Welche Ansätze nutzt die Wissenschaft, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen? Wir haben Forschungsverbünde, Universitäten und Institutionen zu ihrem Vorgehen dazu befragt.
Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Wissenschaft (3)
Im dritten Teil dieser Statement-Reihe berichten Vertreterinnen und Vertreter von Forschungseinrichtungen und Universitäten, welche Strategien sie verfolgen, um Wissenschaft in die Politik zu bringen. Sie nennen Ihren Auftrag, die eingesetzten Formate für den Austausch und auch Chancen und Grenzen der Kommunikation.
Felix Müller verantwortet am IRS die Wissenschaftskommunikation durch Eigenmedien und Pressearbeit und kommt selbst aus der Forschung.
Das Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) ist ein kompetenter Partner bei Themen der Raumentwicklung und des sozialen Wandels in Städten, Dörfern und Regionen. Sei es die Digitalisierung auf dem Land oder die dezentrale Steuerung der Energiewende, das IRS erforscht Themengebiete, die für Politik und Gesellschaft von hohem Interesse sind. Sichtbare Kompetenz – vermittelt durch Publikationen, Vorträge, Veranstaltungen, Eigenmedien, mediale Berichterstattung, Netzwerke aus Projekten– ist damit das strategische Fundament für Kontakte in den politischen Raum. In diesem ist jedoch „die Politik“ im engen Sinn – Abgeordnete, Parteien, Ministerien, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister – nur eine Gruppe. Ebenfalls dazu zählen Verwaltungen, Planungseinrichtungen, Initiativen, Verbände, Sozialunternehmen und engagierte Individuen.
Gemäß der Leibniz-Maxime „theoria cum praxi“ versucht das IRS, Forschung und Praxis grundsätzlich zusammen zu denken. Für unseren Wissenstransfer folgen wir entsprechend einem dialogischen Ansatz, der den Austausch auf Augenhöhe zwischen Wissenschaft und Praxis in den Vordergrund stellt. Viele IRS-Projekte folgen dem Ideal der transdisziplinären Forschung und werden mit Praxisakteuren gemeinsam durchgeführt. Auch unsere Grundlagenforschung wird regelmäßig von praktischen Problemen inspiriert.
Zur Kommunikation in den politischen Raum nutzen wir eine große Bandbreite von Formaten. Wir treten dort auf, wo eine politisch-professionelle Fachgemeinde sich trifft, etwa auf dem jährlichen „Zukunftsforum Ländliche Entwicklung“. Wir beteiligen uns an Transferformaten der Leibniz-Gemeinschaft, wie „Leibniz im Bundestag“ und parlamentarischen Abenden. Auch im informellen, vertraulichen Rahmen tauschen Politikakteure und Forschende des IRS sich aus. Das IRS selbst organisiert Transferkonferenzen und Praktikerworkshops. Wir veröffentlichen Policy Papers in einer hauseigenen Reihe. Und in den halbjährlich stattfindenden „Brandenburger Regionalgesprächen“ nutzen wir unsere Nähe zu Berlin und unsere Verankerung in Brandenburg, um Probleme von nicht nur regionaler Bedeutung mit Akteuren aus der Region zu diskutieren. Dank dieser Präsenz kommen Politikakteure mit ihren Fragen auch auf das IRS zu.
Wenig effektiv sind dagegen stark meinungsgeladene Vorstöße, noch dazu, wenn die Zielgruppe unklar abgegrenzt ist. Wenig erstrebenswert für uns ist auch das Reproduzieren normativ gefärbter Erzählungen, in die periodisch neue Befunde eingewoben werden. Mit der wissenschaftlichen Unabhängigkeit als Leibniz-Institut kommt für uns auch der Anspruch, allen politischen Agenden, sofern sie fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehen, sowohl mit Offenheit als auch mit kritischer Distanz zu begegnen.
Patrick Honecker ist Dezernent für Kommunikation und Marketing der Universität zu Köln
An der Universität zu Köln existieren vielfältige Verbindungen zur Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. Nicht zu unterschätzen ist dabei der enge Draht zur Stadt.
Die Kölner Wissenschaftsrunde ist die institutionalisierte Form des Austausches, hier treffen sowohl Leitungs- als auch Arbeitsebene zusammen.
