Wie die Pandemie Wissenschaftskommunikation in den sozialen Medien verändert hat, welchen Angriffen kommunizierende Forschende ausgesetzt sind und Forschung zur Rezeption von Wissenschaftsvideos auf YouTube. Das plus aktuelle Jobs und Termine sind die Themen im Panoptikum.
Panoptikum 22-7 #SocialMedia #DigitaleGewalt #YouTube
Augen und Ohren auf
Die Pandemie habe die Wissenschaftskommunikation auf Twitter verändert, schreibt Jeffrey Brainard in einem Artikel im Fachmagazin Science: „Twitter ist zu einer Anlaufstelle für alle geworden, die versuchen, aus der Flut von Pandemiestudien schlau zu werden.“ Für kommunizierende Wissenschaftler*innen bot und bietet das Netzwerk die Möglichkeit, über ihre Erkenntnisse zu sprechen. Ihre Erfahrungen trägt Brainard im Beitrag zusammen: Manche mussten um Aufmerksamkeit kämpfen, andere wie die Infektiologin und Virologin Muge Cevik waren überrascht von der Reichweite und der Interaktion. Dieses Privileg ginge auch mit „einer Menge Verantwortung“ einher, respektvoll zu kommunizieren und dabei klar Fakten von Meinung zu trennen, wird Cevik im Beitrag zitiert. Brainard beleuchtet darin auch die Herausforderungen der Social-Media-Nutzung für die Wissenschaftskommunikation: richtig mit Desinformation und Erfahrungen digitaler Gewalt umzugehen.
In derselben Artikelserie zu Social Media und Wissenschaftskommunikation bei Science greift der Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt das Problem der Desinformation auf. Auf Twitter kommuniziert er transparent, wie ihm in einer früheren Version des Artikels ein Fehler unterlaufen ist. Eine Einordnung der darin erwähnten MIT-Studie findet sich bei The Atlantic.
Der dritte Teil der Serie bei Science ist eine Online-Umfrage, die untersucht, wie stark kommunizierende Wissenschaftler*innen von Hass im Netz betroffen sind. 510 Forschende, die Publikationen über Covid-19 veröffentlicht haben, nahmen daran teil. Obwohl die Ergebnisse weniger drastisch als die der Nature-Umfrage vom letzten Jahr ausfielen, sind sie dennoch alarmierend: Über ein Drittel der Befragten berichtete, dass sie Angriffe erfahren haben. Als häufigste Art des Angriffs nannten die Wissenschaftler*innen Beleidigungen, das in Zweifel ziehen ihrer beruflichen Fähigkeiten und Anschuldigungen, unehrlich oder korrupt zu sein. Extremere Formen wie Gewalt- oder Todesdrohungen, unerwünschte Besuche oder Pakete wurden wesentlich seltener rückgemeldet. Weniger als zehn Prozent der betroffenen Wissenschaftler*innen erhielten laut Umfrage rechtliche, (sicherheits-)technische oder psychologische Unterstützung von den Kommunikationsstellen der Institute und Universitäten. Von diesen hätten sie sich auch „emotionale Unterstützung“ gewünscht.
Auch andere Artikel beschäftigen sich mit bisherigen Erfahrungen in der Pandemie: Bei Nature berichten Datenwissenschaftler*innen und -journalist*innen von ihren Lehren.
Rückschritte in der Wissenschaftskommunikation während der Coronakrise beobachtet der Physikprofessor John Womersley von der University of Oxford. In einem Beitrag bei Times Higher Education schreibt er: „Wir haben jahrzehntelang versucht, vom diskreditierten ‘Defizitmodell’ der Wissenschaftskommunikation wegzukommen“. Während der Pandemie sei man wieder in einen Modus zurückgefallen, „in dem wissenschaftliche Expert*innen die Öffentlichkeit belehren – über Covid, Impfstoffe und Lockdowns“.
Wie wichtig es ist, dass Wissenschaftskommunikation evidenzbasiert ist, erklärt Massimiano Bucchi, Professor für „Sociology of Science and Communication, Science and Technology“ an der Universität Trient im Interview mit ALLEA. Sie sollte auf „der inzwischen umfangreichen und fundierten theoretischen und empirischen Literatur über Wissenschaftskommunikation, ihre Akteure, Prozesse und Zielgruppen“ basieren.
