Die Debatte zur Stärkung der Wissenschaftskommunikation im Bundestag zeigte deutliche Spaltungen zwischen den Parteien. Doch was sind die zentralen Streitpunkte? Und wie reagiert die Community?
So stehen die Parteien im Bundestag zur Wissenschaftskommunikation
Applaus, Gelächter, aber auch vereinzelte Buhrufe gab es, als am 13. März der Tagesordnungspunkt „Wissenschaftskommunikation” im Plenarsaal des Bundestages diskutiert wurde. Die Fraktionen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP hatten einen gemeinsamen Antrag vorgelegt, um die Wissenschaftskommunikation „systematisch und umfassend“ zu stärken.
Eine höhere Sichtbarkeit und Wertschätzung von Wissenschaftskommunikator*innen und Wissenschaftsjournalist*innen sei zudem notwendig, da sie eine wichtige Instanz im Kampf gegen Falschinformationen und für die Stärkung des Vertrauens in die Wissenschaft seien.
Holger Mann (SPD-Fraktion) kritisierte, dass im Haushalt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nur jeder tausendste Euro für Wissenschaftskommunikation zur Verfügung stünde. Zwar gebe es bereits Intermediäre wie Wissenschaft im Dialog* und die Science Media Center, es müsse aber noch mehr investiert werden. Das Wissenschaftsbarometer* müsse zu einer „echten, repräsentativen nationalen Erhebung“ werden. Und: „Wissenschaftsjournalismus ist selten finanziell profitabel“, so Mann. Deshalb solle eine Stiftung gegründet werden, die unabhängigen Journalismus als staatsferne Struktur fördert (wir berichteten bereits in der Vergangenheit über entsprechende Vorschläge).
SPD, Grüne und FDP plädieren zudem dafür, dass Bürger*innen verstärkt an wissenschaftlichen Projekten teilhaben sollen. Nicht nur für die Wissenschaftscommunity, sondern auch für die Rezipient*innen, wie zum Beispiel Entscheidungsträger*innen in Politik, Gesellschaft und Wirtschaft müssten Weiterbildungsmöglichkeiten geschaffen werden. Dr. Holger Becker (SPD) nannte unter anderem die Toolkits und Handbücher der American Association for the Advancement of Science als Inspiration (hier finden Sie die Leitlinien bei uns im Check).
Antworten der Opposition
Die Unionsfraktion verwies auf die bisherigen Erfolge und Maßnahmen ihrer Regierungszeit und argumentierte, dass sich die Forderungen der Ampel-Fraktionen stark an ihren Bemühungen orientierten und zu wenig Neues oder Konkretes hinzufügen. Man schmücke sich hier mit „fremden Federn“, so Katrin Staffler (CSU). Kritisch äußerte sie sich auch zur Berücksichtigung unterschiedlicher Bildungsgruppen. Menschen mit formal niedriger Bildung hätten in den letzten Jahren rapide an Vertrauen in die Wissenschaft verloren, würden aber im Antrag vernachlässigt. Hier müsse noch nachgebessert werden.
Die Linke betonte die Bedeutung einer niederschwelligen Wissenschaftskommunikation, die es allen Menschen ermöglicht, wissenschaftliche Zusammenhänge zu verstehen und sich an der gesellschaftlichen Diskussion darüber zu beteiligen. Besorgt zeigten sie sich auch über Anfeindungen und Angriffe gegen Forschende. Diese seien besonders in der Gender- und Rassismusforschung oder in der Klima- und Gesundheitsforschung spürbar.
Daher drängte die Linke auf konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Bedingungen für eine erfolgreiche Wissenschaftskommunikation und kritisierte das Fehlen entsprechender Maßnahmen im Antrag.
