Im Projekt subject setzt das Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Universität Innsbruck auf multimediales Storytelling. In Text, Audio und Video sprechen Forschende der Uni über Themen wie Angst, Nahrung oder Wahrheit. Melanie Bartos und Stefan Hohenwarter erklären das Konzept dahinter und warum sie Wissenschaft in Geschichten erzählen.
subject – Storytelling über Wissenschaft
Frau Bartos, Herr Hohenwarter, seit Frühjahr 2017 setzen Sie in der Wissenschaftskommunikation an der Universität Innsbruck auf ein interdisziplinäres Storytellingkonzept mit dem Titel subject. Warum?
Melanie Bartos: Die multimediale Umsetzung unserer Kommunikation ist bei uns im Prinzip nichts Neues. Wir arbeiten schon lange mit Audio, Bild und Video und haben diesen Ansatz schon etabliert. Irgendwann war aber klar, dass wir die verschiedenen Produkte auch kombinieren wollen. Das Storytelling ist da eine gute Möglichkeit.
Stefan Hohenwarter: Seit gut einem Jahr arbeiten wir deshalb mit dem Tool Shorthand. Das ist ein schönes Werkzeug, das es uns erlaubt, die subjects umzusetzen und die Beiträge direkt über unsere eigenen Server zur Verfügung zu stellen.
Wie wird aus den multimedialen Bausteinen dann in den Subjects eine Geschichte?
Hohenwarter: Wie in einem Newsroom erarbeiten wir redaktionell im Team einen roten Faden für jedes Thema. Wir überlegen, welche Forscherinnen und Forscher wir interviewen und welche Formate wir verwenden wollen. Audio machen wir selbst, die meisten Videos lassen wir drehen. Da haben wir eine Kooperation mit einem lokalen Fernsehsender. So versuchen wir, ein ausgewogenes Bild zu einem Thema zu schaffen – sowohl inhaltlich als auch was die Umsetzungsformen Text, Video und Audio angeht.
Und wie entsteht dann letztlich die Dramaturgie eines Subjects?
Hohenwarter: Nehmen wir mal als Beispiel das subject „Wahrheit“. Angespornt durch die Fake-News-Debatte haben wir als Universität eine Verantwortung gesehen, uns damit auseinanderzusetzen. Die Uni Innsbruck hat 16 Fakultäten und in den verschiedenen Disziplinen haben wir nach Perspektiven auf das Thema gesucht. So entstand die Dramaturgie über die zentrale Frage: Was ist eigentlich Wahrheit? Die haben wir dann einem Naturwissenschaftler, einer Geisteswissenschaftlerin, einem Theologen etc. gestellt. Und so entstand in diesem konkreten Fall die Geschichte. Handwerklich haben wir zu jedem subject außerdem einen Koordinator oder eine Koordinatorin, bei der oder dem jeweils alle Fäden zusammenlaufen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Themen aus?
Hohenwarter: Da gibt es zwei Ansätze. Entweder suchen wir uns ein Thema, das möglichst viele Anknüpfungspunkte liefert. Angefangen haben wir mit „Arbeit“. Da gab es einfach genügend Disziplinen, die etwas dazu sagen können. Der andere Ansatz hat etwas mit der PR an der Uni zu tun. Da schauen wir, welche Forschungsschwerpunkte wir haben, die dann präsentiert werden sollen. Es ist aber auch schon vorgekommen, dass wir Themen diskutiert haben und dann feststellen mussten, dass wir an der Uni Innsbruck selbst nicht die Personen haben, um sie umzusetzen. Die haben wir dann nicht weiterverfolgt.
Sie holen also keine Experten von anderen Einrichtungen zu den subjects dazu?
Hohenwarter: Nein, denn es ist ein Instrument, das uns dazu dient, die Uni Innsbruck und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei uns im Haus darzustellen. Demzufolge sprechen wir nur mit Leuten, die hier sind.
Mit ihrem Newsroom-Modell arbeiten Sie eher wie eine journalistische Redaktion, weniger wie eine klassische Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit. Wie ist es dazu gekommen?
