Kontroversen und Konflikte gehören zur Wissenschaft und ihrer Anwendung im Alltag dazu – das zeigt aktuell die Covid-19-Pandemie. Ziel von Wissenschaftskommunikation sollte deshalb ein informiertes und damit auch kritisches Vertrauen in die Forschung sein, sagt der Psychologe Rainer Bromme.
Verständlichkeit ist gut, aber es geht um informiertes Vertrauen
Herr Bromme, Sie haben sich als Psychologe viel mit dem Vertrauen in Wissenschaft beschäftigt und die Forschung dazu in Deutschland geprägt. Aber warum ist es überhaupt wichtig, dass die Bevölkerung Forschenden vertraut?
Dazu muss man zunächst wissen: Warum interessieren sich Bürgerinnen und Bürger für Wissenschaft? Studien zeigen, dass sie meistens Antworten auf konkrete Fragen suchen, die sie im Alltag umtreiben. Also etwa Informationen, die ihre persönliche Sicherheit betreffen, politisch-gesellschaftliche Streitfragen oder auch die Gesundheit. Letzteres sieht man ja aktuell ganz deutlich – plötzlich ist Detailwissen aus der Epidemiologie und der Virologie gefragt, das vor Kurzem nur ein sehr kleines Publikum erreicht hätte. Nun sind wissenschaftliche Erkenntnisse aber gerade in diesen Bereichen oft umstritten. Hier kommt nun das Vertrauen ins Spiel, denn man muss sich entscheiden, welchen Expertinnen und Experten man Glauben schenkt. Das gilt beispielsweise für den Klimawandel, aber auch für viele weitere Themen wie Impfungen oder Covid-19.
Wie steht es denn in der Corona-Krise um das Vertrauen in Wissenschaft und Forschung?
Eine aktuelle Umfrage, das Wissenschaftsbarometer „Corona Spezial“, zeigt, dass fast 90 Prozent der Bevölkerung der Aussage zustimmen: „Das Wissen von Wissenschaftlern ist wichtig, um die Verbreitung von Corona in Deutschland zu verlangsamen.“ Und 73 Prozent geben an, dass sie Wissenschaft und Forschung vertrauen. Das liegt deutlich über den 46 Prozent, die 2019 bei der gleichen Frage ermittelt wurden. Insofern scheint das Vertrauen in der Krise sogar gestiegen zu sein.
Wie erklären Sie sich das?
Solange es einen Konsens unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gibt und dieser in der öffentlichen Diskussion auch akzeptiert wird, kommt es nur darauf an, gut zu erklären, wie der Konsens begründet ist und was daraus folgt. So ist es – nach meinem subjektiven Eindruck – zum Beispiel gut gelungen, den grundlegenden Zusammenhang zwischen den Zuwachsraten von Covid-19-Infektionen, der Belastung des Gesundheitswesens und sozialer Distanzierung zu kommunizieren. Wenn es aber Kontroversen gibt, dann wird es schwierig für Bürgerinnen und Bürger zu entscheiden, wer denn nun recht hat.
Warum müssen denn Bürgerinnen und Bürger das überhaupt für sich klären? Forschende leben ja auch mit dieser Unsicherheit.
Tatsächlich ist es für Laiinnen und Laien oft nicht nötig, sich zwischen unterschiedlichen Aussagen zu entscheiden. Das gilt zum Beispiel für Forschungsergebnisse, die einfach deshalb in der Wissenschaft kontrovers diskutiert werden, weil – wie bei Covid-19 – vieles noch tatsächlich unbekannt ist. Da sind Unsicherheiten und Abwägungen im Spiel, die zur Wissenschaft dazugehören. Aber wie schon gesagt, interessiert sich die Öffentlichkeit ja für Forschung vor allem im Zusammenhang mit praktischen Fragen, oder zumindest solchen mit politischen Implikationen. Und da sucht man dann nach einer eindeutigen Antwort. Das erleben wir derzeit zum Beispiel bei der Frage nach der Sterblichkeit durch Covid-19. Hier können die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht durch eigenes Sachurteil entscheiden, welche der unterschiedlichen Behauptungen zutreffend ist. Also müssen sie auswählen, welchen Expertinnen und Experten sie vertrauen.
