Die Deutschen blicken mehrheitlich optimistisch in die technisierte Zukunft. Wenn es aber um Details wie autonome Mobilität, ferngesteuerte Wohnungseinrichtung oder Diagnose per Medizindatenbank geht, bleiben sie skeptisch. Das ergab die repräsentative Umfrage zum Technikradar 2018. Die Ergebnisse im Überblick.
Technikradar 2018 – Mehr Lebensqualität, mehr Datenmissbrauch
Die deutsche Bevölkerung hat ein gutes Verhältnis zur Technik. Knapp die Hälfte der Deutschen glaubt, dass Technik den zukünftigen Generationen mehr Möglichkeiten und Lebensqualität bringen wird. Nur jeder Siebte stimmt dieser Aussage „eher nicht“ oder „gar nicht“ zu. Gleichzeitig bleiben die Deutschen aber vorsichtig, wenn sie über die Auswirkungen nachdenken. Nur 15 Prozent sind der Ansicht, dass Technik alle Probleme lösen wird. 60 Prozent erwarten, dass durch diese Entwicklung mehr Zwänge auf die Menschen wirken werden. Das Technikradar der Körber-Stiftung und der Deutschen Akademie der Technik-wissenschaften (acatech) spiegelt in vieler Weise optimistische und pessimistische Erwartungen der Bevölkerung wider.
Es wird darauf ankommen, die Kontrolle zurückzugewinnen
„Die Deutschen sind nicht technikfeindlich, sondern haben ein offenes Verhältnis, ohne jedoch in Technikeuphorie zu verfallen“, sagt der Theologe Peter Dabrock, Professor für Systematische Theologie mit dem Schwerpunkt Ethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, über das Ergebnis der repräsentativen Umfrage mit 2.000 Teilnehmenden. „Eine solche Einstellung ist deshalb zu begrüßen, weil sie Forschung und Industrie einerseits grundsätzlich offen gegenübersteht, andererseits ihnen aber auch Hausaufgaben mit auf den Weg gibt“, so der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. „Nur wenn Forschung und Industrie eine Sensibilität für ihre soziale und ökologische Verantwortung wahren, schenken die Deutschen ihnen vertieftes Vertrauen“, sagt Dabrock.
Für Ortwin Renn vom Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam (IASS) ist die in der Studie beschriebene Ambivalenz der Deutschen gegenüber Technik „ein Zeichen von Reife“. Gleichzeitig erscheine Technik offenbar als unaufhaltsame Naturgewalt, der man ausgesetzt sei, sagt das Mitglied im Steuerkreis des Projekts bei der Vorstellung der Studie. „Es wird darauf ankommen, die Kontrolle zurückzugewinnen“, ergänzt Renn, „denn wenn Menschen das Gefühl haben die Kontrolle zu verlieren, wird das Widerstand erzeugen.“
Digitalisierung der Wirtschaft: gern, Roboter in der Pflege: lieber nicht
Wie genau Techniken bewertet werden, schwankt von Fall zu Fall. Als grobe Richtschnur gilt: Was wir als nützlich einschätzen, betrachten wir als weniger riskant.Den Einsatz erneuerbarer Energien zur Bekämpfung der Klimaerwärmung, die Bevorzugungumweltverträglicher Verkehrsmittel bei der Verkehrsplanung oder die Digitalisierung der Wirtschaft zur Sicherung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit bewerten mehr als 70 Prozent der Befragten als nützlich und gleichzeitig die Risiken als gering. Den Einsatz von Robotern in der Pflege oder die gezielte genetische Veränderung von Nutzpflanzen zur Lebensmittelversorgung befürworten dagegen weniger als ein Fünftel der Deutschen und dafür schätzt mehr als die Hälfte diese Technologie als riskant ein.
Interessant ist, dass die Begeisterung für Technik bei jungen Frauen und Männern mittlerweile gleich groß ist. Knapp 30 Prozent der Befragten in der Altersgruppe der unter 35-Jährigen sagen, dass sie es chic finden, die neuesten technischen Geräte zu benutzen. Damit unterscheidet sich die junge Generation deutlich von den Vorgängern. Bei den über 65-Jährigen erfreuen sich 22 Prozent der Männer an neuen technischen Geräten, aber nur drei Prozent der Frauen. Insgesamt ist das Interesse der Männer an Technik noch größer als das der Frauen. Aber dieser drastische Geschlechterunterschied scheint langsam zu verschwinden: Bei einigen Fragestellungen im Technikradar fallen die Antworten von jungen Frauen und Männern ähnlich aus. Es wird spannend sein, zu beobachten, ob sich dieser Trend zukünftig auch in der Berufswahl der Mädchen widerspiegelt. Trotzdem bewerten die Geschlechter die Zukunft unterschiedlich. So halten beispielsweise 77 Prozent der Frauen Konsumeinschränkungen aus Gründendes Umweltschutzes für erforderlich, aber nur 64 Prozent der Männer stimmen dieser These zu.
