Foto: ©WDR/Annika Fuflwinkel

Science Cops: Mit Witz und Wissenschaft gegen Fake News

Heilendes Lichtwasser? Bei solchen Versprechen werden die „Quarks Science Cops“ Maximilian Doeckel und Jonathan Focke skeptisch. In ihrem Video-Podcast entlarven sie im 80er-Jahre-Detektivstil „unwissenschaftlichen Unfug“. Die größte Herausforderung: dabei nicht wie „arrogante Besserwisser“ zu wirken.

Jonathan Focke (links) ist Wissenschaftsjournalist und seit 2012 Redakteur und Reporter bei Quarks. 
Max Doeckel (rechts) hat in Dortmund Wissenschaftsjournalismus studiert und ist seit 2017 Redakteur beim WDR. Als Hosts des Podcasts Quarks Science Cops haben sie sich auf die Ermittlung gegen unwissenschaftlichen Unsinn spezialisiert. Foto: ©WDR/Annika Fußwinkel

Die Science Cops katapultieren die Zuhörer*innen direkt in die 80er Jahre. Im Detektiv-Stil ermitteln Sie mit viel Humor gegen unseriöse Akteur*innen, die Desinformation verbreiten. Wie entstand die Idee, einen Faktencheck-Podcast in diesem Stil aufzuziehen?

Jonathan Focke: Auf Instagram haben uns Seiten wie „Faktastisch“ und „Faktglaublich“ mit ihren Pseudofakten wie „Laut einer Studie machen Oreo-Kekse süchtiger als Heroin“ ziemlich genervt. Auf unserem Quarks-Instagram-Kanal haben wir angefangen, diesen Unsinn aufzuklären.
Das kam so gut an, dass wir beschlossen haben, daraus einen Podcast zu machen. Den wollten wir 2020 starten, aber dann kam Corona und mit der Pandemie viel Desinformation. Für uns war klar, dass wir uns jetzt nicht mehr mit Themen wie „Hilft Rotwein, besser zu schlafen?“ beschäftigen können, sondern uns diesen Pseudowissenschaften rund um Covid widmen müssen. So beschäftigte sich unsere erste Folge gleich mit Sucharit Bhakdi, der während der Pandemie im großen Stil verharmlosende und falsche Thesen über Covid-19 verbreitete. Ursprünglich war dies nur als Sonderfolge geplant. Sie wurde dann aber zum Regelformat, weil all diese Strategien, die ein Bhakdi anwendet, auch andere in diesem pseudowissenschaftlichen Bereich anwenden. Die Idee, das im Detektiv-Stil zu machen, kam eher spontan, weil wir das lustig fanden. So hat der Podcast einen hohen Wiedererkennungswert.

Sie sagen nicht nur, dass etwas Unsinn ist. Die Zuhörer*innen begleiten die Science Cops bei ihren Ermittlungen und dabei, wie sie Studie für Studie ihr Urteil begründen. Warum ist Ihnen dieses systematische Vorgehen wichtig?

Maximilian Doeckel: Die meisten Faktenchecks, die es gibt, gehen uns nicht tief genug. Man muss den Leuten genau erklären, warum es Unsinn ist, damit sie es Schritt für Schritt nachvollziehen können.

Focke: Auf diese Weise wollen wir die Wissenschaftskompetenz der Menschen fördern. Damit sie selbst wissen, worauf sie achten müssen und skeptischer werden. Im besten Fall funktioniert das dann wie ein Sicherheitsschloss im Kopf, mit dem man gewappnet ist: Wann sollte ich skeptisch werden, wenn mir jemand ein Wundermittel oder irgendeine Sensation verkaufen will?

Neben dem Ziel, die Wissenschaftskompetenz der Menschen zu erhöhen und sie damit widerstandsfähiger gegen Desinformation zu machen: Welche weiteren Ziele verfolgen Sie mit dem Podcast?

Doeckel: Wir wollen den Leuten eine Argumentationsgrundlage an die Hand geben, damit sie sich in Diskussionen mit Leuten, die an Unsinn glauben, behaupten können.

Focke: Neulich hat uns ein Friseur geschrieben, der sehr dankbar für unseren Podcast ist, weil er jetzt endlich Argumente hat, die er seinen Kundinnen und Kunden, die auf Desinformation reingefallen sind, entgegenhalten kann.

Doeckel: Ich freue mich auch immer über Mails von Hausärztinnen und -ärzten, die uns danken, dass sie nun endlich wissen, wie sie mit ihren Patientinnen und Patienten diskutieren können, die beispielsweise von der Homöopathie überzeugt sind. Das ist das Ziel unseres Podcasts. Wenn wir gleichzeitig auch direkt Menschen erreichen, die zum Beispiel von Homöopathie überzeugt sind,  und sie es nach dem Podcast nicht mehr sind, freut uns das umso mehr.

„Wir wollen den Leuten eine Argumentationsgrundlage an die Hand geben, damit sie sich in Diskussionen mit Leuten, die an Unsinn glauben, behaupten können." Maximilian Doeckel

„Ihr seid arrogante Besserwisser“: Dieser Kritik stellen Sie sich selbstironisch. Dieser Vorwurf basiert auf der Annahme, dass Faktencheck-Formate die Menschen nicht erreichen, weil sie sich bevormundet fühlen. Wie versuchen Sie im Podcast eben nicht als „arrogante Besserwisser“ herüberzukommen?

