Science Notes – ein neues Magazin zur Wissenschaftskommunikation, konzipiert von Wissenschaftlern des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen. Wie mit diesem Ansatz junge Menschen erreicht und für Wissenschaft begeistern werden sollen, erklärt Mitherausgeber Olaf Kramer im Interview.
Science Notes – ein neues Magazin für die Wissenschaftskommunikation
Herr Kramer, hinter dem Namen Science Notes verbirgt sich bereits seit 2014 eine Vortragsreihe, in der Wissenschaft mit Musik kombiniert wird. Wie kamen Sie von dieser Veranstaltungsreihe zur Entwicklung des gleichnamigen Magazins?
Die Science Notes Veranstaltungsreihe ist tatsächlich der Ausgangspunkt für das Magazin.
Bei den Science Notes Vorträgen stehen Wissenschaftler im Vordergrund. Sie haben eine Sonderrolle als Menschen, die spannende Arbeit tun und viel zu erzählen haben. Diese persönliche Vermittlung haben wir von der Veranstaltungsreihe in das Heft übertragen. Beispielsweise die Art auf Themen zuzugehen – also eher narrativ, sehr anschaulich und konkret zu sein. Die Idee des Heftes kam im Grunde dadurch zustande, dass wir überlegt haben, ob man so etwas auch in Printform umsetzen könnte.
Denn immerhin sind in den letzten Jahren trotz Internet einige neue Printmagazine entstanden, die gerade auch jüngere Menschen ansprechen. Zeitschriften wie beispielsweise Dummy oder Fluter. Wir haben uns gefragt, ob man so etwas auch zum Thema Wissenschaft hinkriegen könnte.
Und durch die Printform erreichen Sie Ihre angestrebte Zielgruppe im Alter von 18–35 Jahren besser?
Wir haben keine statistischen Erhebungen dazu, sondern die Beobachtung aus dem Zeitschriftenmarkt mitgenommen. Aus Gesprächen mit Studierenden wissen wir, dass ein Printmedium als etwas Besonderes wahrgenommen wird. Die gleiche Information im Internet hatte für sie eine geringere mediale Wertigkeit. In der Printvariante ist die Wertigkeit der visuellen Gestaltung, die auch bei der Veranstaltungsreihe eine große Rolle spielt, besser zu realisieren, als das online der Fall wäre. Das war noch ein weiterer Grund, den Weg zu Print zu wagen.
Wir haben das Ganze auch bewusst immer Experiment genannt. Es ist durch die Printform ungewöhnlich, aber es ist auch eine ungewöhnliche Art über Wissenschaft zu schreiben. Wir werden erst anhand der Resonanz auf die ersten Hefte erkennen, ob unsere Idee richtig ist und diese Form ihre Leser findet.
Was ist der Trick für den Erfolg des Science Notes Konzepts, der Sie zu einer Weiterentwicklung in Form des Magazins motiviert hat?
Wissenschaft in den öffentlichen Raum zu bringen, funktioniert in Form dieser Veranstaltung sehr gut. Wir haben regelmäßig sehr lange Schlangen am Einlass und in wenigen Minuten ist der Saal voll. Dies ist eine Erfahrung die wir öfter machen, auch in großen Städten mit viel Konkurrenzveranstaltungen. Das war der Anlass, sich zu fragen, wie man dieses Science Notes Idee weiter entwickeln könnte.
Ein wichtiger Punkt ist, dass bei uns der Wissenschaftler oder die Wissenschaftlerin als Person greifbar wird. Oft verstecken sich Wissenschaftler hinter ihrem Ergebnis. Das versuchen wir zu vermeiden. Die Person des Forschenden wird in den Mittelpunkt gestellt und sie erzählt auch darüber, wie Forschung funktioniert. Wenn man Forschung eher in diesem Prozesscharakter darstellt und von der Ergebnisfixierung etwas weggeht, entwickelt man letztlich auch mehr Vorstellungen bei Menschen davon, wie Wissenschaft funktioniert. Dann wird verständlicher, dass Wissenschaftler unter bestimmten Umständen ein wissenschaftliches Ergebnis produzieren, von dem sich dann ein paar Jahre oder Jahrzehnte später herausstellt, dass diese Prognose nicht stimmt, weswegen ein besseres Modell notwendig ist und erstellt wird. Das zu verstehen ist eine gute Immunisierungsstrategie gegen Wissenschaftsskepsis, die sich immer wieder daran entzündet, dass Wissenschaftler widersprüchliche Modelle anbieten, Forschung sich immer wieder selbst korrigiert. Wissenschaftsskepsis hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass man wenig darüber weiß, wie Wissenschaft als Prozess funktioniert. Es ist etwas sehr Spannendes, wenn man an der Geschichte und der Dramatik, die damit verbunden ist, teilhaben kann. Das heben wir beim Event sehr stark hervor und versuchen es jetzt auch in den Beiträgen umzusetzen.