Geringes Vertrauen in automatisiertes Fahren
Mit einigen Ergebnissen bestätigt das Technikradar frühere Studien. So hatte schon eine Bertelsmann-Studie vor einem Jahr die Skepsis gezeigt, mit der die Deutschen auf autonome Autos blicken. Dort sagten zwei Drittel der Befragten, dass sie den intelligenten Autos mit Misstrauen begegnen, nur bei einem Viertel lösen die Fahrzeuge Begeisterung aus. Auch das Technikradar findet große Akzeptanzprobleme der neuen Technik beim Autofahrer. Demnach vertrauen nur 18 Prozent der Deutschen auf die Zuverlässigkeit des vollautomatisierten Fahrens. Der Anteil, der bereit ist, die Verantwortung am Steuer an den Computer abzugeben, ist dementsprechend niedrig. Dagegen antworten 64 Prozent, dass sie die Übergabe der Verantwortung an ein vollautomatisiertes Fahrzeug „voll ablehnen“ oder „eher ablehnen“.
Warum sie das tun, lässt sich nur an Indizien festmachen. Der Hälfte der Autofahrer macht es Spaß, mit dem Auto unterwegs zusein, ein ähnlich hoher Anteil würde aber sein Auto bei ausreichendem öffentlichen Nahverkehr abgeben. 36 Prozent der
Deutschen bewerten die eigenen Fähigkeiten am Steuer höher als die eines Computers, obwohl die meisten Unfälle durch menschliches Versagen entstehen. Bei Frauen ist diese Einschätzung übrigens ausgeprägter als bei Männern. Mehr als die Hälfte beklagt, dass sie nicht mehr so fahren könnte, wie sie es möchten. Ein Teil der negativen Bewertung stammt sicherlich aus Selbstüberschätzung. Gerade einmal ein Drittel der Deutschen, dass sich die Zahl der Unfälle durch automatisiertes Fahren verringern werde.
Skepsis gegenüber vernetzter Technik im eigenen Zuhause
Auch das Ergebnis der Befragung zur Smart-Home-Technologie kann den Entwicklern nicht gefallen. Die Mehrheit der Deutschen will die technischen Gerätschaften in ihrer Wohnung oder in ihrem Haus nicht mit dem Internet verbinden und von außen steuern: 57 Prozent haben kein Interesse am Smart-Home-Systemen. 34 Prozent haben sich noch nicht entschieden und antworten mit „vielleicht“ oder „höchstwahrscheinlich“. Nur acht Prozent nutzen sie bereits.Ob sich diese Technologie in den Haushalten durchsetzen wird, hat nur wenig mit dem Nutzen zu tun. Die Verbraucher haben offenbar Angst vor Missbrauch. Zwei Drittel der Befragten befürchten, dass Internet-Kriminelle die Kontrolle über die Wohnung übernehmen könnten. Dementsprechend nennen die Befragten als wichtigste Voraussetzung für die Verwendung eines Smart-Home-Systems den Schutz vor Angriffen von Internet-Kriminellen (sehr wichtig: 76 %) und die Gewährleistung des Datenschutzes (sehr wichtig: 75 %). Dagegen spielen die einfache Bedienbarkeit (sehr wichtig: 62 %) und die Höhe der Anschaffungskosten (sehr wichtig: 32 %) eine geringere Rolle.
Die ärztliche Erfahrung zählt mehr als die Diagnose per künstlicher Intelligenz
Vor allem im Gesundheitssystem vertrauen die Deutschen im Wettbewerb zwischen Mensch und digitalem System noch eindeutig dem Menschen. Zwar suchen immerhin 40 Prozent der Befragten manchmal oder immer im Internet nach Rat und medizinischen Informationen, wenn sie gesundheitliche Beschwerden bemerken. Aber der Besuch beim Arzt scheint die Betroffenen zu beruhigen. Mehr als 80 Prozent der Befragten bewerten es als „sehr sinnvoll“ oder „eher sinnvoll“, dass der Arzt seine Diagnose vor allem auf Basis seiner langjährigen Erfahrung erstellt. Bei Diagnosen auf der Basis von riesigen Datenbanken beispielsweise durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz halten sich in Deutschland Ablehnung (31 %) und Zustimmung (36 %) etwa die Waage. Kommt es dabei zu einer widersprüchlichen Einschätzung, schlägt das Pendel eindeutig zugunsten der Ärzte aus.
Fazit: „Geäußerte Bedenken als wichtige Botschaften für die Wirtschaft“
Das Technikradar gibt den Softwareentwicklern damit eine zusätzliche Aufgabe jenseits der Entwicklung von neuen Features. Die Technikwahrnehmung sei gerade in Deutschland von der Angst vor Fremdbestimmung und Machtmissbrauch geprägt, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. 61 Prozent der Befragten sagen, dass die Digitalisierung generell die Störanfälligkeit unserer Infrastruktur erhöhen werde. Ebenso viele stimmen der These zu, dass man durch die Digitalisierung die Kontrolle über seine Daten verliere. Diese im Technikradar geäußerten Bedenken seien wichtige Botschaften für die Wirtschaft, erklärte Ortwin Renn.
Das Technikradar soll nun regelmäßig alle zwei Jahre erhoben werden. In zwei Jahren wird sich die Befragung mit dem Thema Bioökonomie befassen – es geht dann um Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Medizin und Energie.