Mehr Wissen
Hausangestellte ohne Papiere sind bei der Gesundheitsversorgung benachteiligt und haben in der Regel keinen Anspruch auf eine Krankenversicherung. Wie aber können Covid-19-bezogene Präventionsmaßnahmen und eine Impfstrategie auf die Bedürfnisse dieser Zielgruppe zugeschnitten werden? Um das herauszufinden, hat ein Team von Wissenschaftler*innen um Maria van den Muijsenbergh vom Radboud University Medical Centre im niederländischen Nijmegen eine Umfrage unter Hausangestellten ohne Papiere in den Niederlanden durchgeführt. Es zeigte sich, dass sich die Befragten durch ihre prekäre Lage besonders verwundbar fühlen, weswegen sie sich über Tests und Beschränkungen informieren und diese befolgten. Gleichzeitig wirkten sich die Corona-Maßnahmen negativ auf zentrale Lebensbereiche wie Arbeit, Wohnen oder soziale Unterstützung aus.
YouTube ist ein wichtiger Kanal für die Wissenschaftskommunikation. Wie sich Zuschauer*innen die Inhalte der Videos aneignen, wie sie ihre Aufmerksamkeit verteilen und welches Wissen sie dabei erwerben, haben Hans-Jürgen Bucher, Bettina Boy und Katharina Christ von der Universität Trier im Labor und in einer Online-Studie untersucht. Unter anderem haben sie eine Typologie audiovisueller Wissenschaftsvideos erstellt. Diese umfasst den Expert*innenfilm, den narrative Erklärfilm, den Präsentationsfilm und den Animationsfilm.
In Citizen-Science-Projekten treffen Bürger*innen und Wissenschaftler*innen aufeinander, die sich im gemeinsamen Forschungsprozess ihnen bisher unbekannten Aufgaben und Herausforderungen stellen. Das führt laut Susanne Hecker and Monika Taddicken auch dazu, dass sie neue Rollen annehmen. Unter Bezug auf die Rollentheorie stellen die beiden Kommunikationswissenschaftlerinnen ein Rahmenwerk vor, innerhalb dessen Aufgaben, Kommunikationsziele, Interaktionsräume und Rollen der verschiedenen Akteur*innen von Citizen-Science-Projekten erfasst und reflektiert werden können.
Von Praktikum bis Professur
Das Kiel Science Communication Network sucht eine*n Wissenschaftliche*n Mitarbeiter*in für die Wissenschaftskommunikationsforschung. Bewerbungen sind bis zum 15. April möglich.
An der Fakultät Physik der Technischen Universität Dresden ist eine Stelle als Wissenschaftskommunikator*in ausgeschrieben. Der Dienstort ist das Forschungszentrum DESY der Helmholtz-Gemeinschaft in Hamburg. Die Bewerbungsfrist endet am 14. April.
Das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen in Halle (Saale) sucht eine*n Leiter*in für Marketing und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Bewerbungen sind bis zum 9. April möglich.
Bereits am 31. März endet die Bewerbungsfrist für die Stelle als Wissenschafts- und Politikredakteur*in bei der Helmholtz-Klima-Initiative.
Das Hub Helmholtz AI sucht eine*n Outreach Manager*in. Der Arbeitsort ist das Helmholtz-Zentrum München. Die Bewerbungsfrist endet am 7. April.
Weitere Stellenangebote finden Sie in unserer Jobbörse – exklusiv für Stellen aus der Wissenschaftskommunikation. Hochschulen, Forschungsinstitutionen, Stiftungen und Co können ihre Stellenangebote direkt an Besucher*innen unseres Portals richten.
Was kommt?
Die diesjährige WissKon findet am 20. Mai als hybride Veranstaltung im Südwerk – Bürgerzentrum Südstadt in Karlsruhe sowie online statt. Mit der Konferenz will das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik)* eine Austauschplattform für kommunizierende Wissenschaftler*innen schaffen. Eine Registrierung ist erforderlich.
Für Kurzentschlossene: Am 30. März findet um 17 Uhr deutscher Zeit das Open Box Science 2022 Symposium in Science Communication zum Thema „Leveraging Social Media for Science Communication“ statt. Über die Chancen digitaler Wissenschaftskommunikation diskutieren Wissenschaftler*innen, die aktiv in sozialen Medien kommunizieren, wie die Virologin Angela Rasmussen, die Neurowissenschaftlerin Mellanie Fontes-Dutra und der Biochemiker Arnaldo Díaz Vázquez. Die Veranstaltung wird live über YouTube übertragen.
Die US-amerikanische Dachorganisation National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine lädt am 1., 2. und 6. Juni zu einer hybriden Konferenz mit dem Thema „Reimagining Science Communication in the COVID Era and Beyond” ein. Eine Registrierung ist ab sofort möglich.
Das Panoptikum gibt alle vierzehn Tage einen Überblick über aktuelle Aktionen, Debatten und Trends. Außerdem sind hier aktuelle Stellenangebote, Veranstaltung und Ergebnisse aus der Forschung über Wissenschaftskommunikation zu finden.
*Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik)ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.