Man kennt aus der Vertrauensforschung im Wesentlichen drei Faktoren, die darüber entscheiden, ob Menschen anderen Vertrauen entgegenbringen. Diese gelten nach Studien, die wir an der Universität Münster durchgeführt haben, auch für das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zum einen ist das die Einschätzung der Expertise, also ob wir davon ausgehen, dass jemand aus der Forschung sein oder ihr Handwerk versteht und viel über ein Thema weiß. Als nächstes die Integrität: Man vertraut der Person eher, wenn man davon ausgeht, dass sie sich an die Regeln guter Wissenschaft hält, also nicht betrügt oder ähnliches. Und drittens Benevolenz oder Wohlwollen, also die Frage, ob Forschende oder Institutionen bei ihrem Tun das Wohl der Gesellschaft im Blick haben oder eigennützige Ziele.
Und welcher dieser drei Bausteine ist am wichtigsten?
Das kommt auf die Betrachtungsweise an. Wenn es im positiven Sinn darum geht, wem Leute Vertrauen schenken, hat die wahrgenommene Expertise den größten Einfluss. Fragt man aber in Studien nach Misstrauen, ist das empfundene Wohlwollen am bedeutsamsten. Diese Unterschiedlichkeit der Kriterien zeigt zum Beispiel das Wissenschaftsbarometer 2018, worin den Befragten die genannten Dimensionen vorgelegt wurden und sie getrennt nach den Gründen für ihr Vertrauen und ihr Misstrauen gefragt wurden. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass eine Wissenschaftlerin oder ein Wissenschaftler vor allem auf den persönlichen Vorteil bedacht ist, steigt das Misstrauen rapide. Deshalb spielt es auch für viele Menschen eine wichtige Rolle, wer Forschung finanziert. Beispielsweise wird Forschenden an einer Universität im Durchschnitt größeres Vertrauen entgegengebracht als jenen, die in der Industrie arbeiten. Das gilt zumindest für Länder, in denen grundsätzlich ein hohes Vertrauen in staatliche Institutionen besteht, wie es in Europa meistens der Fall ist.
Weil sich moderne Gesellschaften schon lange für eine deutliche Arbeitsteilung entschieden haben: Von der Vermehrung des Wissens profitieren alle, deshalb wird Forschung zu einem erheblichen Teil öffentlich finanziert. Die eigentlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse produziert aber nur eine kleine Gruppe von sehr gut ausgebildeten und hochspezialisierten Personen. Es braucht viele Jahre, um auf einem Forschungsgebiet Expertin oder Experte zu werden. Deshalb können Bürgerinnen und Bürger letztlich in den meisten Fällen nicht selbst beurteilen, wer in einem wissenschaftlichen Disput recht hat. Wegen der hohen Komplexität wissenschaftlicher Fragestellungen und Methoden bleibt uns allen ab einem bestimmten Punkt nur, ausgewiesenen Expertinnen und Experten zu vertrauen – aber es sollte „informiertes“ Vertrauen sein.
Können Sie dieses informierte Vertrauen näher erläutern?
Ich verstehe darunter, dass die Urteile auf den drei Dimensionen des Vertrauens – Expertise, Integrität und Benevolenz – möglichst rational und auf Basis von Wissen gefällt werden. Da geht es aber eben nicht um Wissen in der Sache, sondern um ein allgemeines Verständnis dafür, wie die Forschung arbeitet, wie das System Wissenschaft funktioniert. Dazu gehört etwa, dass man weiß, dass neue Erkenntnisse oft vorläufig und unsicher sind. Und dass man zum Beispiel einschätzen kann: Ist ein praktizierender Lungenfacharzt ein Experte für Feinstaubgrenzwerte, auch wenn er nie zu dem Thema geforscht und publiziert hat? Oder kann ein pensionierter Amtsarzt und Gesundheitspolitiker die Gefährlichkeit eines neuen Virus genauso gut einschätzen wie ein aktuell in der Forschung arbeitender Top-Virologe? Das wären beides Urteile auf der Dimension „Expertise“.
Man kann beispielsweise darauf achten, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Aussagen revidieren, wenn es neue Forschungsergebnisse gibt, oder ob sie sich anscheinend eher an öffentlichen Erwartungen orientieren. Wenn Forschende aktuell in Debatten über Kontaktbeschränkungen und dergleichen auftreten, kann man sich fragen: Unterscheiden sie zwischen dem, was sie fachlich begründet sagen können, und dem, was sich politisch und gesellschaftlich aus den Erkenntnissen ableiten ließe? Weitere Rückschlüsse kann man auch daraus ziehen, in welchem Kontext Geltungsbehauptungen verbreitet werden. So finden sich zum Beispiel die Stimmen derjenigen, die die Covid-19-Maßnahmen als Hysterie bezeichnen, oft auf denselben Kanälen, die auch Verschwörungstheorien verbreiten.
