Der Podcast des SFB 1288 „Praktiken des Vergleichens“ an der Uni Bielefeld möchte Theorie und Praxis verbinden. Im Gastbeitrag berichtet Rebecca Moltmann von ihren Erfahrungen mit dem Format: Wie entstand der Podcast „Praktisch Theoretisch“, was war schwierig, und warum lohnt es sich trotzdem?
„Praktisch Theoretisch“ – Wissenstransfer mit Podcasts
Fake News, Skepsis gegenüber der Wissenschaft, über soziale Medien viral gehende Meldungen – durch diese Entwicklungen der letzten Jahre, verstärkt durch den digitalen Wandel, muss ‚die Wissenschaft‘ sich vermehrt und bewusster denn je erklären, sich positionieren, präsent sein.
Vor allem in den Geisteswissenschaften sind jedoch nach wie vor Fachpublikationen, Debatten in Seminarräumen und Hörsälen oder – im besten Falle – im Feuilleton die vertrauten Kommunikationskanäle. Transfer und Austausch von Wissen bleiben so aber vor allem auf Scientific Communities und ein wissenschaftsnahes und -interessiertes Publikum beschränkt. Dieser Austausch ist natürlich zentral und die fachliche Diskussion von Forschungsergebnissen und -prozessen Kernaufgabe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Schnelle Plattformen, langsame Verwaltungsapparate
Was kommt aber nach dieser Kernaufgabe? In welchem Maße sollten Forschende darüber hinaus kommunizieren, den Austausch mit der Praxis und anderen gesellschaftlichen Gruppen suchen? Und was haben sie davon? Die Frage nach möglichen Aufgaben und Verpflichtungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern reicht viel weiter und soll hier deswegen vor allem darauf fokussieren, wie man etwa andere Zielgruppen erreicht, der Forschung mehr und andere Sichtbarkeit verleiht, nicht-akademischen Öffentlichkeiten näherkommt und dadurch Input, Rückmeldungen und Austausch mit diesen gewinnen kann.
Das sind im universitären Kontext Fragen und Felder der Hochschulkommunikationsabteilungen. Ein Problem ihrer Weiterentwicklung ist aber, dass sie unter anderem durch ihre Einbettung in den Verwaltungsapparat gezwungenermaßen langsamer ist als beispielsweise in Unternehmen, Start-ups etc. Es gibt lange im Voraus geplante Kommunikationsstränge, -themen und Social-Media-Posts, häufig nicht genug Personal, um mit der Schnelligkeit von Plattformen wie Twitter oder Instagram Schritt zu halten, oder gar ‚Trends‘ aufzugreifen.
Ein aktueller Kommunikationstrend – der nicht neu ist, aber seit einigen Jahren sehr präsent, zurzeit vielleicht sogar auf einem Peak (New York Times: „Have We Hit Peak Podcast?“) – sind Podcasts. Viele ‚Influencerinnen und Influencer‘ ergänzen ihre Blogs, Youtube- und Instagram-Kanäle mit ihnen, statt dem Selbsthilfebuch ist der Selbsthilfepodcast populär, und auch die Wissenschaftskommunikation hat das Format für sich entdeckt. Dennoch gibt es, im Kontrast zu anderen Themenfeldern, noch vergleichsweise wenig Wissenschaftspodcasts, die im universitären Kontext, d.h. durch Universitäten bzw. ihre Abteilungen für Hochschulkommunikation entstehen. Ein Grund dafür könnte die erwähnte Langsamkeit der Wissenschaft und vor allem ihrer institutionellen Kommunikationsabteilungen. Durch die festen Strukturen wird Flexibilität erschwert – auf Podcasts, die sozusagen ‚privat‘ von Forschenden produziert werden, trifft das natürlich nicht zu.
‚Projekt Podcast‘
Etwas bessere Voraussetzungen haben vielleicht, jedenfalls auf dem Papier, Drittmittelprojekte. Sie verfügen normalerweise über größere finanzielle Ressourcen, haben im Falle von Großprojekten, wie Sonderforschungsbereichen (SFB), relativ viel Personal und, je nach Förderlinie, spezifisch für Wissenschaftskommunikation beantragbare Mittel.
