Foto: Nicola Kuhrt

Scientists for Future – wer unterstützt die Initiative und warum? (3)

Fridays for Future fordert einen verstärkten Klimaschutz und macht mit verschiedenen Aktionen Druck auf die Politik. Unterstützt wird die Initiative durch die „Scientists for Future“. Warum engagieren sich die Forschenden, was wollen sie bewirken – und wie politisch darf Wissenschaft ihrer Meinung nach sein?

Im Rahmen unseres Schwerpunkts zur Klimakommunikation und der weltweit stattfindenden Aktionen zum Thema haben wir nachgefragt, wer sich bei den Scientists for Future engagiert und warum. Im dritten Teil unserer Reihe kommen Vertreter der Regionalgruppen Ulm, Lüneburg und Hannover zu Wort.


Michael Kühl, Koordinator der Regionalgruppe Ulm

Michael Kühl ist promovierter Biochemiker und Professor an der Universität Ulm. Sein besonderes Interesse gilt den ethischen Aspekten der Wissenschaften sowie der Kommunikation von Wissenschaft. Zusammen mit seiner Frau betreibt er zudem einen Umweltblog. Foto: privat

Die wissenschaftlichen Fakten zum Thema Klimawandel sprechen eine klare Sprache: Diesmal ist der Mensch der Auslöser und wir müssen zeitnah handeln. Um so bedauerlicher, dass das Anliegen der jungen Protestierenden Anfang des Jahres nicht ernst genommen wurde, die Frage der Schulpflicht in der Öffentlichkeit wichtiger schien als das eigentlich zu diskutierende Problem. Damit war für mich persönlich klar, dass die Wissenschaft aktiv werden und sich positionieren muss – und das nicht nur national sondern auch regional. 

Es ist wichtig, dass eine große Anzahl von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zum Ausdruck gebracht haben, dass aufgrund wissenschaftlich begründeter Tatsachen die Menschheit dringend handeln muss. Dabei ist Aufklärung wichtig, am besten noch gepaart mit der Übernahme einer Vorbildfunktion. Nur so können wir viele Leute erreichen und motivieren.

In Ulm sehen wir daher die Klimakommunikation als unsere Hauptaufgabe an. Auf Anfrage geben wir Vorträge oder Workshops, nehmen an Podiumsdiskussionen teil oder beantworten Presseanfragen. Aktuell bereiten wir auch eine Ausstellung zum Thema vor, die wir bei verschiedenen Veranstaltungsformaten einsetzen wollen.

„Wissenschaft sollte zunächst einmal unpolitisch sein. In Zeiten aber, in denen „alternative Fakten“ verbreitet werden, muss sie auf die wissenschaftlich basierten Fakten hinweisen.“ Michael Kühl
Wissenschaft beruht auf soliden Fakten und sollte zunächst einmal unpolitisch sein. In Zeiten aber, in denen „alternative Fakten“ verbreitet werden und diese möglicherweise in politische Entscheidungsfindungen Eingang finden, muss die Wissenschaft auf die wissenschaftlich basierten Fakten hinweisen. Es gibt aber auch wissenschaftliche Erkenntnisse, die wie der Klimawandel eine solch große moralische Reichweite haben, dass es geradezu Pflicht der Wissenschaft ist, auf die Konsequenzen des politischen Handelns oder Nicht-Handelns hinzuweisen.


Harald Hantke, Koordinator der Regionalgruppe Lüneburg

Harald Hantke (M.Ed.) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitseinheit Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Leuphana Universität Lüneburg und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für sozioökonomische Bildung und Wissenschaft (GSÖBW). Seine Lehr- und Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der kritischen Berufsbildung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung und lebenswelt-transformativen Lehr-Lern-Prozessen. Foto: DUK/ Thomas Müller

Unsere Scientists-for-Future-Gruppe Lüneburg verfolgt primär das Ziel, die absolut richtigen und wichtigen Argumente der Fridays-for-Future-Bewegung in ihrem Einsatz für eine nachhaltige Zukunft wissenschaftlich zu untermauern. Ich selbst habe unterzeichnet, da ich mich als Wirtschaftspädagoge für eine nachhaltigkeitsorientierte Bildung einsetze. Ich stelle mir etwa die Frage, welche Position Lehrende zwischen der auf Beschleunigung und Wachstum basierten Wirtschaft und Gesellschaft auf der einen und dem gesellschaftspolitischen Selbstanspruch einer nachhaltigen Entwicklung auf der anderen Seite einnehmen sollten. Dabei kommt es zwangsläufig zu Widersprüchen. Der Umgang mit ihnen ist somit Kern nachhaltigkeitsorientierter Bildungsprozesse.

Seit Jahrzehnten berichten Forschende über die negativen Auswirkungen der Menschen auf die Umwelt und es gibt bereits Alternativen für unser gegenwärtiges destruktives System. Doch fehlte oft der gesellschaftliche Rückenwind für langfristig angelegte Zukunftsfragen. Die Klimastreiks haben nun den Diskurs fundamental geändert. Wir wollen uns daher mit den Engagierten auseinandersetzen und diesen Dialog um wissenschaftliche Perspektiven erweitern.

