozent. Vor allem die Anhänger von FDP und SPD lehnen die Aussage mit 79 Prozent bzw. 76 Prozent recht deutlich ab.

Nun aber zu der eingangs erwähnten, aus meiner Sicht möglicherweise potenziell heiklen Entdeckung, die das Wissenschaftsbarometer 2018 bereithält. Erstmals wurde auch erhoben, wie intensiv sich die Deutschen an Diskussionen über Wissenschaft und Forschung in Social Media beteiligen: Was kennzeichnet Menschen, die sich hier nach eigener Auskunft intensiv engagieren und die somit die Diskurse über wissenschaftliche Themen in den Teil-Öffentlichkeiten sozialer Netzwerke wesentlich mitprägen dürften?

Laut ARD/ZDF Onlinestudie 2017 sind 33 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren regelmäßig (das heißt täglich oder wöchentlich) auf Facebook aktiv; 9 Prozent auf Instagram; 6 Prozent auf Snapchat; 3 Prozent auf Twitter. Das Wissenschaftsbarometer 2018 zeigt, dass sich 33 Prozent der Deutschen in sozialen Netzwerken über Wissenschaft und Forschung informieren. Aber weniger als 5 Prozent aller Deutschen, nämlich 15 Prozent von diesen 33 Prozent auf Facebook Aktiven, posten oder teilen Informationen oder Meinungen über Wissenschaft und Forschung häufig oder sehr häufig selbst in Social Media. Das bedeutet: Es gibt relativ wenige stark engagierte „Sender“, welche die Social-Media-Diskurse über Wissenschaftsthemen aktiv anstoßen. Gleichzeitig wird hier die Datenbasis des Wissenschaftsbarometers für weiter gehende Analysen aufgrund der geringen Teilstichprobengröße dünn; man findet sie unter den Punkten 4a und 4b im Tabellenband 2018. Immerhin aber geben sie deutliche Hinweise darauf, dass es sich bei diesen stark Engagierten besonders häufig um Männer wie Frauen aus den neuen Bundesländern handeln könnte, speziell solche zwischen 40 und 59 Jahren – und insbesondere Anhänger der AfD.

Werden Online-Diskurse über Wissenschaft von rechtsaußen bestimmt?

Wie steht es mit Personen, die zu wissenschaftlichen Themen vielleicht nicht selbst posten, Social-Media-Beiträge aber zumindest liken oder favorisieren? Gut 6 Prozent der Deutschen tun dies häufig oder sehr häufig, vermutlich mit einem gewissen Überlapp mit der vorher betrachteten Untergruppe. Erneut finden sich Hinweise darauf, dass es sich dabei um Ostdeutsche – Männer wie Frauen – allerdings tendenziell etwas jüngeren Alters handelt. Anders als beim Posten und Teilen engagieren sich hier wohl auch die Anhänger anderer Parteien zumindest etwas stärker, wiewohl erneut jene der AfD am aktivsten sein dürften, wenn man die Daten trotz der geringen Fallzahlen mit aller gebotenen Vorsicht analysiert.

Lediglich gut 2 Prozent der Deutschen kommentieren laut Wissenschaftsbarometer 2018 Information oder Meinungen über Wissenschaft und Forschung häufig oder sehr häufig in sozialen Netzwerken. Wiederum geben die Daten Anlass zu der vorsichtigen Vermutung, dass es sich vor allem um Ostdeutsche handelt, die hier besonders aktiv sind. Nochmals legen die Zahlen die Vermutung nahe, dass sich AfD-Anhänger hier möglicherweise besonders hervortun. Um diesbezüglich sichere Aussagen treffen zu können, müsste an dieser Stelle aber eine vertiefende Befragung durchgeführt werden – was ich angesichts der Brisanz der Hypothese dringend empfehle. Denn wollen wir nicht wissen, wer die Social-Media-Diskurse zu Wissenschaftsthemen in Deutschland maßgeblich prägt?

Mein Fazit ist ein dreifaches: Erstens zeigt das Wissenschaftsbarometer 2018, dass es über die Gesamtbevölkerung hinweg – Stand heute – keine Zunahme einer generellen Wissenschaftsskepsis und schon gar keinen galoppierenden Vertrauensverlust in die Wissenschaft gibt. Bestimmte Bevölkerungsgruppen, die sich vor allem anhand ihrer Nähe zu politischen Parteien unterscheiden, zeigen indes klare Tendenzen zu höherem Misstrauen; außerdem ist der Block mit fast 40 Prozent Unentschiedenen in der Vertrauensfrage recht groß. Zweites legen stabile Befunde von 2018 wie schon von 2017 für die Praxis der Wissenschaftskommunikation nahe, Methoden und Motive stärker explizit zu machen, um gesellschaftliches Vertrauen in Wissenschaft zu sichern oder herzustellen. Und drittens liefert das Wissenschaftsbarometer 2018 deutliche Verdachtsmomente dafür, dass die Diskurse über Wissenschaft in sozialen Netzwerken möglicherweise überdurchschnittlich häufig von Personen geprägt werden, die der AfD nahestehen. Aufgrund der geringen Teilstichprobengröße kann dies jedoch nur als Hypothese festgehalten werden, die in einer vertiefenden Befragung zu überprüfen wäre. Dies wäre auch für die praktische Wissenschaftskommunikation von großem Interesse.

 

Weitere Informationen sowie den kompletten Datensatz zum Wissenschaftsbarometer 2018 finden Sie hier.

Ein Interview mit der Projektleiterin des Wissenschaftsbarometers, Ricarda Ziegler von Wissenschaft im Dialog, finden sie hier.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.