Performance, Funktionen, Nutzerfreundlichkeit, Datenschutz – Was muss man beachten, wenn man ein digitales Event plant? Und wie findet man das richtige Tool? Jörg Weiss gibt Tipps und teilt die Recherche seiner Agentur con gressa zu digitalen Veranstaltungstools.
Tools und Tipps für digitale Events
Herr Weiss, wo fängt man am besten an, wenn man eine digitale Veranstaltung konzipieren möchte?
Man sollte sich unbedingt zuerst die Fragen stellen: Was will ich eigentlich erreichen? Wen genau? Mit welchen Botschaften? Und was möchte ich bei meinen Zielgruppen auslösen? Vor allem, wenn man ein Format adaptiert, das schon oft analog durchgeführt wurde. Hier liegt eine große Chance, es noch einmal komplett neu zu durchdenken und gegebenenfalls alte Zöpfe abzuschneiden. Das hilft dann auch dabei, die richtige Kategorie der digitalen Veranstaltungen auszuwählen.
Was gibt es denn für Kategorien für digitalen Veranstaltungen?
Es gibt Events, die einen starken Fokus auf Informationsaustausch einer Gruppe legen, zum Beispiel wissenschaftliche Konferenzen. Die sind inhaltsgetrieben und es geht vor allem darum, einen Raum für den Austausch zu einem Themenbereich zu schaffen. Dann gibt es Veranstaltungen, bei denen das Networking im Vordergrund steht und dass die Teilnehmenden sich gegenseitig kennenlernen. Das ist online eine Herausforderung, weil es dafür analog schon viele gute Formate gibt – vom Kaffeetisch bei Konferenzen bis zum offenen Weinabend zu einem Themengebiet. Dafür gibt es aber auch online einige Tools. Eine dritte Kategorie sind Veranstaltung zur Wertschätzung einer bestimmten Personengruppe, zum Beispiel Preisverleihungen. Hier ergibt sich beim Drübernachdenken oft, dass es online vielleicht gar keine Veranstaltung sein muss, sondern dass man das über andere Kommunikationsformate besser lösen kann.
Wie findet man das richtige Tool für die eigene Veranstaltung?
Viel googeln, viel testen, andere Veranstaltungen besuchen und in der Community nach Erfahrungen fragen. Wir haben eine umfangreiche öffentliche Liste mit Tools erstellt, die wir laufend ergänzen. Es ist ein unglaublich dynamischer Markt und wöchentlich entdecken wir neue Tools. Außerdem sollte man unbedingt einen Kriterienkatalog mit den eigenen Anforderungen erstellen und sich fragen: Was muss das Tool unbedingt können? Welches Budget haben wir? Welche Performance braucht es? Wieviel Erfahrungen hat mein Publikum mit solchen Tools? Wie zuverlässig muss der Anbieter sein? Und was sind unsere Mindestanforderungen an den Datenschutz? Erst als letztes sollte man sich über Branding- und Personalisierungsmöglichkeiten Gedanken machen. Es gibt tolle umfangreiche Event-Plattformen und sogar Virtual-Reality-Tools, die aber schnell mehrere zehntausend Euro kosten, andere Tools sind wiederum sogar kostenfrei.
Wie vergleichbar sind die Budgets von analogen und digitalen Veranstaltungen?
Das kommt zum Beispiel darauf an, ob bei der analogen Veranstaltung auch Reisekosten übernommen werden und ob Kosten für Raummiete oder Catering anfallen. In dem Fall sind digitale Veranstaltungen oft günstiger. Wenn man dann aber wiederum Multimediainhalte produzieren lässt oder ein Veranstaltungstool mit hohen Lizenzkosten und Betreuungsaufwand wählt, sind die Kosten oft ähnlich hoch wie bei analogen Veranstaltungen. Besonders aufwendig und teuer sind hybride Veranstaltungen, bei denen ein Teil des Publikums vor Ort ist und alle anderen online dabei sind. Da muss man oft mit dem doppelten Bedarf an Ressourcen und Budget planen.
In welchen Fällen machen hybride Veranstaltungen trotzdem Sinn?
Zum Beispiel wenn man hochkarätige Gäste hat, die sich nicht live zu einer digitalen Veranstaltung dazuschalten würden. Eine Bundesministerin oder ein Bundesminister würde vermutlich eher eine Videobotschaft senden, als an einer Videokonferenz teilzunehmen. Für einen solchen Fall haben wir für die Podiumsgäste vor Ort eine Art Studio aufgebaut und das Publikum hat die Veranstaltung am Computer verfolgt. Da braucht es dann aber viele Ressourcen vor Ort und zusätzlich welche für die Betreuung der Online-Komponente. Noch schwieriger finde ich aber, wenn man ein Teilpublikum vor Ort hat und der Rest online dabei ist. Da gibt es dann oft ein Publikum „zweiter Klasse“, vor allem bei interaktiven Elementen der Veranstaltung oder in Workshopsituationen.
