„Wissenschaft im Dialog mit Gesellschaft (…)“ – unter diesem Titel veröffentlichte die Bundesregierung gestern eine Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen zum Thema Wissenschaftskommunikation. Jens Rehländer, Leiter Kommunikation der Volkswagenstiftung, kommentiert die Stellungnahme im Gastbeitrag.
Stellungnahme der Bundesregierung: Macht die Politik Druck?
Stattliche 28 Seiten Texte und Tabellen umfasst die Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die die Bundesregierung, respektive das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), soeben vorgelegt hat. Der ganze Titel:„Wissenschaft im Dialog mit Gesellschaft – Aktivitäten und Vorhaben der Bundesregierung im Bereich Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus“. Doch enthält die Stellungnahme etwas Neues? Erlaubt sie einen Rückschluss auf die schon länger angekündigte, bislang aber nicht vorgelegte Strategie des BMBF mit Blick auf die Stärkung der Wissenschaftskommunikation?
Streicht man die der Political Correctness geschuldeten Floskeln, zum Beispiel die in Endlosschleife wiederholte Mahnung, Bürgerinnen und Bürger bei der Entwicklung von Forschungsagenden verstärkt zu beteiligen, sind aus meiner Sicht mindestens drei handfeste Statements positiv hervorzuheben:
- Aus Sicht der Bundesregierung fehle „ein tief greifender Wandel der Anerkennungskultur für wissenschaftskommunikatives Engagement im Forschungsalltag“.
- Punkt zwei: Es brauche „eine stärker wissenschaftsbasierte Wissenschaftskommunikation, mehr Forschungskapazität in diesem Feld sowie eine bessere Evaluation und Wirkungsmessung von Maßnahmen der Wissenschaftskommunikation.“
- Punkt drei: Die Bundesregierung prüfe derzeit, „inwiefern der Wissenschaftsjournalismus unterstützt werden kann, ohne dass die journalistische Unabhängigkeit oder der freie Wettbewerb im Medienbereich beeinflusst werden“.
Alles nichts Neues? Ich glaube, es lohnt sich ein zweiter Blick auf das Papier. Denn entgegen vieler vager Ansagen in der Vergangenheit wird die Regierung in einigen Antworten sehr konkret, was den Handlungsbedarf anbelangt – und wie sie sich ihre eigene Mitwirkung vorstellt.
„Kulturwandel“ in der Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern
Zu Punkt eins: In der Stellungnahme werden verbesserte „Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie neue Anreiz- und Anerkennungssysteme für Kommunikation im Forschungsalltag“ gefordert. Zugegeben, dieses Verlangen wurde fast wortgleich schon vor 20 Jahren im PUSH-Memorandum formuliert. Doch wie wir alle wissen, wurde diese Selbstverpflichtung der großen Wissenschaftsorganisationen und -förderer bis heute nicht eingelöst. Nun, so scheint es, will die Regierung Druck machen und spricht explizit von einem „Kulturwandel“, den sie selbst – „mit anderen“ – anstoßen will.
Gemeinsame Strategien von Kommunikationspraxis und -wissenschaft
Zu Punkt zwei: Für die Wissenschaftsvermittlung brauchen wir nicht noch mehr neue Formate. Was fehlt, ist solides Wissen darüber, was funktioniert und was nicht. Gewiss, Wirkung lässt sich schwer messen. Aber es gibt bereits Indikatoren und Instrumente – die in der Praxis aber kaum angewendet werden. Den meisten Führungskräften wissenschaftlicher Einrichtungen reichen nette Charts mit aufsteigenden Klickkurven und dicke Ordner mit Medienclippings. Bis die rein quantitative durch mehr qualitative Wirkungsmessung ergänzt die Ansprache bislang unerreichter Zielgruppen angegangen wird, dürfte es in Deutschland noch ein weiter Weg sein. „Capacity Building“ im Feld von „Science of Science Communication“ ist deshalb ein Gebot der Stunde, das die Bundesregierung hier klar erkannt hat. Die Kommunikationspraxis und die Kommunikationswissenschaft müssen in viel engeren Austausch treten, auch international. Sie müssen gemeinsam Strategien gegen das entwickeln, was uns Wissenschaftskommunikatorinnen und -kommunikatoren in Zukunft das Leben nicht einfacher machen wird: Hate Speech, Fake News, das Verschwinden von wissenschaftsjournalistischer Expertise in den Medien, die Diskreditierung der Glaubwürdigkeit von Wissenschaft durch interessengesteuerte Meinungsführer, insbesondere in den sozialen Medien und so fort.
