Foto: Honey Yanibel Minaya Cruz

Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Wissenschaft (2)

Welche Ansätze nutzt die Wissenschaft, um mit der Politik ins Gespräch zu kommen? Forschungsverbünde, Universitäten und Institutionen geben Einblicke wie es ihnen gelingt und wo es hakt.

Im zweiten Teil dieser Statement-Reihe berichten Vertreterinnen und Vertreter von Forschungseinrichtungen und Universitäten, welche Strategien sie verfolgen, um Wissenschaft in die Politik zu bringen. Sie nennen Ihren Auftrag, die eingesetzten Formate für den Austausch und auch Chancen und Grenzen der Kommunikation. 


Caroline A. Lodemann leitet den Präsidialstab und die Kommunikation der Leibniz-Gemeinschaft.

Foto: Leibniz-Gemeinschaft, Christoph Herbort-von Loeper

Die Mission der Leibniz-Gemeinschaft ist Forschung „in der Gesellschaft für die Gesellschaft“. Ihre derzeit 96 Einrichtungen, acht Forschungsmuseen inklusive, betreiben diese über ganz Deutschland verteilt. Es ist diese Mission und die disziplinäre Vielfalt, die enge Beziehungen zu den politischen Institutionen von Bund, Ländern und Kommunen sowohl thematisch als auch in der Governance begründen. 

Die gesellschaftliche Relevanz der Forschungsthemen in der Leibniz-Gemeinschaft und die spezifische Expertise machen ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genuin zu Ansprechpartnern und Beraterinnen, die in parlamentarischen und ministeriellen Konsultationen gehört werden. 

„In der Leibniz-Arena stellen sich Forscherinnen und Forschern den Fragen zu einem umrissenen Thema.“ Caroline A. Lodemann
Die Leibniz-Gemeinschaft bietet jährlich das Format „Leibniz im Bundestag“ an. An zwei Tagen im Frühjahr bieten mehrere hundert Leibniz-Forscherinnen und Leibniz-Forscher über mehrere hundert wissenschaftliche Themen in direkten Einzelgesprächen an. Dieses Format gibt es inzwischen ebenfalls in einer Reihe von Landtagen. In der Leibniz-Arena stellen sich Forscherinnen und Forschern den Fragen zu einem umrissenen Thema. Parlamentarische Abende und öffentlichkeitsoffene Formate wie „Leibniz debattiert“ festigen die Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Politik und sollen wissenschaftliche Vorgehensweisen und Diskursmethoden nahebringen. Damit schaffen wir eine Balance zwischen Themen in der aktuellen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung und Themen, die aus Wissenschaft und Forschung heraus immer wieder auf die Agenda der allgemeinen Aufmerksamkeit gesetzt werden müssen. 
„Denn gerade im persönlichen Austausch beobachten wir ein großes Interesse und Bereitschaft zu echter und offener Diskussion.“ Caroline A. Lodemann
 Der anlass- und interessenbezogenen Kommunikation miteinander gilt unser besonderes Augenmerk in nächster Zukunft ebenso wie die Frage, wie wir alle – wirklich alle – an ihren Interessenspunkten für Forschung interessieren und Forschung als Quelle ihrer Recherchen und Wissenssuche etablieren können. Denn gerade im persönlichen Austausch beobachten wir ein großes Interesse und Bereitschaft zu echter und offener Diskussion. Unsere öffentlichen Veranstaltungsangebote sind daher immer auch ein Wegweiser zu unseren Themen und Expertinnen und Experten und werden hoffentlich mehr und mehr als Einladung zum Gespräch verstanden und genutzt.


Astrid Bergmeister arbeitet in der Strategischen Entwicklung und Kommunikationseinheit des Karlsruher Institut für Technologie als Projektleiterin für Political Relations. 

Foto: Erim Giresunlu, 3M2 Filmproduktion

Politik ist Wirklichkeitskonstruktion, Politik definiert die Rahmenbedingungen, in denen das Leben stattfindet – in Forschung und Innovation, der Energieversorgung und im Klimaschutz, in der Entwicklung der Mobilität, der Wirtschaft und Gesellschaft. Um dem zu entsprechen, baut das KIT im Rahmen der Dachstrategie KIT 2025 die Politikkommunikation in einem Umsetzungsprojekt strategisch aus.

In der ersten Projektlaufzeit stand für meinen Vorgänger der Aufbau von Strukturen, die Etablierung von Kontakten und das Beziehungsmanagement im Vordergrund. In der nun beginnenden zweiten Projektlaufzeit liegt die strategische Fokussierung auf den Profilthemen in der Politikkommunikation: Wer hat eine Schlüsselrolle in der Politik? Wer trifft Entscheidungen und hat komplexe Fragen, zu denen das KIT eine Lösung bieten kann? Welche spannenden Schlüsselfragen unserer Zeit werden aktuell in der Politik diskutiert, zu denen das KIT zukunftsweisende Forschungsprojekte als Antworten anbieten und zur Diskussion stellen kann? 