Was muss man beim Thema Datenschutz beachten?
Da sollte man sich direkt zu Beginn mit den Datenschutzbeauftragten zusammensetzen oder sich juristisch beraten lassen. Das Problem ist, dass viele gute Tools ihre Server in den USA oder anderen Ländern haben. Seit einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs kann man sich hier leider nicht mehr auf das EU-US-Privacy Shield berufen. Nach europäischer Datenschutzgrundverordnung sollte das Tool also einen Serverstandort in Europa haben. Man kann aber auch transparent bei der Veranstaltungsanmeldung kommunizieren, dass ein Tool genutzt wird, das Daten in die USA oder ein anderes Land übermittelt. Dafür braucht man dann aber unbedingt ein Einverständnis. Wenn man ein bisschen sucht, findet man aber auch meist europäische Alternativen.
Was sind Denkfehler, die bei der Übertragung von analogen Events ins Digitale oft gemacht werden?
Die fasse ich mal in fünf „Don’ts“ zusammen. Der erste Fehler ist, eine Präsenzveranstaltung 1:1 ins Digitale zu übersetzen. Das funktioniert in den meisten Fällen nicht, weil es online kürzer, prägnanter und interaktiver sein muss. Die Leute haben am Bildschirm andere Aufmerksamkeitsspannen und viel mehr Optionen, sich ablenken zu lassen. Man sollte hier neu denken, vielleicht thematisch clustern, auf mehrere Tage verteilen und akzeptieren, dass die Leute sich bei einer Onlineveranstaltung nicht den ganzen Tag Zeit nehmen, sondern einzelne Elemente herauspicken.
Der zweite Fehler ist, sich ein tolles Konzept-Luftschloss zu bauen und dabei nicht zu überprüfen, was technisch überhaupt möglich ist. Der Planungsprozess muss hier viel iterativer sein. Man sollte während der Konzeption schon schauen, welche Tools es gibt und was man mit ihnen erreichen kann.
Ein vierter Fehler ist, unbedingt auf Nummer sicher gehen zu wollen. Wenn man zum Beispiel alles vorher aufzeichnet, damit es fehlerfrei ist und man nicht von der Technik abhängig ist, verbaut man sich viele Chancen auf einen echten Austausch. Da braucht man Mut. Aber wenn man alles live macht und es dann mal ein bisschen ruckelt, weil die Verbindung schlecht ist, haben die Leute auch meist Verständnis dafür.
Der fünfte Fehler ist, den Personal- und Betreuungsaufwand zu unterschätzen. Bei einer analogen Veranstaltung richtet man den Raum ein, stellt einen – oder mehr – Wegweiser auf und das reicht dann vielleicht schon. Bei digitalen Veranstaltungen sollte immer ein Teammitglied in der Session dabei und bei technischen Schwierigkeiten ansprechbar sein. Die Speaker müssen vorbereitet und gebrieft werden, alle brauchen Anleitungen zum Einloggen und die Tools müssen vorher konfiguriert werden. Außerdem entstehen hier je nach Tool hohe Kosten.
Gibt es etwas, das digitale Events grundsätzlich nicht leisten können?
Es gibt nur eine Sache, die wirklich schlechter funktioniert und das ist das Netzwerken bei Speis und Trank. Da gibt es zwar einige Tools, bei denen die Teilnehmenden aber viel proaktiver sein müssen, um ins Gespräch zu kommen.
Was kann ein digitales Format sogar besser als eine analoge Veranstaltung?
Inklusion, vor allem wenn man an internationale Veranstaltungen denkt. Man erreicht Menschen, die an einem analogen Format vielleicht nie teilgenommen hätten. Wir hatten zum Beispiel bei einer wissenschaftlichen Konferenz viele Teilnehmende aus Pakistan, die im Normalfall nie ein Visum bekommen hätten.
Was wird in Zukunft von diesen Erfahrungen mit digitalen Formaten im Wissenschaftsbereich bleiben?
Viele Tools und Methoden werden sich wohl auch langfristig etablieren. Wir haben schon mit Veranstaltern zusammengearbeitet, die entschieden haben, nur noch alle zwei bis drei Jahre eine Veranstaltung vor Ort durchzuführen und dazwischen digitale Varianten zu planen. Wo ich allerdings noch Potenzial sehe, sind Dialogveranstaltungen zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit. Auf institutioneller Seite lag der Fokus in den letzten Monaten eher auf innerwissenschaftlichen Veranstaltungen. Im Bereich Wissenschaftskommunikation wurde nach meiner Beobachtung deutlich mehr abgesagt. Das mag auch eine Frage der Kapazitäten sein. Mit den neuen Erfahrungen mit digitalen Veranstaltungen könnten aber auch Formate der Wissenschaftskommunikation langsam wieder mehr auf den digitalen Terminplan gesetzt werden.