Die AfD kritisierte eine Instrumentalisierung der Wissenschaftskommunikation durch die Regierung, um ideologische Ziele zu verfolgen und politische Entscheidungen zu rechtfertigen. Die Partei warnte vor einer Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit und einem Mangel an offenem Diskurs, insbesondere wenn Forschungsgelder an Kommunikationsauflagen geknüpft würden. Marc Jongen (AfD): „Nicht nur nehmen wissenschaftsfremde Aufgaben auf diese Weise massiv zu, es droht auch ein Wissenschaftler-Typus vorgezogen zu werden.“
Die AfD lehne damit den Antrag ab, da die Regierung in den Augen der Partei die Wissenschaft nicht schütze, sondern ihre Grundlagen untergrabe und sie als Propagandainstrument missbrauche.
Am Ende der Debatte entschied Bundestagsvizepräsidentin Aydan Özuguz (SPD), den Antrag an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung für die weitere Diskussion zu überweisen.
Reaktionen aus der Community
Kristin Raabe, Trainerin für Wissenschaftskommunikation, fand lobenswerte Punkte im Antrag, kritisierte aber, dass aus ihrer Sicht der unabhängige Wissenschaftsjournalismus nur am Rande vorkomme und es noch zu wenig Angebote für diversere Zielgruppen gebe. Dies würde im Antrag überhaupt nicht thematisiert.
Auf X (ehemals Twitter) schrieb die Doktorandin Lena Frewer spöttisch über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz: „Man könnte die Wissenschaftskommunikation unter anderem auch dadurch stärken, dass man endlich für faire Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft sorgt, aber was weiß ich“. Der Klimaforscher und Kommunikator Dr. Christian Scharun freute sich dagegen: „‘Wissenschaftskommunikation systematisch und umfassend stärken’, heißt es in einem Antrag, der heute im Bundestag diskutiert wurde. Und auch wenn immer viel über die #Ampel geschimpft wird … DAS ist wirklich eine sehr, sehr gute Idee.“
Die 17 Forderungen des Antrags im Überblick:
- Verankerung von Wissenschaftskommunikation auf allen Karrierestufen in der Wissenschaft
- Integration der Wissenschaftskommunikation in die Forschungsförderung des BMBF
- Förderung des Kompetenzaufbaus für Wissenschaftskommunikation durch ein spezielles Programm
- Sichtbarmachung und mögliche Einführung eines hoch dotierten Preises für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus
- Anerkennung von Wissenschaftskommunikation bei der Leistungsbeurteilung von Forschenden
- Schaffung von Weiterbildungsangeboten im Bereich Wissenschaftskommunikation für Entscheidungsträger*innen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft
- Stärkung der Fürsorgepflicht bei Bedrohungen und Anfeindungen von Wissenschaftlern und Unterstützung der Anlaufstelle „Scicomm-Support“*.
- mit der „Richtlinie zur Förderung von Forschungsvorhaben im Themenfeld Wissenschaftskommunikation“ verstärkt auf die Wirksamkeit und Weiterentwicklung bestehender Formate zu zielen
- Ausbau des Wissenschaftsbarometers* zu einer repräsentativen nationalen Befragung
- Stärkung der Förderlinie für Citizen Science– und Bürgerwissenschaftsprojekte sowie bereits etablierter Einrichtungen in diesem Bereich
- Kontinuierliche Stärkung der Wissenschaftskommunikation in der frühkindlichen und Erwachsenenbildung
- Entwicklung weiterer Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung an der Ausrichtung der Forschungspolitik
- Förderung der Vernetzung von partizipativ Forschenden und Professionalisierung von Partizipation in der Forschung
- Weiterbildungsmöglichkeiten für Ehrenamtliche, Forschende und Wissenschaftsmanager im Bereich Citizen Science
- Anerkennung und Verankerung von Citizen Science in Leitbildern und Zielvereinbarungen
- Abschluss der Transformation des Publikationswesens in Open-Access- und Open-Science-Formate
- Nachhaltige Förderung des unabhängigen Wissenschaftsjournalismus durch unabhängige und staatsferne Strukturen, evtl. durch eine neue Stiftung oder durch den Ausbau bestehender Intermediäre und Aktivitäten
* Wissenschaft im Dialog (WiD) ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.