Wie der Name schon verrät, geht es hier um die Verknüpfung von Theorie und Praxis und den Versuch, eine (oder mehrere) praktische Fragen wissenschaftlich und theoretisch zu beantworten. Dazu gehörten bisher unter anderem: Belebt Konkurrenz eigentlich wirklich das Geschäft? Wie werden Menschen böse? Warum vergleichen wir und können wir aus der Geschichte lernen? Diese Fragen werden im Gespräch mit Forschenden diskutiert, meistens in 40-60-minütigen Episoden. Das Vergleichen ist mal mehr, mal weniger gezielt Teil der Unterhaltungen – spielt aber interessanterweise, unabhängig davon, immer wieder eine Rolle und stützt damit die These des SFB, dass das Vergleichen eine allgegenwärtige, eingeschliffene Praktik ist.
Wieso ist das Ganze also dennoch lohnenswert?
In der Wissenschaftskommunikation sieht man sich immer wieder mit der Frage – und Sorge – konfrontiert, ob die Projekte, die man entwickelt und angeht, die Themen und Inhalte, die man kommuniziert, auch wirklich Menschen erreichen. Und vor allem auch, ob sie relevant genug sind, um überhaupt außerhalb einer engeren Scientific Community kommuniziert zu werden.
Einer der größten Vorteile von „Praktisch Theoretisch“ – und den dazugehörigen Social-Media-Kanälen, Twitter und Instagram – ist, unmittelbar Feedback zu bekommen, Aufrufstatistiken sehen zu können, Kommentare und Vorschläge zu Themen oder Gästen. Dieser schnelle und teilweise auch deutlich leichtere Austausch mit dem Publikum ermöglicht es, Anmerkungen umzusetzen, auf Vorschläge zu reagieren und dadurch Folgen zu produzieren, die in gewisser Weise im Dialog mit der Zielgruppe entstehen.
Die wichtigste Voraussetzung dieser Effekte ist natürlich die technische Entwicklung und somit die Existenz besagter Formate und Kanäle. Wie Wissen produziert, vermittelt und ausgetauscht wird – also die Praktiken der Wissenschaftskommunikation und des Wissenstransfers –, hat einen entscheidenden Impact und wirkt sich somit auch unmittelbar auf die Wissensinhalte selbst aus. Im Fall von „Praktisch Theoretisch“ können zum Beispiel die Hörerinnen und Hörer die Inhalte beeinflussen, mit vorab gestellten Fragen die Gespräche in eine bestimmte Richtung lenken und somit etwa Antworten oder Stellungnahmen einfordern, was die finale Podcastfolge maßgeblich beeinflussen kann.
Projektsteckbrief
Wissenschaftspodcast „Praktisch Theoretisch“ im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1288 „Praktiken des Vergleichens. Die Welt ordnen und verändern“
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Budget/Finanzierung: Der SFB 1288 wird seit Januar 2017 mit ca. 9 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für zunächst 4 Jahre gefördert. Der Podcast „Praktisch Theoretisch“ existiert seit April 2019 und entsteht ohne designiertes Budget im Rahmen des Wissenschaftskommunikationsteilprojekts (TP Ö).
Ziele: Zur Vielfalt geisteswissenschaftlicher Themen in Wissenschaftspodcasts beitragen; spannende praktische Fragen mit wissenschaftlicher Theorie beantworten; das Vergleichen als Forschungsthema vorstellen; Wissenstransfer
Zielgruppen: Hochschulen (Studierende, Forschende), wissenschaftsinteressiertes Publikum, Kommunikatorinnen und Kommunikatoren sowie Journalistinnen und Journalisten
Zahlen zur Zielerreichung: Die Hörstatistiken variieren je nach Folge und liegen aktuell ca. zwischen 50 und 250 Downloads (komplette Downloads, keine ungefilterten/begonnenen Downloads oder ähnlich verzerrende Zahlen).
Weitere Informationen: https://praktischtheoretisch.podigee.io und https://www.uni-bielefeld.de/sfb1288
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsweise die Meinung der Redaktion wider.