Focke: Für uns ist es eine Grundhaltung, dass wir unseren Hörerinnen und Hörern nicht vorwerfen wollen, dass sie bestimmte Produkte verwenden. Uns geht es darum, die Menschen zu schützen. Wir sind selbst oft erstaunt, mit welchen Techniken gearbeitet wird. Jeder Mensch kann auf Scharlatane hereinfallen. Dieses Verständnis versuchen wir in unseren Sendungen klar zu machen und so dieser Kritik der „Besserwisserei“ zuvorkommen.

Doeckel: Bei der Konzeption des Podcasts haben wir lange überlegt, wie wir grundsätzlich mit dem Problem von Faktenchecks umgehen, dass die Wiederholung von Falschinformationen diese für manche Menschen glaubwürdiger macht. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, dass in jeder Sekunde klar sein muss, dass das, worüber wir sprechen, zum Beispiel eine alternative Krebstherapie, Unsinn ist. Diese unverrückbare Haltung mag arrogant wirken, aber sie ist wichtig, damit gar nicht erst Zweifel aufkommen, dass da etwas dran sein könnte.

„Wir sind selbst oft erstaunt, mit welchen Techniken gearbeitet wird. Jeder Mensch kann auf Scharlatane hereinfallen." Jonathan Focke

Focke: Uns wird auch vorgeworfen, dass wir Menschen, die ohnehin an eine bestimmte Heilmethode glauben, nicht erreichen. Zumindest einen Teil dieser Menschen erreichen wir sehr wohl. Das merken wir an vielen Mails, die wir bekommen. Leuten sagen, dass sie jahrelang von etwas überzeugt waren, aber nachdem sie den Podcast gehört haben, anders darüber denken, weil sie unsere Argumentation nachvollziehen konnten. Das bestätigt uns, dass wir mit unserem Ansatz auf dem richtigen Weg sind.

Oft wird behauptet, Wissenschaftskommunikation solle bei den Fakten bleiben und keine persönliche Meinung einfließen lassen. Sie scheuen sich nicht, im Podcast Ihre Meinung zu Themen klar zu benennen. Wie meinungsbetont darf Wissenschaftsjournalismus sein?

Focke: Wir sind der Überzeugung, dass wissenschaftliche Fakten am Ende nicht eine Meinung unter vielen sind, wie es häufig abqualifiziert wird. Wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse sind die besten Erkenntnisse, über die wir verfügen.
Es kann gefährlich werden, wenn man sich auf solche Therapien einlässt, die einem möglicherweise schaden oder davon abhalten, eine wirksame Therapie zu machen. Besonders beim Klimawandel, der eine große gesellschaftliche Dimension hat und bei dem Desinformation schwere Schäden anrichten, ist Wissenschaft die bessere Erkenntnismethode als irgendein hingepöbelter Kommentar im Internet. Daher finden wir es völlig legitim, diese Meinung auch so zu vertreten.

Doeckel: Man sollte aber immer deutlich machen, dass es sich um eine persönliche Meinung handelt. Das muss man gut trennen. Man muss aber Unsinn auch als Unsinn bezeichnen dürfen.

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Warum war es Ihnen wichtig, dass der Podcast auch als Video verfügbar ist?

Focke: Zuerst gab es eine sechsteilige Serie, eine Art semi-fiktionales Format, in dem wir unsere besten Fälle nachgespielt haben. Damit haben wir einen Kanal auf YouTube gestartet. Die Serie war ein Erfolg. Unser erstes Video hatte auf Anhieb 200.000 Klicks. Leider können wir damit nicht weitermachen, weil die Produktion sehr aufwendig und teuer war.
Da wir diese Serie aber sowieso auf YouTube veröffentlichen wollten, kam uns die Idee, diesen Podcast auch auf Videoebene auszuprobieren. Am Anfang waren wir skeptisch, ob sich überhaupt jemand dafür interessiert, uns zuzuschauen, immerhin reden wir über eine Stunde und bildlich passiert nicht viel. Aber es kam gut an.
Wahrscheinlich auch, weil die Leute unsere nonverbalen Reaktionen sehen wollen. Wir kommentieren viel mit Blicken und Gesichtsausdrücken, das scheint sehr unterhaltsam zu sein.

Sie kommen beide aus dem Journalismus. Haben Sie sich speziell auf die Schauspielerei vorbereitet?

Doeckel: Nein, wir hatten beide überhaupt keine Schauspielerfahrung. Unser Regisseur meinte, wir sollten mal ausprobieren, wie wir vor der Kamera wirken. Während der Aufnahme des Podcasts ist er dann mit einer Kamera um uns herumgelaufen und hat sie uns absichtlich ganz nah ins Gesicht gehalten, um zu sehen, wie wir damit umgehen. Er war zufrieden und so sprangen wir ins kalte Wasser und haben die Pilotfolge für die Serie gedreht.

Sie nähern sich mit dem Podcast der 100. Folge. Was sind die größten Learnings der letzten Jahre?

Focke: Das traurigste Learning ist, dass uns die Fälle nicht ausgehen. Wir staunen, wie sich die Liste mit potenziellen Themen schneller füllt, als wir unsere Folgen hinterher schieben können.

Doeckel: Das wichtigste Learning ist: Es sind immer die gleichen Methoden, mit denen Desinformation verbreitet wird. Es sind andere Dinge, die in Frage gestellt werden: Der Klimawandel sei nicht menschengemacht, Rauchen sei gar nicht schädlich und so weiter. Aber die Methode dahinter lässt sich auf 10 bis 15 Kernargumente reduzieren. Das hat für uns immerhin den Vorteil, dass wir diese Methode kennen, sie immer wieder auf unsere Fälle anwenden und vor allem: dieses Wissen weitergeben können.