Hochschulkommunikation ist ein wichtiges Berufsfeld für Wissenschaftskommunikator*innen. Wie aber hat sich dieser Bereich historisch entwickelt? Der Kommunikationshistoriker Erik Koenen spricht über die Ursprünge des gesellschaftlichen Drucks, sich öffentlich zu präsentieren, über die Rolle der Presse und die Impulse, die die 1968er-Bewegung gab.
„Platt gesagt ging es um die Frage: Was macht ihr mit unserem Geld?“
Herr Koenen, in einem Aufsatz zu historischen Perspektiven der Hochschulkommunikation schreiben Sie, dass es dazu noch nicht viel Forschung gibt. Warum ist das so?
Ich sehe den Grund vor allem darin, dass sich Hochschulkommunikation eher mit gegenwartsorientierten Fragen beschäftigt, die dringender sind als der Blick in die Vergangenheit.
Trotzdem halte ich die historische Reflexion für sehr wichtig, weil sie einerseits darauf hinweist: Wie haben sich Prozesse und Instrumente der Hochschulkommunikation langfristig entwickelt? Aber auch: Wie haben sie sich bewährt? Gerade, wenn man auf die Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert schaut, kann man sehen, welche unterschiedlichen gesellschaftlichen Drücke auf die Hochschulkommunikation wirkten, sich öffentlich darzustellen. In der Zeit des Nationalsozialismus hat sich das sicherlich anders gestaltet als in der Weimarer Republik, der Bundesrepublik oder der DDR.
Seit wann gibt es diesen Druck – beziehungsweise: Seit wann machen sich Hochschulen Gedanken, wie sie nach außen kommunizieren?
Ich würde mal so anfangen: Wissenschaftskommunikation – oder die Popularisierung von Wissen – ist nicht unbedingt etwas Neues. Das gab es auch schon im 17. und 18. Jahrhundert mit Kabinetten, Sammlungen und Museen. Auf diese Weise hat man schon versucht, Wissen und Wissensobjekte für die Öffentlichkeit bereitzustellen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlossen Staat und Wissenschaft quasi einen „Vertrag“, der Wissenschaft als grundsätzlich förderungswürdig anerkannte. Damit änderte sich die öffentliche Finanzierung der Universitäten und es bauten sich von gesellschaftlicher Seite neue Erwartungshaltungen nach Legitimation auf. Platt gesagt ging es um die Frage: Was macht ihr mit unserem Geld?
Wie haben Hochschulen auf diese Erwartungshaltung reagiert?
Die ersten Institutionen der Hochschulkommunikation waren akademische Auskunftsstelle an den Universitäten Berlin (1904) und Leipzig (1910). Vorher gab es sicher schon einzelne Hochschullehrer*innen, die sich Platz in Zeitungen gesucht und Artikel geschrieben haben. Aber um die Kommunikation zu steuern und zu zentralisieren war diese Auskunftsstelle sehr wichtig. Man hat versucht, eine Schaltstelle zwischen interner und externer Kommunikation zu schaffen. Ursprünglich war der Ort eher dazu gedacht, dass Studierende sich über das Fächerangebot informieren können. In unserem Beitrag erscheint diese Auskunftsstelle relativ einzigartig. Ich würde aber vermuten, dass es, wenn man tiefer in den Geschichten anderer Universitäten gräbt, vergleichbare Entwicklungen oder Institutionen gab.
Sie haben angedeutet, dass die Presse wichtig war – so wie heute auch noch. Wie hat sich deren Rolle entwickelt?
Anfangs gab es Auskunftsstellen an einzelnen Universitäten. Wie ist es in der Weimarer Republik mit der Institutionalisierung der Hochschulkommunikation weitergegangen?
