Wer mit Wissenschaftskommunikation starten will, braucht ein Konzept. In ihrem Buch gibt Journalistin und Mediencoach Viola Falkenberg Tipps für die Praxis. Ein Gespräch über Anforderungen an kommunizierende Forschende, Zielgruppen und die Notwendigkeit eines guten Plans.
„Nicht irgendwo anfangen“
Frau Falkenberg, Sie geben in Ihrem Buch Ratschläge für die Kommunikation von Wissenschaft. Welche Aspekte von Wissenschaftskommunikation deckt es ab?
Das Buch liefert Grundsätzliches für den Einstieg in die Wissenschaftskommunikation. Es beginnt mit dem, mit dem auch die Wissenschaftskommunikation beginnen sollte: Mit der Erstellung eines Konzepts. Der Bogen ist dann bis zum Planen und Evaluieren von Events gespannt, mit praktischen Übungen und Lösungsvorschlägen im Anhang. Dazwischen geht es auch um die rechtlichen Rahmenbedingungen, beispielsweise was bei der Verwendung von Foto- und Audiomaterial zu beachten ist, und am Ende um Fördermöglichkeiten für eigene Projekte.
Natürlich gehören zur Wissenschaftskommunikation auch Online-Kanäle, wie die sozialen Netzwerke, Blogs und Wikis. Ein anderes Thema ist die klassische Medienarbeit, also die Arbeit mit Journalist*innen: Wie bereite ich mich auf ein Interview vor, was kann ich als Anlass nehmen, um selbst zu kommunizieren? Nicht zuletzt geht es auch um den Umgang mit Krisen, beispielsweise wie Wissenschaftler*innen auf Shitstorms und Trolle, aber auch auf Gegenwind in klassischen Medien reagieren können.
Bei den angesprochenen Themen handelt es sich um Kommunikation aus der Wissenschaft heraus in die Medien und die Öffentlichkeit. Welche Rolle spielt die interne Wissenschaftskommunikation in Ihrem Buch – beispielsweise die Zusammenarbeit mit den Kommunikator*innen?
Den Aspekt habe ich nicht aufgegriffen. Zum einen, weil sie in den Hochschulen und Institutionen sehr, sehr unterschiedlich ist. Zum anderen wollte der Verlag eine kurze, knappe Übersicht.
Was gab den Anlass dazu, ein Buch zu diesen Themen zu schreiben?
Ich gebe seit Jahren Kommunikationsseminare für Wissenschaftler*innen. Daher kenne ich ihre Arbeitsbedingungen und auch die Anforderungen, die in diesem Bereich an sie gestellt werden. Das reicht von einem selbstverständlich scheinenden „mach‘ mal eben ein Youtube-Video oder eine Instagram-Story“ bis zu „bau mal schnell eine Website“ – obwohl das jeweils anderes Wissen und Kompetenzen voraussetzt. Der Druck auf die Wissenschaftler*innen ist manches Mal enorm, einfach irgendwo anzufangen und alle Anforderungen zu erfüllen, während in Trainings und Seminaren immer nur Teile davon abgedeckt werden können. Mit dem Buch wollte ich sowohl einen Überblick geben als auch einen zeit- und ortsunabhängigen Schnelleinstieg in Teilbereiche anbieten.
Das sind zum einen Menschen, die neu in die Wissenschaftskommunikation reingehen, wie Studierende oder Doktorand*innen. Aber auch Professor*innen haben nicht zwingend viel über Kommunikationskonzepte oder Krisenkommunikation erfahren, bevor sie – manchmal recht plötzlich – in der breiten Öffentlichkeit bestehen sollen.
Was möchten Sie mit dem Buch erreichen?
Wissenschaftskommunikation ist sowohl in der Wissenschaft als auch in der Gesellschaft sehr relevant. Mit dem Buch möchte ich dazu beitragen, dass diese mehr Menschen aus den Wissenschaften mit weniger Aufwand gut gelingen kann. Dafür bin ich bei der Konzeption davon ausgegangen, was sich Seminarteilnehmende an Infos zum Nachschauen und Übungen zum Ausprobieren gewünscht haben.