Wissenschaftsjournalismus fördern, ohne zu beeinflussen
Zu Punkt drei: Natürlich betont die Bundesregierung, sie halte einen „unabhängigen Journalismus“ für unabdingbar für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft. Aber es bleibt nicht bei dem Kalenderspruch. Offenbar wird auf den Ministeriumsfluren die Idee einer Stiftung für Wissenschaftsjournalismus debattiert, die seit ein paar Monaten im Raum steht. Das Problem aus Regierungssicht: Den Spagat hinzukriegen zwischen der Finanzierung einer von vielen Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten befürworteten Stiftung mit öffentlichen Mitteln – ohne dabei den Eindruck zu erwecken, auf den Journalismus oder den freien Wettbewerb Einfluss zu nehmen. (Freilich kann dieses ethische Kriterium auch nur vorgeschoben sein, denn im Falle von Forschung und Wissenschaft, die ja erheblich aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, stellt ja deswegen auch niemand die Freiheit der Wissenschaft in Frage … )
Darum sind andere Bundespolitiker auf dem gleichen Gleis bereits sehr unbekümmert mit weitaus kühneren Vorschlägen unterwegs. Etwa der Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, der SPD-Abgeordnete Ernst Dieter Rossmann, der in Zeitungsartikeln und Anhörungen bereits eine „Akademie für Wissenschaftskommunikation“ ins Spiel gebracht hat, eine „öffentlich-rechtliche Wissenschaftsplattform“ oder gar einen „Wissenschaftskanal im Fernsehen“.
Das zumindest kann man nicht überlesen: Der Druck auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt zu, wieder mehr wissenschaftsjournalistische Kompetenz in seinen Redaktionen zu bündeln und der Wissenschaft mehr Platz im Programm zu bieten – im vollen Bewusstsein, damit deutlich geringere Zuschauerquoten zu erzielen, als mit einem von Kai Pflaume oder Jörg Pilawa moderierten sogenannten Wissens-Quiz.
Mehr Wissenschaft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
Auch ein kleiner Seitenhieb auf die Länder fehlt im Statement nicht. Da diese die Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Sender führen, kann der Bund nur indirekt Einfluss nehmen. In der Stellungnahme geschieht dies durch die Formulierung der Idee eines aus Rundfunkgebühren gespeisten „Medieninnovationsfonds“, um „sonst nicht finanzierbare kreative oder investigative Beiträge zur Meinungsbildung bereitzustellen“.
Ob die Länder diesen Ball aufnehmen werden, mag fraglich bleiben. Eines zumindest ist erreicht: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht auch im Kontext der Wissenschaftsvermittlung ab sofort unter verschärfter Beobachtung.
Mein Fazit? Es wäre gewiss naiv, wollte man alles für bare Münze nehmen oder gar auf eine zügige Umsetzung all dessen hoffen, was die Antworten und vor allem die drei herausgepickten Punkte verheißen. Trotzdem nährt die Stellungnahme die Zuversicht, dass die Politik gemerkt hat, dass es vielfältigen Handlungsdruck im Bereich der Wissenschaftskommunikation gibt – und dass es nicht lohnt, noch länger auf die großen Wissenschaftsorganisationen und Förderer zu warten, bevor man sich an Lösungen versucht.
Es braucht einen, der mal mutig vorangeht. Dann werden die anderen irgendwann schon folgen.
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