Einerseits waren Berlin und Leipzig Pioniere der Hochschulkommunikation, die man sich als Vorbild genommen hat. Zum anderen steigt in der Weimarer Republik noch mal die Erwartungshaltung der Gesellschaft an Hochschulen, sich öffentlich zu äußern. Es hat sich aber auch ein neues Fach, die Zeitungskunde, etabliert. Ziel war nicht nur die Ausbildung von Journalist*innen, sondern von Leuten, die in allen möglichen Pressestellen arbeiteten. Es wurden Öffentlichkeitsarbeiter*innen im weitesten Sinne ausgebildet. Mit dem Übergang vom Kaiserreich zur Weimarer Republik hat sich nicht nur an den Universitäten, sondern in der gesamten Gesellschaft, auch bei Kommunen und Wirtschaftsunternehmen, die Pressearbeit professionalisiert. Was in unserem Beitrag ein bisschen kurz kommt, aber auch nicht weiter erforscht ist, sind internationale Signalwirkungen: Inwieweit dienten vor allem die USA, die in all diesen Entwicklungen immer zehn, zwanzig Jahre voraus waren, als Vorbild?
Auch die NS-Zeit spielt in Ihrem Beitrag keine große Rolle. Haben Sie die bewusst ausgeklammert?
Was haben Sie in der Nachkriegszeit für Entwicklungen entdeckt?
Interessant finde ich ein Beispiel von einer Berliner Universität, die als erste einen Informationsfilm produziert hat. Wir haben ja gesagt, dass die Presse immer wichtiger wurde. Ab Mitte der 1920er-Jahre gab es aber auch den Rundfunk und den Film. Da müsste man schauen: Inwiefern hat Hochschulkommunikation auch andere Medien genutzt, um öffentlich zu wirken?
Ende der 1960er-Jahre passierte es, dass Studierende selbst eine Vorreiterrolle in der Hochschulkommunikation einnahmen. Warum das?
Das hat mich selbst überrascht, denn das ist ja paradox. Die Studierendenvertreter*innen der 68er-Bewegung hatten eigene Referent*innen, die mit der Presse interagiert haben – und auf einmal waren die Universitäten selbst im Zugzwang, professionelle Öffentlichkeitsarbeiter*innen zu haben. Was man dazu sagen muss: Alle Initiativen für mehr Hochschulkommunikation, die nach 1945 von der Hochschulrektorenkonferenz kamen, sind bis in die 1960er-Jahre versiegt oder ineffektiv gewesen. Man fand dieses Moment sicher auch nicht wichtig genug. Erst um 1968 hat man gemerkt: Man braucht Eigeninitiative, um den Studierendenprotesten etwas entgegenzusetzen.
Hat diese Zeit die Entwicklung nachhaltig vorangetrieben?
Ja, ich denke schon, das war so ein Anstoß, nicht die Deutungsmacht und Gestaltungskraft zu verlieren. Denn Ende der 1960er-Jahre ging es an den Universitäten auch um die Frage: Was ist der richtige Erkenntnisweg? Es gab Konflikte zwischen sehr konservativen und eher marxistischen Auffassungen und Zugängen zu Wissenschaften. Es gab dann Erklärungen der Westdeutschen Hochschulrektorenkonferenz zur Öffentlichkeitsarbeit und den expliziten Druck, Informationsstellen einzurichten.
Trotzdem beschreiben Sie das Feld der Hochschulkommunikation bis in die 1990er-Jahre als sehr divers. Das bedeutet: für einige war das ein wichtiges Thema, für andere noch nicht?
Welche Rolle spielt der Wettbewerb zwischen den Universitäten?
Man kann sagen, dass sich in den 1970er/80er-Jahren eine Konkurrenzsituation zwischen den Universitäten herausbildet. Ich denke, da fängt es an, dass der öffentliche Topf, aus dem Universitäten finanziert werden, nicht mehr größer wird und man versucht, Wettbewerbsvorteile zu suchen. Es geht darum, möglichst viele Studierende anzuziehen, aber natürlich auch um Forschungsleistung und -reputation. Man sucht nach Leuchttürmen, die man in den Vordergrund stellen möchte. Ich glaube, diese Wettbewerbssituation gab es vorher nicht. Mit den Exzellenzinitiativen verschärft sich dieser Kampf um Ressourcen in den 2000er-Jahren. Man sieht Hochschulkommunikation als gute Möglichkeit, Ressourcen in Form von Geld, Personal und Studierenden zu mobilisieren.
Heute sind Pressestellen an Hochschulen eine Selbstverständlichkeit. Seit wann ist das so?