Der Bogen ist dabei weit gespannt, von regelmäßigen Treffen in kleiner Runde, über öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen an den Orten der Wissenschaft oder im Rathaus bis hin zu gemeinsam durchgeführten Schwerpunktreihen.
Die Themen des Austausches sind vielfältig. Ein paar Beispiel:
- Die Politik holt sich Anregungen und Informationen in Bezug auf Seuchenbekämpfung und ethischen Umgang mit Erkrankten.
- Regelmäßig tauscht man sich aus über die konstruktive Begleitung von Migration.
- Das Thema qualifizierte Inklusion führt sogar zu einem gemeinsamen Schulprojekt, bei dem neben der Stadt und der Universität auch das Land mitwirkt.
- Die Hochschule forciert zudem eine städtische Weiterentwicklung, die die Bedürfnisse von Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler berücksichtigt.
Man sieht also, politische Kommunikation und Beratung gehört zum „Tagesgeschäft“ von Hochschulen. Grundsätzlich ist die politische Kommunikation zunächst und vor allem „Chefinnen und Chefsache“ und deshalb bei den Hochschulleitungen aufgehängt. Es zeigt sich aber, dass in der täglichen Beratung vielfältige und unterschiedliche Bereiche und Personen der Hochschulen eingebunden sind und Aufgaben in unterschiedlichen Prozessen übernehmen.
Was dabei nie vergessen werden darf: Städtische Verwaltungen und Ministerien sind in der Regel durch stärkere Hierarchien, Zuständigkeiten und Vorschriften geprägt als Hochschulen, es gibt Kompetenz- und Abstimmungsstrukturen, die parteilich beeinflusst sein können. Eine Kenntnis dieser Strukturen sollte vorhanden sein und kann von den Hochschulen genutzt werden, um die eigenen Themen stärker einbringen zu können.
Eva Feldmann-Wojtachnia ist Leiterin der Forschungsgruppe Jugend und Europa am Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Unser Wirkungsfeld ist der Forschungsbereich „Jugend und Europa”. Uns geht es an der Schnittstelle zwischen Politikwissenschaft und der Praxis der politischen Bildung darum, evidenzbasiert Konzepte und Modelle zu entwickeln, mit denen die demokratischen Kompetenzen, ein Bewusstsein für europäische Werte sowie die Partizipation von jungen Menschen gestärkt wird. Zur Fortentwicklung der europäischen Jugend- und Bildungspolitik erachten wir Dialogformate für essentiell, in denen junge Menschen und politische Akteure in einen Austausch darüber kommen können, welche Anliegen junge Menschen haben und welche Ideen sie in Gesellschaft und Politik einbringen wollen. Damit dies gelingt, sind Ansätze zum Empowerment und Mittlerstrukturen nötig. Dahingehend beraten wir die politische Akteure der europäischen Jugend- und Bildungsarbeit.
Es hat sich bewährt, Erkenntnisse der Wirkungsforschung und wissenschaftliche Evaluierungsergebnisse – in unserem Fall beispielsweise bezüglich der europäischen Jugend- und Bildungsarbeit – so aufzubereiten, dass Politikerinnen und Politiker daraus einen Mehrwert zur evidenzgeleiteten Qualifizierung ihrer Entscheidungen ziehen können. Zudem halten wir insbesondere Dialogformate, aber auch Stakeholderworkshops für sinnvoll, um in die Entwicklung von Problemlösungsansätzen unterschiedlichste Sichtweisen einbeziehen zu können.Hierbei hat sich die Bereitstellung von Thesenpapieren zur jeweiligen Thematik sowie die Darstellung von abgeleiteten Handlungsoptionen als hilfreich erwiesen, damit der Austausch nicht allgemein bleibt, sondern zu einer fokussierten Diskussion führt.
Es muss ein gewisser Handlungsdruck seitens der Politik bestehen, der erkannt und berücksichtigt werden muss. Außerdem ist der Aufbau von Netzwerken wertvoll, damit es zu einem vielseitigen Austausch und Mehrperspektivität kommen kann. Ohne sich hierbei der immanenten Wechselwirkung bewusst zu werden, bleibt der Austausch oberflächlich und läuft ins Leere.
Weitere Teile der Reihe:
Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Wissenschaft (1)
Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Wissenschaft (2)
Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Politik