Websites, Blogs und Soziale Medien haben in der Wissenschaftskommunikation ohnehin einen hohen Stellenwert. In der Risiko- und Krisenkommunikation nimmt die Bedeutung dieser Instrumente nochmals zu. Denn sie bieten wissenschaftlichen Einrichtungen die Option der klugen und schnellen Direktkommunikation. Verkehrt eingesetzt, werden sie aber auch rasch zum „Krisen-Turbo“. Zehn Tipps, um das zu vermeiden.
Tipps zu Krisenkommunikation und Social Media
Online-Kommunikation hat sich als eines von vier Standbeinen der Außendarstellung von Institutionen fest etabliert – neben Print, Radio/Fernsehen und Face-to-face. Damit sind Online-Medien auch fester Bestandteil der Kommunikation, wenn kontroverse, kritische Themen diskutiert werden.
Was dabei zu beachten ist, erklären wir in zehn Tipps1. Fünf zum Einsatz von Sozialen Medien im Vorfeld einer kritischen Situation. Sie haben eher präventiven Charakter. Fünf weitere Tipps betreffen den Einsatz, wenn die kontroverse Diskussion bereits läuft. Sie haben interventionellen Charakter, beziehen sich also auf das Eingreifen inmitten des Geschehens.
Vor dem Sturm …
1) Prägen Sie die Kommunikationskultur Ihrer Institution vom ersten Moment an. Nutzen Sie die Interaktivität Sozialer Medien für Dialoge mit den Nutzerinnen und Nutzern. Der offene Austausch führt zur Bildung einer eigenen Community, die Ihre Aktivitäten und Reaktionszeiten, Ihren Sprachgebrauch und Ihre „Netiquette“ im Laufe der Zeit immer besser kennenlernt. Das versetzt diese bedeutsame Zielgruppe in die Lage, den Umgang Ihrer Einrichtung mit kritischen Themen besser zu verstehen und differenzierter zu bewerten.
2) Blogs und Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook oder Instagram laden zum Austausch ein. Nehmen Sie den Begriff „Austausch“ wörtlich: Es geht eben nicht nur darum, die eigenen Botschaften zu vermitteln und möglichst breit zu streuen. Sondern es geht auch darum, diese Kanäle für ein aufmerksames Monitoring zu nutzen, also für eine Beobachtung des Kommunikationsgeschehens. Über solch ein Themenradar bekommen Sie frühzeitig mit, welche Gesprächsthemen häufig vertreten sind, wie sich Meinungsbilder entwickeln, wo über Ihr Haus kommuniziert wird und wo sich möglicherweise etwas Unheilvolles zusammenbraut.
3) Insbesondere für Einrichtungen mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern empfiehlt sich die Festlegung von internen „Social–Media–Guidelines“ (SMG). Darin regelt der Arbeitgeber in Form von Tipps und Empfehlungen den Umgang mit Kanälen wie Facebook, Twitter und Co. Dies ist um so wichtiger, weil in der Online-Welt Privates und Berufliches häufig bunt miteinander vermischt wird.
4) Machen Sie Kommunikationsstrategien zu Risiko- und Krisenthemen nicht zu einer geheimen Kommandosache. Tauschen Sie sich mit Forschungseinrichtungen aus, die auf ähnlichen Gebieten unterwegs sind. Wer online und offline gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen offen über geeignete Wege berät, etabliert ein belastbares Netzwerk, das im Falle des Falles unterstützen oder sogar konzertiert reagieren kann. Vielleicht erweist es sich sogar als hilfreich, ein Wording für risiko- oder krisenbehaftete Situationen zu entwickeln, etwa eine anschauliche Beschreibung einer komplizierten Technologie. Im Falle des Falles spart diese Art der Vorbereitung wertvolle Zeit.
5) Ereignisse, die mit spürbaren Risiken für die Außenwelt verbunden sind, richten sich nicht nach klassischen Arbeitszeitregelungen. Berücksichtigen Sie den Personalbedarf für die Online-Kommunikation, wenn Sie Notfallpläne aufstellen, Wochenend-Erreichbarkeiten festlegen und die jeweiligen Verantwortlichen definieren. Wer zügig und professionell reagiert, kann damit frühzeitig punkten – und erweckt nicht den Eindruck eines aufgescheuchten Hühnerhaufens, völlig überfordert mit einer nicht alltäglichen Situation.