Bartos: Das ist ein Punkt, der gerade beim subject sehr deutlich wird, ja. Unsere redaktionelle Arbeit ist sehr stark geleitet von unserem Verständnis von Wissenschaftskommunikation. Unser Ziel ist hier, möglichst viele Aspekte zu einem Thema abzudecken und nicht nur einzelne Ausschnitte zu kommunizieren. Da geht es zum einen darum, Themen zu setzen, die gesellschaftlich relevant sind – wie „Arbeit“ und „Nahrung“. Zum anderen wollen wir die Vielfalt an der Universität zeigen, an der zu eben diesen Themen in vielen verschiedenen Disziplinen geforscht wird. In dem Format haben wir die Möglichkeit, die Leute auch mal nach ihrer Meinung zu fragen, ganz unabhängig von ihrem aktuellen Forschungsprojekt oder dem neuesten Paper. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt: Die Themen basieren nicht zwangsläufig auf Ergebnissen oder Publikationen, sondern auf der Expertise der Leute. So können wir Wissenschaft auch von einer prozesshaften Seite zeigen und die Geschichten erzählen, die hinter einem Ergebnis stehen. Die handelnden Personen stehen hier im Vordergrund.
Wäre das nicht eigentlich die Aufgabe des Wissenschaftsjournalismus?
Bartos: Ja, aber in Österreich – noch mehr als in Deutschland – sind die Rahmenbedingungen im Wissenschaftsjournalismus dafür einfach nicht in der Form gegeben.
Hohenwarter: Wir haben aber auch die Erfahrung gemacht, dass das subject gerade von Redaktionen, und da von Wissenschaftsjournalisten, gerne aufgegriffen wird. Damit hatten wir nicht in dem Ausmaß gerechnet. Zu unserem ersten subject gab es eine Presseaussendung, um das neue Format bekannt zu machen. Einzelne Zeitungen und Online-Medien haben dann Interviews mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gebracht, die wir im subject vorgestellt hatten. Das war also ein sehr positiver Nebeneffekt.
Wie ist bei den subjects das Verhältnis von Objektivität – die man bei journalistischen Formaten erwarten würde – zum PR-Anspruch Ihrer Universität?
Bartos: Da kommen wir wieder zurück zu unserem Verständnis von Wissenschaftskommunikation. Wir haben damit ein Format, in dem für viele Dinge Platz ist, die in anderen PR-Produkten nicht unbedingt zu finden sind. Wir haben als Redaktion die Möglichkeit, Ressourcen in dieses Projekt zu stecken und das wird auch von unserem Chef unterstützt. Trotzdem sind wir in dem Sinne limitiert, da wir nur die eigenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Quellen nutzen können. So kommunizieren wir bei aller inhaltlichen Freiheit am Ende doch immer für die Uni Innsbruck.
Investieren Sie dafür weniger Ressourcen in andere Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit?
Hohenwarter: Nein. Die subjects sind ein Projekt, das bei uns mitläuft. Wir machen natürlich trotzdem weiter klassische Kommunikations- und Pressearbeit. Die etwa fünf subjects pro Jahr sind eher das Sahnehäubchen, das wir als Abteilung auf die andere Arbeit draufsetzen. Das relativiert jetzt etwas die eben genannten Ressourcen, die wir dafür kriegen. So richtig viele Extra-Ressourcen haben wir gar nicht, sind aber als Abteilung insgesamt recht gut aufgestellt. Wir machen das Projekt on-top und nutzen dafür auch Material, das wir für andere Kommunikationsformate bereits erstellt haben.
Welches Feedback bekommen Sie in der Universität und außerhalb?
Würden Sie das Format denn für die Wissenschaftskommunikation an anderen Institutionen empfehlen?
Bartos: Ja, aber nur bedingt. Wir können das in der Form nur machen, weil wir viel Erfahrung im multimedialen Arbeiten haben. Wenn wir für unser Printmagazin ein Interview machen, nehmen wir häufig das Aufnahmegerät oder die Videokamera mit und zeichnen auch auf. Aus dem Stand ein multimediales Storytellingformat zu wählen, wäre ambitioniert.
Hohenwarter: Und Teamwork ist für dieses Produkt auch essenziell. Unsere Redaktion besteht aus sieben Personen und wir setzen uns für jedes subject alle zusammen, um es zu entwickeln. Auch die relativ flache Hierarchie und die starke Zusammenarbeit braucht es dazu. Dass man kurze Wege hat, schnell Dinge besprechen kann und auch einen entsprechenden Rückhalt von der Leitung bekommt.
Bartos: Die Geschichten entstehen erst durch den Austausch und auch die verschiedenen Kontakte, die jeder und jede Einzelne von uns in die Fakultäten hinein hat. Das geht nur im Team.