Zwischen Mode und Concept Stores finden Besucherinnen und Besucher des Bikini Berlin bis zum 14. September die Ideenschmiede KI, eine interaktive Ausstellung mit Exponaten zu Künstlicher Intelligenz. Wolf-Dieter Lukas, designierter Staatssekretär des BMBF, erklärt, wie die Forschung ins Kaufhaus kommt.
„Selbst in einer Einkaufsmeile kann Forschung ‚aufpoppen‘“
Eine Pop-up-Box mit wissenschaftlichen Exponaten – Herr Lukas, wie ist die Idee dazu zustande gekommen und was sind Ihre Hoffnungen für die Ausstellung?
Wir haben die Köpfe zusammengesteckt und überlegt: Wie können wir im Wissenschaftsjahr neben unseren bewährten Formaten wie etwa der MS Wissenschaft, dem Forschermagazin und unserer Ausstellung im BMBF mal etwas Mutiges ausprobieren, eben „out of the box“ zu denken! Es ging dabei natürlich auch um die Frage, wie wir KI-Forschung auf spannende Weise vermitteln können. Denn im Wissenschaftsjahr 2019 – Künstliche Intelligenz möchten wir mit möglichst vielen Menschen darüber ins Gespräch kommen: Wo kommen wir denn da hin, wenn Künstliche Intelligenz (KI) immer präsenter in unserem Alltag wird? Wo sind die Chancen, wo sind die Risiken? Künstliche Intelligenz ist ja nicht nur etwas für Programmiererinnen und Programmierer, sondern betrifft jede und jeden von uns.
Das Bikini-Haus ist kein typischer Ort der Wissenschaft. Warum wurde die Pop-up-Box genau hier aufgestellt?
Forschung findet an klassischen Orten, wie etwa im Labor, statt, doch wissenschaftliche Erkenntnisse sind schon immer wichtiger Bestandteil unseres alltäglichen Lebens – selbst in einer Einkaufsmeile kann Forschung „aufpoppen“. Die junge Forschung, die wir hier ausstellen, verdeutlicht, wo KI überall präsent ist: vom Smart Home bis zur Hochtechnologie. Hierüber möchten wir in unserer Ideenschmiede KI mit den Besucherinnen und Besuchern des Bikini in einen Dialog kommen. Denn an einem Ort wie dem Bikini-Haus erwarten die Leute nicht unbedingt, Wissenschaft zu begegnen. Umso größer ist vielleicht die Neugierde und die Diskussionsfreude, wenn sie hier im lockeren, urbanen Ambiente auf innovative und interaktive Exponate wie das KI-Exoskelett oder den Roboter Felix treffen.
Was sind aus Ihrer Sicht die eindrücklichsten Erkenntnisse über KI, die man in der Pop-up-Box erlangen kann?
In der Ausstellung sind auch zwei Gewinner des Hochschulwettbewerbs zum Wissenschaftsjahr vertreten. Was hat Sie konkret an diesen Projekten begeistert und was haben Gewinner-Projekte des Hochschulwettbewerbs gemeinsam?
Beim Hochschulwettbewerb im Wissenschaftsjahr konnten Teams junger Forschender Projekte einreichen, welche sich nicht nur mit KI beschäftigen, sondern es auch schaffen, die Forschungsergebnisse kreativ und interaktiv in die Öffentlichkeit zu bringen und zum informierten Dialog einzuladen. Den beiden Teams aus Leipzig und Furtwangen, wie übrigens allen 15 Gewinnerteams, ist genau dies hervorragend gelungen. Beeindruckend finde ich den Enthusiasmus, den die jungen Forschenden dabei an den Tag legen. Damit sind sie auch anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Vorbild in Sachen guter Wissenschaftskommunikation.
Das Wissenschaftsjahr beschäftigt sich ja nun schon eine ganze Zeit mit Künstlicher Intelligenz. Was sind für Sie Learnings aus den bisherigen Projekten und Veranstaltungen in Bezug auf die Kommunikation zu diesem Thema?
KI ist ein vielschichtiges und für viele Menschen noch recht abstraktes Thema. Die Reaktionen, die uns bisher erreicht haben, sind durchaus geteilt: Einerseits große Hoffnung in Bereichen wie Gesundheit und Medizin; auf der anderen Seite auch Vorbehalte bei allem, wo der Mensch Kontrolle an die KI abgibt, wie z. B. beim autonomen Fahren. Insgesamt bemerken wir in diesem Jahr – sowohl auf unseren Social-Media-Kanälen als auch bei den zahlreichen Veranstaltungen – einen großen Wissensdurst. Die Leute wollen KI verstehen. Deshalb legen wir im Wissenschaftsjahr einen Fokus auf das Erklären, und zwar angefangen bei den „Basics“ der KI: Wie funktioniert maschinelles Lernen? Wie werden intelligente Systeme trainiert? Unser Lernspiel „Mensch, Maschine!“ stellt diese Aspekte in den Fokus. Gleichzeitig wollen wir mit den Menschen auch die gesellschaftlichen Auswirkungen diskutieren: Welches ethische Gerüst brauchen wir beispielsweise für den Umgang mit sensiblen Daten?
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Wissenschaftskommunikation in den nächsten Jahren?
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genießen in Deutschland ein hohes Ansehen. Politik und die Gesellschaft insgesamt stützen sich auf ihr Urteil ab. Es gibt aber auch spürbare Wissenschaftsskepsis in Teilen unserer Gesellschaft. Dies zeigt sich in den Debatten zum Klimawandel oder zum Impfen. Deshalb ist es wichtig, Forschende dazu zu befähigen, Wissenschaftskommunikation als selbstverständlichen Bestandteil ihrer Forschungsarbeit zu praktizieren. Natürlich geschieht dies auch schon; ganz hervorragend umgesetzt von den Gewinnern des Hochschulwettbewerbs. Auch in der aktuellen Diskussion über die Weiterentwicklung der KI, Stichwort „explainable AI“, sind es KI-Forschende, die sich sehr klar mit ihren Vorstellungen einer vernünftigen und gesellschaftlich gewollten KI einbringen.
Wo muss die Entwicklung aus Ihrer Sicht hingehen bzw. wie kann man die Herausforderungen bewältigen?
Ein Kulturwandel ist notwendig! Wir alle hören doch häufig, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schlicht zu wenig Zeit haben, um auch noch ihre Forschung zu erklären. Kommunikation muss sich demnach auch lohnen. Diese Anreizmechanismen zu schaffen, wird ein dickes Brett sein. Frau Karliczek setzt sich seit Beginn ihrer Amtszeit dafür ein, dass sich die Rahmenbedingungen für Wissenschaftskommunikation verbessern. Für diesen Kulturwandel ist ein gemeinsamer Einsatz des BMBF und anderer Hochschulen, Förder- und Forschungseinrichtungen notwendig. Daran arbeiten wir.