Das KIT versteht sich als ‚Die Forschungsuniversität in der Helmholtz Gemeinschaft‘, damit verbunden ist das Selbstverständnis einer Forschungs- und Lehreinrichtung mit den Kernaufgaben zwischen Forschung, Lehre und Innovation, also den Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft. 

„Crossmedial werde ich viele Formate nutzen – orientiert an dem Ziel, das KIT mit seinen international renommierten Profilbereichen als Partner zu positionieren.“ Astrid Bergmeister
Das KIT arbeitet mit komplementären Partnern eng zusammen und trägt auch dadurch zur Diskussion vieler politisch brennender Themen bei. Im Fokus stehen dabei technologisch ausgerichtete Fragestellungen wie Künstliche Intelligenz, autonomes Fahren, die Realisierung der Energiewende, der zukünftigen Mobilität und des Klimaschutzes. Das KIT ist erfolgreich in der Grundlagenforschung  der angewandten Forschung und steht für einen starken Wissens- und Technologietransfer.

Mit meiner Position als Projektleiterin Political Relations als Teilprojekt der Dachstrategie KIT 2025 suche ich den offenen, themenorientierten Diskurs mit der Politik. Crossmedial werde ich viele Formate nutzen – orientiert an dem Ziel, das KIT mit seinen international renommierten Profilbereichen als Partner zu  positionieren. 

„Das Kommunikationsformat und der Kommunikationskanal ist kein Selbstzweck, wir leiten ihn aus den Themen ab.“ Astrid Bergmeister
Der Austausch mit der Politik funktioniert wie in jeder Beziehung in den Feldern sehr gut, in denen wir ein Bedürfnis, eine gesellschaftliche oder eine wirtschaftliche Fragestellung am Puls der Zeit bedienen können. Das Kommunikationsformat und der Kommunikationskanal ist kein Selbstzweck, wir leiten ihn aus den Themen ab.

Politische Beziehungen sind Politikkommunikation – eine sehr spannende Aufgabe bei den enormen Potenzialen des KIT in einer internationalen Liga.


Matthias Chardon ist wissenschaftspolitischer Referent in der Abteilung für Wissenschaftspolitik und Strategieprozesse in der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft.  

Foto: Max-Planck-Gesellschaft, Axel Griesch

Wissenschaft lebt vom Austausch – nicht nur zwischen Forscherinnen und Forschern, sondern auch mit Politik und Gesellschaft. Wir als Max-Planck-Gesellschaft (MPG) werben für die Notwendigkeit und den Nutzen reiner Grundlagenforschung, denn dafür stehen wir und darum sind wir für viele Forschende so attraktiv. Ohne Grundlagenforschung gibt es keinen Erkenntnisgewinn. Und den brauchen wir, wenn wir uns als Gesellschaft entwickeln und verbessern wollen. 

„Manchmal ist es nützlich, wegen sich überschneidender Interessen zusammen mit anderen Wissenschaftsorganisationen auf die Politik zuzugehen.“ Matthias Chardon

Um unsere Mission erfüllen zu können, brauchen wir Autonomie, so können wir uns ganz der Wissenschaft widmen. All unser Tun gegenüber der Politik leitet sich davon ab: Manchmal benötigen wir Handlungsmöglichkeiten, die noch geschaffen werden müssen. Oder wir brauchen ihre Unterstützung zur Umsetzung großer Projekte und Vorhaben, etwa bei Forschungsinfrastrukturen. Im Übrigen sind wir in der Finanzierung von Bund und Ländern abhängig.

Wir nutzen verschiedene Kommunikationsformate mit der Politik: in Strukturen und Prozessen, die die Politik vorgibt, durch Gespräche der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler oder der Leitung der MPG mit Abgeordneten in Bund und Ländern, Ministerinnen und Ministern und Regierungschefinnen und Chefs. 

„Politikerinnen und Politiker zeigen in der Regel großes Verständnis und unterstützen uns.“ Matthias Chardon
Auch halten wir Kontakt zur Arbeitsebene zum Beispiel von Ministerien und des Bundestags. Manchmal ist es nützlich, wegen sich überschneidender Interessen zusammen mit anderen Wissenschaftsorganisationen auf die Politik zuzugehen. Das klappt immer besser.
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Politikerinnen und Politiker zeigen in der Regel großes Verständnis und unterstützen uns. Die Prinzipien, nach denen Politik und Wissenschaft funktionieren, sind aber nicht immer kompatibel. Da können Reibungsflächen entstehen. Dass die großen außeruniversitären Forschungsorganisationen mit dem Pakt für Forschung und Innovation bis 2030 verlässlich planen können und von einem finanziellen Aufwuchs profitieren, zeigt das grundsätzlich gute Verhältnis zwischen Wissenschaft und Politik in Deutschland. Letztlich gilt wie für die Politik generell – siehe Max Weber – dass harte Bretter zu bohren sind. Es lohnt sich!


Weitere Teile der Reihe:

Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Wissenschaft (1)

Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Wissenschaft (3)

Politikberatung in der Praxis – Perspektiven aus der Politik