„2 im…“ stellt die private Seite von Menschen vor, die im Hauptberuf Wissenschaftler sind. Wie das Format aussieht beschreibt Florian Frisch vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. Er entwickelte dieses Kommunikationsformat gemeinsam mit Lena Herlitzius von Triple Helix DIALOG.
Raus aus der Komfortzone!
Wieland Huttner, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden, lässt den letzten Akkord verklingen. In dem Lied, das der Mediziner und Neurobiologe selbst komponiert und gerade dem Publikum in der Hotelbar dargeboten hat, ging es um Zellpolarität, um Epithelgewebe und um Endosome. Brigitte Voit, Direktorin des Leibniz-Instituts für Polymerforschung hatte zuvor von ihrer Leidenschaft, dem Surfen, erzählt – am liebsten frönt sie diesem Hobby auf Hawaii, oder auch auf dem Gardasee. Nun nippt sie an ihrem Cocktail. Das Publikum ist begeistert, in den Applaus hinein beginnt Huttner das nächste Lied: „Das war noch nicht alles! Das hier ist für meine Frau – Gisela, wir sind jetzt 40 Jahre zusammen.“ Es folgt ein wunderschönes Liebeslied. Es wird ganz still, alle lauschen gerührt.
Dieser große Showmoment ist genau, was das Format „2 im…“ erreichen will: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollen ihre private, persönliche Seite zeigen, sie sollen als sympathische Menschen erlebbar gemacht werden – mit ihren Leidenschaften, ihrer Lebensgeschichte, auch mit ihren Fehlern und Fehltritten, und schließlich mit Begabungen, die im wissenschaftlichen Alltag nicht zählen und kaum sichtbar werden. Wie etwa das Komponieren und Klavierspiel von Wieland Huttner. Dazu beschnuppert sich ein Wissenschafts-Duo vor Publikum einen Abend lang, idealerweise vertreten sie komplett unterschiedlichen Disziplinen. Beide müssen gemeinsam Spiele durchstehen, herumalbern, plaudern und quatschen, musizieren, spontan reagieren und Herausforderungen meistern. Das Ganze findet an außergewöhnlichen Orten in und um Dresden statt, die an dem Abend an mehreren Stationen bespielt und so von der Abendgesellschaft erschlossen und erobert werden. Der Rahmen soll relativ intim und unmittelbar sein, deshalb wird das Publikum auf maximal 50 Personen begrenzt.
Frech und trotzdem freundlich
Die Premiere des Formats fand Anfang 2014 als „2 im Turm“ in den Technischen Sammlungen Dresden statt. Dabei lernten sich die Biologin Suzanne Eaton und der Materialwissenschaftler Gianaurelio Cuniberti kennen und wanderten dabei vom Wissenschaftstheater mit Blitzshow durch das nächtliche Museum in das Turmcafé mit einem atemberaubenden Blick über Dresden. Sie mussten unter anderem eigene Publikationen in verschiedenen Rollen lesen – als Operntenor, Softporno-Star oder Kermit, der Frosch. Der Italiener Cuniberti demonstrierte außerdem, wie man ein richtig gutes Pesto herstellt und erklärte, was die Nanotechnologie genau will.
Im Sommer hieß es dann „Leinen los!“, als der britische Zellbiologe Tony Hyman, Max-Planck-Direktor, und Holger Brandes, Rektor der Evangelischen Hochschule Dresden, bei „2 im Boot“ einen Elbedampfer kaperten. Brandes brachte selbstgemalte Bilder mit, Hyman spielte Vivaldi auf der Querflöte. An dem Abend ging es viel um stereotype Geschlechterrollen, die Brandes erforscht: Beide mussten deshalb auch mit blonden Perücken in die Rollen von jungen Doktorandinnen schlüpfen und sich doof sexistisch anmachen lassen. Oder sich als männlicher Erzieher bei einer erzkonservativen Leiterin einer Kita bewerben – und sich subtil sexistisch anmachen lassen. Der Abend kann also für die Wissenschaftler auf der Bühne schon ganz schön fordernd werden. Nicht umsonst ist die Tagline der Veranstaltung: „2 Wissenschaftler im Stresstest“. Raus aus der Komfortzone! Weg von immer gleichen Themen! Nicht zu viele Konventionen! Frech und trotzdem freundlich – so packt das Format seine Gäste an. Denn so lernt man Menschen mal ganz anders kennen, ohne sie aber bloßstellen zu müssen.
„2 im Hotel“ mit Wieland Huttner und Brigitte Voit endete, wie schon beschrieben, an der Hotelbar des Maritim Hotels Dresden – bei Cocktails und mit selbstgemachter Klaviermusik. Zuvor konnte man die beiden in der Präsidentensuite zu allem möglichen befragen, und mit ihnen von der Bühne des Internationalen Congress Center in den riesigen Zuschauersaal blicken – so sieht das also für einen Wissenschaftler als Keynote Speaker bei einem großen Kongress aus! Im September 2016 griff das Format schließlich schon nach den Sternen: “2 im All” brachte die Fruchtfliegenforscherin Elisabeth Knust und Hans Müller-Steinhagen, Rektor der Technischen Universität Dresden, in die Sternwarte in Radebeul nahe Dresden. In Astronautenkluft mussten die beiden Tubennahrung am Geschmack erkennen, im Planetarium einen Mini-Science-Slam bestreiten, um dann draußen mit Blick auf das Elbtal unter dem echten Sternenhimmel am Lagerfeuer mit dem Publikum zu singen und von der Jugend zu erzählen.
Ganz normale Menschen
Ist es nicht erfrischend, wenn man hört, dass auch ein Max-Planck-Direktor sein Abi erst vermasselt und in einem Fahrradladen als Mechaniker gejobbt haben kann, um später doch noch die Kurve zu kratzen? Dass die Biographien von hochrangigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern also auch durchaus Dellen und Zacken haben? Dass auch solche Menschen, die ihr Fachgebiet rauf und runter erklären können, in einem witzigen Rollenspiel einfach mal auf dem Schlauch stehen können und ihnen die guten Ideen ausgehen? „2 im…“ will seine Protagonistinnen und Protagonisten bei weitem nicht vorführen und sie lächerlich machen, aber zeigen: Das sind auch nur ganz normale Menschen. Ganz normale Menschen und doch spannende Persönlichkeiten mit tollen Geschichten und einem faszinierenden Beruf.
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.