… und mittendrin im Sturm
6) Zunächst eine grundsätzliche Anmerkung: Gerade Krisen sind der denkbar schlechteste Moment, um neue Kanäle zu erproben. Start- und Probierphasen sollten Schönwetterthemen vorbehalten bleiben, denn wenn dabei etwas schiefgeht, ist das sicherlich nicht schön, vielleicht sogar ein bisschen peinlich, aber jedenfalls kein Drama. Über Risiken und Krisen sprechen Sie nur in denjenigen Sozialen Medien, die Ihnen vertraut sind! Aber: Was tun, wenn in einem Sozialen Medium heftig über einen Fauxpas aus Ihrem Haus diskutiert wird, und ausgerechnet auf diesem Kanal ist Ihre Einrichtung gar nicht unterwegs? Ein Kompromiss könnte so aussehen: Suchen Sie in den Reihen Ihrer Belegschaft nach einer Person, die diesen Kanal nutzt – und die dort die Perspektive Ihrer Einrichtung zur Sprache bringen kann.
7) Zeigen Sie eine gewisse Toleranz gegenüber sehr heftigen Meinungsbekundungen. Die Sozialen Medien sind ausgesprochen schnelle Medien. Dies wiederum verleitet zu unreflektierten, spontanen Äußerungen. Insbesondere, wenn sich Trolle einmischen, deren ganze kommunikative Leistung darin besteht, andere zu verunglimpfen. Lassen Sie sich nicht durch Beschimpfungen und Spekulationen provozieren, sondern behalten Sie Ihren eigenen, differenzierten Stil bei. Das zeugt von einer gewissen Souveränität selbst in problematischen Zeiten.
8) Manchmal bewegen sich Beiträge auf unterirdischem Niveau – etwa in Kommentaren, die andere auf den Social-Media-Kanälen Ihrer Einrichtung hinterlassen. Dann stellt sich die Frage, ob Sie solche Posts löschen sollten. Antwort: Löschen Sie Beiträge dann, wenn deren Inhalt gegen geltendes Recht verstößt. Beispielsweise, wenn Sie als „Betrüger“ bezeichnet oder konkret bedroht werden. Sie sollten jedoch einen Hinweis hinterlassen, dass an dieser Stelle ein Beitrag stand, den Sie als Betreiber der Seite wegen des juristisch nicht haltbaren Inhalts gelöscht haben. Solch ein Vorgehen hat überdies noch den Vorteil, dass nach außen hin deutlich wird, wie ernst Sie es mit Ihrer Verantwortung für Ihre Präsenz meinen.
9) Eine One-Voice-Policy, also eine abgestimmte einheitliche Sprachregelung, ist immer das A und O der Krisenkommunikation gewesen. Legen nun die Sozialen Medien eine Abkehr von der One-Voice-Policy nahe, wie gelegentlich zu hören ist? Im Gegenteil. Gerade in Zeiten einer ausgesprochen bunten Kommunikationslandschaft erweist sich eine einheitliche Sprachregelung in klassischen und sozialen Medien als unabdingbar, damit nicht unterschiedliche Darstellungen gegeneinander ausgespielt werden. Setzen Sie außerdem auf das Vier-Augen-Prinzip und stimmen Sie Antworten auf Vorwürfe intern ab – gerade wenn die Tonalität ohnehin gereizt ist. Ist jemand auf sich allein gestellt für alle Online-Brandherde zuständig, kann dies Fehler mit fatalen Folgen heraufbeschwören.
10) Bekanntlich bleibt eine Institution auch nach Bewältigung eines kritischen Themas noch eine ganze Weile im Fokus öffentlicher Aufmerksamkeit. Damit sind wir noch einmal beim Aspekt des Monitorings, denn die Beobachtung Sozialer Medien vermittelt einen recht guten Eindruck von der jeweiligen Themenkarriere. Klar, jede Einrichtung ist froh, wenn es „vorbei“ ist – und trotzdem sollte sie auch im Nachgang die Chance wahren, in Form eigener Beiträge die Deutungshoheit über das Thema zu dokumentieren.
Diese Tipps ergänzen die Tipps zur Risiko– und Krisenkommunikation.
Weiterführende Links: Social Media Guidelines erstellen