Wie sind Sie vorgegangen?
Erst habe ich Kapitel für Kapitel die Inhalte recherchiert, beispielsweise die technischen Herausforderungen und Abläufe, wenn man Videos macht und welche Hilfsmittel günstig verfügbar sind. Die habe ich dann mit Beispielen verknüpft, die in den verschiedenen Wissenschaftsbereichen bereits existieren.
Aus welchen Wissenschaftsdisziplinen haben Sie die meisten Beispiele gefunden?
Ich war erstaunt, wie vielfältig in den Geisteswissenschaften mit den unterschiedlichen Formaten gearbeitet wird, obwohl die Naturwissenschaften auf den ersten Blick öffentlich präsenter sind. Das liegt auch daran, dass es in vielen Medien Sendungen und Seiten zu Medizin, Technik und Naturwissenschaften gibt, aber kaum welche für Geisteswissenschaften. Dafür kommen sie in allen anderen Bereichen vor – ob Politik-, Wirtschaft-, Kultur- oder Lokalteil – werden dort aber nur selten als Wissenschaft gelabelt. Auch scheint es mehr Wettbewerbe in den Naturwissenschaften zu geben. Außerdem scheinen naturwissenschaftliche Themen beispielsweise bei Science Slams häufiger zu gewinnen.
Welche Beispiele für Best-Practice-Formate aus den Geisteswissenschaften haben Sie gefunden?
Herausragendes gibt es natürlich auch international: Besonders beeindruckt hat mich das 20-Minuten-Video „Teach Aids“ der Pädagogin Piya Sorcar, die zu Misserfolgen von Aids-Kampagnen in Afrika forschte und das Video zusammen mit Mediziner*innen, Computerlinguist*innen, Psycholog*innen und Designer*innen entwickelte. Bei der Suche nach Veranstaltungen für wissenschaftsferne Menschen stieß ich auf „CellBlockScience“ in schottischen Gefängnissen. In der Schweiz wurde die Dozentin am Ethnologischen Seminar Luzern, Anika König, beim „SNF-Wettbewerb für wissenschaftliche Bilder und Kurzvideos“ für „Zimmer einer Leihmutter in Kiew“ ausgezeichnet. Zum „Wissenschaftsbuch des Jahres“ wurden in Österreich „Radikalisierungsmaschinen“ der Extremismusforscherin Julia Ebner gewählt sowie „Wieviel wärmer ist 1 Grad. Was beim Klimawandel passiert“ der Germanistin Kristina Scharma-Schreiber.
Inwiefern flossen Ergebnisse der Wissenschaftskommunikationsforschung in Ihr Buch ein?
Ich habe mich bei der Recherche auf die Ergebnisse der Wissenschaftskommunikationsforschung gestützt. Deswegen gibt es im Buch auch reichlich Fußnoten, um meine Aussagen wann immer möglich zu belegen, ohne dass es eine wissenschaftliche Abhandlung darstellt. So wollte ich den Stand der Forschung mit der Praxis verknüpfen.
Sie sollten sich fragen, was ihr Ziel bei welcher Zielgruppe ist. Werden die eigenen Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken sowie die realen Rahmenbedingungen berücksichtigt, lässt sich die Kommunikationsstrategie festlegen. Daraus ergeben sich dann die passenden Formate und Inhalte und ob diese für die Zielgruppe eher emotional aufbereitet werden sollten, humorvoll oder sachlich.
Was möchten Sie Wissenschaftler*innen für die Wissenschaftskommunikation auf den Weg geben?
Niemand muss alle Formate beherrschen und alle Kanäle bespielen. Ein gut durchdachtes Konzept hilft, erst die für sich richtigen auszuwählen und diese dann effizient um- und einzusetzen.