Über Framing wird gerne im Kontext von Klimadebatten diskutiert: Welche Wortwahl ist empfehlenswert bei emotional aufgeladenen Themen? Framingexperte Eric Wallis erklärt, dass Frames auch in der Forschung allgegenwärtig sind und wie dieses Bewusstsein dem Diskurs weiterhelfen kann.
„Sprache bedeutet immer Einflussnahme“
Klimawandel, globale Erwärmung, Klimakrise – Herr Wallis, welches Wording finden Sie am passendsten für eine wissenschaftliche Diskussion über das Thema?
Ich benutze alle drei und auch ein paar mehr. Es ist wichtig, begrifflich flexibel zu sein. Benutzt man in jedem zweiten Satz das Wort „Klimakrise“, dann kann das dem Bewusstsein über die Krise sogar abträglich sein, Panik verbreiten und die Anschlusskommunikation erschweren. Hier gilt es auch, seine Adressatinnen und Adressaten mitzubeachten. Allein der Unterschied zwischen Klimakrise und menschengemachtem Klimawandel kann je nach Zielgruppe schon einiges bewirken. Den Begriff des menschengemachten Klimawandels einzuführen, kann den Standpunkt der Forschenden unterstützen, befreit sie allerdings nicht davon, es auch noch begründen zu müssen. Wenn sie zu der Erkenntnis kommen, dass es den menschengemachten Klimawandel gibt und wir mit einer Klimakrise zu rechnen haben, kann man das natürlich auch so benennen. Es ist ein Irrglaube, dass man sich auf ein bestimmtes Framing einigen und dieses durchziehen muss. Wie langweilig wären unsere Texte, wenn wir nicht variieren.
Unterscheiden sich wissenschaftliche und politische Frames?
Das Set an Frames, die sprachlich konserviert sind und in unseren Gehirnen stecken, ist laut meiner Auffassung relativ begrenzt. Es sind eigentlich immer die gleichen Kandidaten, die wir heranziehen, wenn auch in unterschiedlichen Kombinationen. Ein Beispiel wäre der Autoritätstopos. Wenn Sie im Elektronikfachmarkt einkaufen gehen und sich beraten lassen, dann endet das Verkaufspersonal gerne mit: „Diese Mikrowelle habe ich meiner Mutter auch empfohlen und sie ist damit zufrieden.“ Da geht es im eigenen Kopf auch schon los: „Ja, der Mutter tut man natürlich nichts Schlimmes an …“ Frames haben den Vorteil, dass sie Begründungsketten auslösen, die man selber gar nicht mehr nennen muss. Die Leute argumentieren dann für sich selbst. Von der Politik wird häufig die Wissenschaft als Autorität herangezogen: „Herr oder Frau Dr. Dr. XY hat uns empfohlen, die Steuergesetzgebung auf diese Weise anzupassen.“
Und was machen wir, wenn Framingversuche scheitern? Welche Kampagnen haben Sie erlebt, in denen Frames überhaupt nicht so angenommen wurden wie gedacht?
Jeder Mensch scheitert mal beim Framing. Stellen wir uns vor, ich möchte jemanden zum Rendezvous einladen und frage mich: Wie schaffe ich es, dass er oder sie mit mir ins Kino geht? Auch wenn mich der Film nicht die Bohne interessiert, schlage ich die Liebeskomödie vor, um den Anlass entsprechend zu framen. Vielleicht habe ich mich aber auch hinsichtlich der Gefühle meines Gegenübers verschätzt und der Vorschlag kommt gar nicht gut an – schon habe ich mit meiner kommunikativen Rahmung danebengelegen. Wir alle tun das.
Oder nehmen wir zum Beispiel den 90-60-90-Schönheitsframe, der punktet auch nicht mehr bei allen und wird sogar kritisiert. Hier können wir sehen, wie der Zeitgeist Frames verändert.
Die individuellen Schemata und Assoziationen erschweren es also zu antizipieren, ob ein Frame gut ankommt?
Jein. Im Privaten passieren ab und zu Missgeschicke, aber Politik und Unternehmen investieren Millionen in Milieuanalysen und Fokusgruppen, um zu verstehen, wie die Zielgruppen ticken und in welchen Rahmungen sie sich ähneln. Ab und zu machen sie dabei Fehler, aber die meiste Werbung funktioniert.
In Ihrem Essay „Gutes Framing, Böses Framing?“ schreiben Sie, politisches Framing kenne vor allem nur Gut und Böse. Heißt das im Umkehrschluss für wissenschaftliches Framing, es kenne nur wahr oder falsch?
Wissenschaft auf zwei Ebenen herunterzubrechen, würde auch nicht ihrer Komplexität gerecht werden. Bräuchte es nicht neben „wahr“ und „falsch“ vielleicht auch die Kategorie „es ist kompliziert“?
Normalerweise werden Framings ausgelöst und das Publikum rennt ihnen hinterher, das passiert auch in der Wissenschaft. Hier stellt sich tatsächlich die Frage: Sollte man dem Wahrheitsframe nacheifern oder ist es nicht viel wichtiger zu sagen, es ist kompliziert? Die Wissenschaft sollte ja eigentlich den Zweifel zum Ziel haben und sagen: „Ja, das ist interessant, aber ich habe noch diese und jene Perspektive beizusteuern.“
Frames leben von Beurteilungen. Bedeutet das, dass Fachbereiche, in denen ein „Zahlenkonsens“ besteht, weniger von verschiedenen Framings und Verständnisunterschieden betroffen sind als Fachbereiche, die mehr qualitative Einschläge besitzen? Wenn man also etwa plakativ MINT-Fächer und Geisteswissenschaften gegenüberstellte?
Am Ende geht es darum, welche Empfehlungen aus Statistiken abgeleitet werden. Berichte ich über meine Ergebnisse als Chance oder Gefahr? Niemand entkommt dem Political Framing. Selbst die Zahlen bieten da keinen Ausweg, denn sie müssen interpretiert werden und stehen nie für sich allein.
Haben Sie Tipps für diejenigen, die ihrer Framingblase entkommen möchten, um Debatten aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten?
In den sozialen Medien haben wir es zum Teil mit sehr homogenen Gruppen zu tun, die miteinander kommunizieren und den Rest blocken können. Zentral ist also das Bewusstsein, dass die Rahmung von Kommunikation alltäglich ist. Wir alle wollen, dass die anderen die Welt so wahrnehmen wie wir. Wenn wir uns bewusst machen, dass alle – auch wir selbst – ständig framen, dann fällt es uns leichter, andere Perspektiven anzuerkennen und einander zuzuhören. Dazu ist es sehr wichtig zu verstehen, dass Sprache immer Einflussnahme bedeutet.