Wir konzentrieren uns aktuell darauf, die Gefahr eines Klimakollapses nachvollziehbar zu machen, um auf dieser Basis regionale und lokale Klimaschutzmaßnahmen zu diskutieren, die teilweise unmittelbar umsetzbar sind. Hier bieten wir zurzeit einen Climate Literacy Workshop für Eltern, Lehrkräfte und weitere Interessierte an. Die Teilnehmenden sollen lernen, Fakten über den Klimawandel in ihrem Alltag selbst gut kommunizieren zu können und damit zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren werden. Außerdem bieten wird Action-Planning-Workshops für Schülerinnen und Schüler der Fridays-for-Future-Bewegung an, in denen wir gemeinsam konkrete Maßnahmen für Lüneburg erarbeiten.

„Man kann als Mitglied der Gesellschaft nicht nicht politisch sein kann. Denn jede Handlung reproduziert oder verändert die gemeinsame Welt.“ Harald Hantke
Die Frage, wie politisch Wissenschaft sein darf oder sollte, tangiert das subjektive Politikverständnis. Meine Perspektive, die auf dem „expressionistischen“ Verständnis nach Habermas basiert, ist hierbei, dass man als Mitglied der Gesellschaft nicht nicht politisch sein kann. Denn jede Handlung – also auch die Nichthandlung – reproduziert oder verändert die gemeinsame Welt. Um es vom „klassischen“ Politikverständnis abzugrenzen – wie z.B. dem Verständnis von Politik als Aufgabe von Parteien – arbeite ich gerne mit dem von Ulrich Beck geprägten Begriff „Subpolitik“. Demnach ist Wissenschaft zwangsläufig subpolitisch, da meine Forschungsinteressen oder die Akzentuierung der Lehre letztlich auf eigenen Entscheidungen basieren, die ich subpolitisch treffe – ob ich will oder nicht.


Jens Clausen, Koordinator der Regionalgruppe Hannover

Jens Clausen ist Mitgründer und Senior Researcher des Borderstep Instituts. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in der Gründungs-, Innovations- und Transformationsforschung. Der Diplomingenieur für Maschinenbau promovierte zudem am Institut für Institutionelle und Sozial-Ökonomie der Universität Bremen zum Thema ökologische Produktinnovationen. Foto: Rolf Schulten

Mein Forschungsschwerpunkt sind Nachhaltigkeitsinnovationen und ihre Verbreitung in Märkten und Gesellschaft. Dabei stelle ich immer wieder fest, dass sich nur wenige Innovationen erfolgreich verbreiten und so auch ihr möglicher Beitrag zur Umweltentlastung nicht wirksam erschlossen wird. Grund hierfür sind vielfach durch die Politik falsch gesetzte ökonomische Anreize. Politik orientiert sich deutlich stärker an Pfadabhängigkeiten und Lobbyinteressen als an Herausforderungen der Zukunft. Vor diesem Hintergrund kommt eine Jugendbewegung, die endlich entschlossenes Handeln einfordert, eigentlich viel zu spät, ist aber hochwillkommen. Als Kritik an Expertise und Fachwissen der Jugendlichen laut wurde, war für mich selbstverständlich, die Stellungnahme der Scientists for Future zu unterschreiben, zumal ich am Zustandekommen der Stellungnahme mitgewirkt habe.

Falls genug politisches Momentum zu Stande kommt, wäre es möglich, dass Deutschland endlich umsteuert und beim Klimaschutz vorangeht. Dabei kommt es nicht nur auf den deutschen Anteil der weltweiten Umweltbelastungen an, sondern auch die wichtige Vorbildfunktion des Landes. Jeder zusätzliche Staat der umsteuert, macht es wahrscheinlicher, den bereits heute eintretenden immensen Schaden der Klimakatastrophe doch noch zu begrenzen.

Wie an vielen Orten formieren sich auch in Hannover die Klimaaktivistinnen und -aktivisten und sorgen für Aufmerksamkeit. Natürlich demonstrieren auch Scientists schon an vielen Freitagen, aber unsere zentrale Rolle ist es, Informationen zur Klimakatastrophe, zu technischen Lösungen sowie zu ökonomischen und politischen Handlungsmöglichkeiten in die Debatte hineinzutragen und damit auch Irrtümer und falsche Informationen richtig zu stellen. Scientists in Hannover nehmen an vielen Gesprächen und Diskussionsveranstaltungen teil, äußern sich in der Presse und führen ihre eigene Arbeit, soweit sie einen Beitrag zur Lösung der Probleme leisten kann, engagiert und mit mehr Elan als noch letztes Jahr fort.

„Wissenschaft wird nicht politisch, sondern verändert nur ihre Kommunikationsstrategie.“ Jens Clausen

Überall dort, wo Politik mit Fake News gemacht wird oder wo Politik Erkenntnisse der Wissenschaft ignoriert, greift genau diese Funktion der Scientists in den politischen Prozess ein. Wissenschaft wird so eigentlich nicht politisch, sondern verändert nur ihre Kommunikationsstrategie. Vielmehr geht es in diesem Prozess darum zu erreichen, dass die Politik stärker auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse entsteht und nicht so sehr Pfade der Vergangenheit unreflektiert fortsetzt.


Weitere Stimmen der Scientists for Future aus unserer Reihe: