Für heute hat die Fridays-for-Future-Bewegung zu einem weltweiten Protesttag aufgerufen. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen die Initiative als „Scientists for Future“. Warum engagieren sie sich, was wollen sie bewirken? Und wie politisch darf Wissenschaft ihrer Meinung nach sein?
Scientists for Future – wer unterstützt die Initiative und warum?
Kira Ludwig, Vertreterin der Regionalgruppe Rostock:
Der Klimawandel ist Realität, und unsere lebendige und sich ständig fortentwickelnde Wissenschaft kann dabei unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Es müssen klare und sichere Daten und Fakten zur Grundlage genommen werden, um daraus Hinweise für die notwendige Politik abzuleiten. Dabei will ich helfen.
Meine Unterschrift ist eins von vielen wichtigen Symbolen, das zeigt, wie viele Menschen inzwischen unzufrieden sind mit der Politik und der Art, wie Entscheidungen getroffen werden. Politik und Wissenschaft sprechen zwei verschiedene Sprachen, bewegen sich in verschiedenen Zeitkonzepten und Sphären. Da braucht es Zeit, Vertrauen und Institutionen, manchmal auch einen „Dolmetscher“, um gut miteinander ins Gespräch zu kommen.
Wir sind natürlich auf den Demos dabei und sammeln und vernetzen Menschen, die Argumente transportieren wollen. In der Öffentlichkeit erklären wir wissenschaftliche Zusammenhänge. Proaktiv zu arbeiten bedeutet für uns vor allem, Erklärung anzubieten und zu zeigen, was man dann mit seinem Wissen anstellen könnte: So gucken wir etwa kritisch in den Kühlschrank, bieten Gespräch und Reflexion darüber an, wie wir früher gewirtschaftet haben, aber auch eine Zukunftswerkstatt, damit die positive Utopie einer klimafreundlichen Zukunft in die Wirklichkeit übersetzt werden kann.
Allen Menschen, auch Forschenden, steht es frei, sich politisch zu engagieren. Zwar ist es schwierig, wissenschaftliche Erkenntnisse in klare Entscheidungen umzuwandeln, denn man muss in der Politik sozial abwägen, auf Wirksamkeit und Schlupflöcher achten und das Gesamtgefüge im Blick behalten. Das darf aber nicht zur Ausrede werden, nichts zu tun. Wissenschaft selbst ist per se nicht politisch, aber sie kann sich der Themen annehmen, die sie will, soll sich genau aussuchen, wozu sie forschen will und wozu nicht. Dabei muss sie vor allem ethischen Grundsätzen folgen und in ihrem eigenen System stichhaltige Begründungen für Forschungsinteressen liefern.
Stefan Urbat, Aktivist der Regionalgruppe Stuttgart:
Seit den 70er-Jahren verfolge ich die Diskussion um den anthropogenen Klimawandel und habe irgendwann begonnen, teilweise zu resignieren, dass insgesamt die Politik die Warnungen der Wissenschaft im Wesentlichen ignoriert hat. Als von Greta Thunberg initiiert weltweit die SchülerInnenproteste gegen die sich rasch verschärfende Klimakrise begannen und Anfang März vor dem ersten globalen Klimastreik einige Wissenschaftler in Berlin dazu aufriefen, sich hinter diese neue globale Klimaschutzbewegung zu stellen, habe ich daher nicht gezögert zu unterschreiben. Meine Rolle ist hier zweiteilig: die jungen Menschen sowohl moralisch als auch mit wissenschaftlichem Rat zu unterstützen.
Einerseits geht es darum, das öffentliche Bewusstsein über dieses größte Menschheitsproblem aller Zeiten zu schärfen und zu erweitern, andererseits auch darum, Wissen an alle, nicht nur die Fridays for Future-Demonstrantinnen und -Demonstrantinnen weiterzugeben.
Wie politisch darf Wissenschaft aus ihrer Sicht sein? – Das ist natürlich eine heikle Frage für mich, als Parteimitglied seit 13 Jahren (PIRATEN) – aber letztlich ist es nicht nur wegen meines generellen politischen Engagements in meinen Augen unsere Pflicht, uns hier auch gesellschaftlich wegen der von uns erkannten extremen Gefahrenlage einzubringen.
Istemi Kuzu, Koordinator der Regionalgruppe Marburg:
Ich habe unterzeichnet, um die junge Generation und die Fridays-for-Future-Bewegung zu unterstützen und um ihren berechtigten Forderungen Nachdruck zu verleihen. Als Wissenschaftler, der an der Universität junge Menschen betreut und ausbildet, sehe ich es als meine Pflicht an, die jungen Menschen bei der dringendsten Frage unserer Zeit zu unterstützen. Ansonsten riskieren wir es, unsere Glaubwürdigkeit zu verlieren. Ich erhoffe mir, dass die Politik auf die jungen Leute hört und endlich richtige Lösungen findet und Maßnahmen trifft, die den Weg aus der Krise ermöglichen. Ein „Weiter so“ können wir uns nicht mehr erlauben. Dazu waren wir zu lange zu still.
In Marburg hat sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis verschiedener Organisationen, Gruppen, Vereine und Bewegungen zusammengefunden, um die Fridays for Future zu unterstützen: das „Klimabündnis Marburg“. Die Regionalgruppe der Scientists for Future ist ebenfalls Teil dieses Bündnisses. Unter anderem rufen wir alle Erwachsenen auf, sich dem Protest der Schülerinnen und Schüler am 20. September anzuschließen. Außerdem haben wir für die Aktion #Week4Climate ein buntes Programm zum Thema #AlleFürsKlima aufgestellt. Die Scientists for Future Marburg bieten im Rahmen dieser Aktionswoche zwei Veranstaltungen zu den Themen „Klima, Biodiversität und Nachhaltigkeit“ an. Darüber wollen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch kommen, auf die Verknüpfung dieser Themen aufmerksam machen und mögliche Lösungsansätze anbieten.
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