Wer schreibt hier – Wissenschaftler oder Journalisten?
Es sind journalistische Texte und wir haben uns auch bewusst dafür entschieden. Vorträge zu halten sind Wissenschaftler gewohnt. In journalistischer Form über ihre Arbeit zu schreiben, ist aber noch einmal eine ganz eigene Herausforderung. Es kann also unter Umständen ein weiter Weg sein, um Wissenschaftler dazu zu bringen, einen guten Text über ihre Arbeit zu schreiben. Deshalb ist unsere Wahl auf Journalisten gefallen.
Wir haben eine Ausschreibung im Netz gemacht und darum gebeten, dass sich interessierte Autoren melden. Positiv überrascht hat uns, dass sich durchaus prominente Wissenschaftsjournalisten, Fotografen und Grafiker gemeldet haben, die meinten, sie würden es gerne einmal ausprobieren. Es hat uns viel Mut gemacht, dass die Fachcommunity so positiv auf die Idee mit dem Magazin reagiert hat, obwohl wir ja echt von Null gestartet sind. Man merkte, die Journalisten haben Lust auch anders über Wissenschaft zu schreiben.
Was ist anders an der Art wie Science Notes über Wissenschaft schreibt?
Anders über Wissenschaft zu schreiben, heißt hier, in einem etwas emotionaleren Ton und mit einer persönlicheren Perspektive. Wir wollen nah am Forscher und am Forschungsprozess bleiben.
Anschaulichkeitseffekte spielen für uns auch eine große Rolle. Wir zeigen wissenschaftliche Versuchsaufbauten oder Ergebnisdarstellungen, die oft eine ganz eigene Ästhetik haben. Sie darf dabei auch eher erdig als Hochglanz sein, was ganz gut zum Arbeitsleben eines Wissenschaftlers und zur Forschung passt.
Welche Themen behandeln Sie bei Science Notes?
Es geht darum, ein wissenschaftliches Thema zu finden, in dem auch die naturwissenschaftlichen Disziplinen stark vorkommen und welches in irgendeiner Form gesellschaftliche Resonanz hat. Auch das haben wir bereits bei der Vortragsreihe so gehandhabt und hatten daher hier immer noch den Untertitel: „Unsere Zukunft in 5×15 Minuten“.
Warum haben Sie sich entschieden, das Magazin monothematisch aufzuziehen?
Das war uns sehr wichtig und kommt auch von den Veranstaltungen, die monothematisch organisiert sind. Es ist ein radikaler Ansatz, denn eine klassische Zeitschrift bietet eher ein breites Spektrum an Themen an, um alle Leute zu erreichen. Wir haben aber durch die Veranstaltungen gesehen, wie spannend es ist, wenn verschiedene Beiträge zu einem Thema sich bespiegeln. Es tut sich eine Art Panorama auf, zu dem auch Gegensätze und Widersprüche gehören können. In unserem ersten Heft bedeutet es, dass es gemäß dem Thema „Optimal“ Artikel enthält, die beispielsweise Optimismus ausstrahlen, weil das Optimum erreicht wird. Andere Artikel beschreiben, wie das Ringen um das Optimum eine problematische Sache sein kann. Diese Gegensätze zu sehen, finde ich sehr spannend und es gibt dem Heft noch einmal einen besonderen Reiz.
Wie finanzieren Sie das Magazin?
Ermöglicht wird dieses Experiment durch die Klaus Tschira Stiftung. Durch die finanzielle Unterstützung konnten wir ein super Team zusammenbringen, das Lust hat, etwas Neues auszuprobieren und viel Herzblut in diese erste Ausgabe gesteckt hat.
Wie oft soll das Heft erscheinen?
Geplant ist ein zweites Heft, das im September erscheinen wird. Wir sind sehr gespannt auf die Reaktionen auf die ersten Hefte, um zu sehen, wie es weitergehen kann.
Weitere Information:
Olaf Kramer berichtet über das Projekt „Science Notes“ im Videointerview.