Sind das alles nicht sehr hohe Erwartungen an die Urteilsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger?
Natürlich ist vieles davon im Moment für Menschen, die keine wissenschaftliche Grundbildung haben, schwer zu durchschauen. Aber es ist nicht so, dass sie diese Beurteilungsprozesse nicht lernen könnten. Wir kennen das aus dem politischen System: Da gestehen wir der Bevölkerung auch zu, sich über komplexe Dinge informieren und eine rationale Wahlentscheidung treffen zu können. Darin besteht ja gerade die Idee der Demokratie, dass alle Menschen durch Bildung dazu befähigt werden, entsprechende Urteile zu fällen. In diesem Sinne sollte auch ein informiertes Vertrauen in Wissenschaft möglich sein. Oder konkret formuliert: Man kann vermutlich vielen Menschen den grundlegenden Mechanismus des Treibhauseffektes deutlich machen, da gibt es Beispiele guter Wissenschaftskommunikation. Aber ich glaube nicht, dass man einer nennenswerten Zahl von Bürgerinnen und Bürgern die chemischen, physikalischen und meteorologischen Prozesse und die Modellierungen, um die es in der Klimaforschung geht, so verständlich machen kann, dass sie deshalb den Leugnern des Klimawandels widersprechen könnten. Aber die meisten Bürgerinnen und Bürger können genug über den Wissenschaftsprozess lernen, um zu verstehen, warum man sich auf einen starken Konsens unter Klimaforschenden verlassen kann. Das ist ein wichtiger Unterschied!
Natürlich sind gute fachliche Erklärungen sehr wichtig. Bürgerinnen und Bürger haben ja auch ein Recht darauf, möglichst umfassend informiert zu werden. Aber sehen wir uns genau an, was Herr Drosten in seinem Podcast im NDR macht: Zum Ersten vermittelt er auf ganz hervorragende Weise Grundlagenwissen der Virologie, einschließlich der Methoden. Das ist sozusagen das neuste Lehrbuchwissen der Virologie, zu dem er und sein Team ja offensichtlich wesentlich beitragen. Zum Zweiten diskutiert er Handlungsempfehlungen und konkrete Maßnahmen und dabei macht er immer sehr klar, was davon als evidenzbasiert gelten kann und was nicht. Zum Dritten aber diskutiert er offene Fragen, neue, oft noch unsichere Studienergebnisse und auch Mängel aktueller Studien. Nebenbei erklärt er oft die Mechanismen der Qualitätssicherung in der Wissenschaft, zum Beispiel das Peer-Review. Und, das ist sehr wichtig, er markiert auch, ob er sich bei seinen eigenen Einschätzungen sicher ist oder selbst Zweifel hat. Damit gibt er sozusagen einen Einblick in den Maschinenraum der wissenschaftlichen Wissensproduktion. So schafft er beim Publikum Grundlagen, um rational darüber entscheiden zu können, wem es vertrauen kann.
Das heißt, Sachwissen spielt eine Rolle dafür, welchen Forschenden man vertraut?
Natürlich. Es gibt ja auch nicht die „eine“ Öffentlichkeit, sondern Personen mit ganz unterschiedlichen Vorkenntnissen. Solche Einblicke in den Maschinenraum der Wissensproduktion, um bei dem Bild zu bleiben, werden die meisten Hörerinnen und Hörer des Podcasts nicht dazu befähigen, das neuste Paper zu Covid-19, das da diskutiert wird, selbst zu beurteilen. Aber es unterstützt sie bei der Entwicklung von rational begründetem Vertrauen. Sie merken dann vielleicht, dass da etwas nicht stimmen kann, wenn ein Experte öffentlich nur mit – sagen wir mal salopp – starken Meinungen zu allen Fragen auftritt. Die Maschine Wissenschaft liefert eben keinen Output, der rundum starke Meinungen rechtfertigen würde. Das lernt man auf jeden Fall, wenn man dem Podcast von Herrn Drosten regelmäßig folgt.
Zum einen halte ich es für sehr wichtig, in der Forschung zur Wissenschaftskommunikation das Verhältnis von Vertrauen und Verstehen genauer als bisher auszuleuchten. Auf der Praxis-Seite kritisiere ich die verbreitete Vorstellung, dass man gute Wissenschaftskommunikation vor allem an der Verständlichkeit der Beiträge erkennt. Ich halte es für wichtig, wenn man die Ziele von Wissenschaftskommunikation definiert, sich die Frage zu stellen, was man eigentlich erreichen kann. Und da scheint mir informiertes Vertrauen ein realistisches und ein auch normativ wünschenswertes Ziel zu sein. Verständlichkeit ist in der Wissenschaftskommunikation wichtig, aber man muss genau überlegen, wozu man sie einsetzt. Eine zu große Verständlichkeit sollte tatsächlich sogar mit Vorsicht genutzt werden.
Warum?
Eine zu starke Vereinfachung von Wissenschaft kann unter Umständen schädlich sein. In der Psychologie kennt man das Phänomen der Wissensillusion. Dabei überschätzen Personen ihr Verständnis eines wissenschaftlichen Sachverhalts, sobald sie etwas darüber gelernt haben. Wir haben in Untersuchungen den Versuchspersonen kurze Texte zu umstrittenen und recht komplexen medizinischen Sachverhalten vorgelegt. Wenn die Teilnehmenden den Eindruck hatten, ungefähr zu verstehen, worum es in der medizinischen Debatte ging, dann neigten sie eher dazu, auf ihr eigenes Urteil zu vertrauen – und sahen weniger die Notwendigkeit, Rat von Fachleuten einzuholen. Wenn man Wissenschaft zu stark herunterbricht, kann das also Menschen dazu verleiten, die sogenannte „epistemische Autorität“ von Forscherinnen und Forschern zu unterschätzen. Sie denken dann, Geltungsbehauptungen genauso gut beurteilen zu können.
Man nimmt die Bürgerinnen und Bürger ernst, wenn man die strukturellen und die praktischen Grenzen zwischen Fachwissen und Allgemeinwissen nicht negiert, sondern als grundlegende Randbedingung der Wissenschaftskommunikation anerkennt. Deshalb ist meines Erachtens ein Nachdenken über diese Grenzen zwischen Fachwissen und Allgemeinwissen gerade eine Voraussetzung dafür, um eben nicht paternalistisch, von oben herab, mit Nicht-Fachleuten über Wissenschaft zu sprechen. Natürlich gilt auch: Diese Grenzen sind variabel, sie verschieben sich immer wieder im Laufe der Zeit.
Weil immer mehr Menschen Bildung über Wissenschaft genießen?
Das kann mitunter einfach themenabhängig sein. Wir erleben zum Beispiel derzeit, dass spezialisiertes Fachwissen aus der Virologie zu einer Art Allgemeinwissen wird – und sei es nur in dem Sinne, dass man immer mehr gut aufbereitete Erklärungen virologischer Grundbegriffe und Themen im Internet findet. Im bereits erwähnten Corona-Spezial des Wissenschaftsbarometers stimmen 77 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Ich fühle mich gut über Corona informiert“. Das ist erst mal nur ein Hinweis. Die tatsächliche Verbreitung des themenspezifischen Wissens ist eine interessante empirische Frage, die bereits in aktuellen Studien untersucht wird und sicher in Zukunft noch weiter untersucht werden muss. Aber auch wenn diese Grenze zwischen Fachwissen und Allgemeinwissen sowohl variabel als auch durchlässig ist, gibt es sie dennoch. Auch deshalb, weil zum Fachwissen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ja auch die kommunikative und soziale Einbettung in die Wissenschaftsgemeinde gehört. Dank ihr können Forschende beurteilen, welche Kolleginnen und Kollegen eher verlässliches Wissen liefern. Es kann aber auch noch aus einem weiteren Grund gefährlich sein, diese Grenzen zu negieren, oder es zu vermeiden, in der Wissenschaftskommunikation darüber öffentlich zu sprechen.
Und der wäre?
Wir wissen aus der Psychologie, dass Menschen generell Geltungsbehauptungen eher glauben, wenn diese ein unmittelbares „Gefühl des Verstehens“ auslösen. Aber viele wissenschaftliche Ergebnisse lösen so ein Gefühl nicht aus, denn Wissenschaft muss häufig bestehenden Alltagsvorstellungen widersprechen oder mit abstrakten Modellen arbeiten. Ein Beispiel dafür ist die Dramatik des Klimawandels, die nicht intuitiv erfassbar ist. Einzelne Effekte wie Waldbrände oder Stürme sind greifbar, aber nicht der Klimawandel als Ganzes. Wissenschaftsleugner behaupten dagegen oft Dinge, die – im Gegensatz zur echten Forschung in vielen Bereichen – intuitiv zugänglich sind und nach unserer Alltagserfahrung plausibel klingen. Ein Beispiel ist die Deutung von aktuell erlebten Kälteeinbrüchen im Wettergeschehen als Argument gegen Modelle, die eine langfristige Erderwärmung beschreiben. Wenn man nun die öffentliche Erwartung fördert, gute Wissenschaft müsse immer auch leicht verständlich zu machen sein, lässt sich das für populistische Angriffe auf die Forschung ausnutzen. Man hört dann von Gegnern der Wissenschaft: Wenn ihr so komplexe Modelle braucht, kann eure Erklärung nicht richtig sein.
Plädieren Sie also dafür, dass es in der Wissenschaftskommunikation auch mal kompliziert oder gar unverständlich zugehen darf?
Natürlich ist es weiterhin wichtig, auf Verständlichkeit zu achten und Fakten möglichst gut zu erklären. Das wirkt ja für sich genommen auch vertrauensbildend. Und je größer ihr Wissensstand ist, desto weniger fallen Menschen auf Falschinformationen herein. Aber vielleicht sollte man komplementär dazu öfters sagen: Was ich hier zeige, ist ein abstraktes Modell, das von unserer Alltagserfahrung abweicht. Oder: Auch bei guter Wissenschaft ist es so, dass Fachfremde nicht alles wirklich verstehen können – es sei denn, sie arbeiten sich richtig ein, werden also selbst zu Expertinnen und Experten, aber das ist wiederum an viele Voraussetzungen gebunden. Und noch weniger können Laiinnen und Laien selbst in der Sache beurteilen, wer bei einer Kontroverse nun eigentlich recht hat. Missachtet man diese Komplikation, oder spielt sie in der Debatte um gute Wissenschaftskommunikation herunter, und sei es aus den besten didaktischen Motiven, dann besteht die Gefahr, dass man populistische Wissenschaftsleugnung begünstigt.
Zunächst muss man als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler genau reflektieren: Wo sind die Grenzen dessen, was ich alltagsnah erklären kann? Wo muss ich auf ein abstraktes Modell zurückgreifen, das nicht mit der Alltagserfahrung zusammenhängt, um meine Erkenntnisse zu begründen? Welche Evidenz über die Sache, um die es geht, kann ich gut erklären und wie kann ich dabei vermitteln, wie in der Wissenschaft verlässliches Wissen erzeugt wird? Und man muss darüber nachdenken, wie man mit den Erwartungen unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen an Wissenschaft umgehen möchte.
Denken Sie, es gibt hierzulande schon ein gutes Maß an informiertem Vertrauen in die Wissenschaft – oder liegt noch ein weiter Weg vor der Wissenschaftskommunikation?
Ich bin optimistisch, dass beispielsweise durch die Erfahrungen der Öffentlichkeit mit Wissenschaft rund um Covid-19 das informierte Vertrauen gefördert wird. Seit einigen Jahren fragt das Wissenschaftsbarometer, was die Befragten von der Aussage halten: „Kontroversen zwischen Wissenschaftlern sind hilfreich, weil sie dazu beitragen, dass sich die richtigen Forschungsergebnisse durchsetzen.“ 2019 stimmten 63 Prozent der Befragten dem zu, in der jüngsten Corona-Spezial-Umfrage sind es 67 Prozent. Obwohl wissenschaftliche Kontroversen im Zusammenhang mit Covid-19 in den Medien wohl so präsent sind wie selten zuvor, hat sich die eher positive Sicht darauf also nicht verringert. Es ist nur eine Vermutung, oder besser gesagt eine Hoffnung, aber: Vielleicht tragen ja die Virologinnen und Virologen, wenn sie sich auf offener Bühne über die Evidenz für ihre Annahmen streiten, sogar dazu bei, dass die Bürgerinnen und Bürger auch von Forschenden anderer Wissenschaftsgebiete eine Darlegung von empirischer Evidenz erwarten, wenn diese Handlungsempfehlungen geben. Nicht, um dann selbst diese Evidenz in der Sache zu beurteilen – aber um einen Hinweis darauf zu erhalten, wer vertrauenswürdig ist.