Jasmin Schreiber ist Biologin, Bestsellerautorin und Podcasterin. Wie sie Wissenschaft durch Geschichten über Tiere vermittelt und was ihr Hamster Hermine damit zu tun hat, berichtet sie im Interview.
Nacktmulle und Hamster als Botschafter*innen für Wissenschaftskommunikation
Frau Schreiber, Sie sind Biologin und auf Zoologie spezialisiert. Was ist denn ihr Lieblingslebewesen?
Das ist schwer zu sagen. Ich finde Pilze ziemlich gut. Aber das wechselt eigentlich täglich. Gerade finde ich auch Blindwühlen spannend. Das sind Lurche mit einer besonderen Form der Jungenaufzucht: Die Jungen knabbern die Haut der Mutter ab. Das Gewebe wird regeneriert und dann wieder von den Jungen gefressen. Für viele Menschen klingt das sicher furchtbar, aber als Biologin finde ich das sehr interessant.
In der Öffentlichkeit sind Sie vor allem als Autorin und als Wissenschaftskommunikatorin bekannt. Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe schon während und nach meinem Biologiestudium in der Kommunikationsbranche gearbeitet und hatte innerlich die Biologie schon fast abgehakt. Erst in den letzten Jahren bin ich wieder zur Wissenschaft zurückgekehrt. Für meine aktuellen Projekte habe ich einfach festgestellt, dass ich gerne über Biologie rede und dass sich die Menschen auch dafür interessieren – wenn man es denn richtig erzählt. Dabei hatte ich gar nicht geplant, gezielt Wissenschaftskommunikation zu betreiben.
Ihr neuestes Buch “Abschied von Hermine” ist ein Sachbuch, das sich um die biologische Seite von Leben, Sterben und allem was danach kommt dreht. Wie haben Sie sich dem Thema angenähert?
Ich hatte anfangs tatsächlich kein richtiges Konzept. Ich habe einfach angefangen zu schreiben und die Themen haben sich dann nach und nach herauskristallisiert. Es gibt ja schon viele Bücher über Sterben und Tod, die alle eine recht ähnliche Perspektive bieten – soziokulturell, religiös, psychologisch. Ich dachte mir dann: Aber die Leute wollen doch wissen, wie man verwest, oder? Dann habe ich eben angefangen, von diesen Themen zu erzählen und wollte sehen, ob das jemanden interessiert. Das war dann tatsächlich auch so.
Warum begleitet gerade ihr Hamster Hermine die Leser*innen durch das Buch?
Wenn ich zum Beispiel über Verwesung berichte, ist das Thema für Laien leichter zu verdauen, wenn ich dabei über einen Hamster statt über die Oma spreche.
Mit dem Hamster bringe ich eine gewisse Distanz zwischen die Leser*innen und den Verwesungsvorgang. Außerdem hat Hermine als Hamster eine recht kurze Lebensspanne und so kann ich das Leben vollständig erzählen – von der Keimzelle bis zum kompletten Lebewesen und schließlich auch zum Tod. Letztendlich dient Hermine als Vehikel, um anderen Menschen zu zeigen, dass Wissenschaft nicht nur am Mikroskop stattfindet, sondern dass alles, was wir sind, damit zu tun hat.
Sie verwenden in Ihrem Buch einen sehr lockeren Stil und auch Karikaturen. Wieso haben Sie sich dafür entschieden?
Nach dem üblichen naturwissenschaftlichen Unterricht an deutschen Schulen kann ich gut verstehen, dass viele Menschen keine Lust mehr auf Wissenschaft haben. Genau deshalb wollte ich einen belehrenden Ton vermeiden und die Leute lieber dort abholen, wo sie stehen und auf Augenhöhe mitnehmen. Bei Sachbüchern wird häufig schon Vorwissen vorausgesetzt. Das fällt Kommunikator*innen meistens gar nicht auf, weil für sie viele wissenschaftliche Begriffe vollkommen alltäglich sind. Ich wollte aber für Menschen schreiben, die mit Wissenschaft noch gar nichts am Hut haben.
Noch eine Besonderheit Ihres Buchs: Sie gendern – egal ob bei Nacktmullen oder bei Menschen. Warum machen Sie das?
Ich bin ja eine Frau und immer nur irgendwie mitgemeint und das finde ich blöd. In Sachbüchern kann man viele Begriffe im generischen Maskulinum umgehen und wenn nicht, verwendet man eben einen Doppelpunkt oder ein Sternchen im Wort. Selbst mein erzkonservativer Großvater hat sich daran nicht gestört, als er mein Buch gelesen hat. Ich finde, durch das Gendern kann man Sprache ohne großen Aufwand inklusiv gestalten. Bei diesem Sachbuch war mir Inklusion besonders wichtig, weil ich viel über Körper schreibe. Hier möchte ich einfach ausdrücken, dass beispielsweise Leserinnen nicht zwingend eine Vagina haben müssen.
Wer sollte dieses Buch lesen?
Ich denke, dass Menschen, die sich der Angst vor dem Thema Sterben und Tod stellen wollen, von diesem Buch profitieren können. Eigentlich kann es jeder lesen, der sterblich ist. Unsterbliche hätten da nicht so viel Spaß dabei, weil es für sie weniger relevant ist. Man sollte Tiere mögen, sonst zieht sich das Buch vielleicht etwas.
Sie verwenden Soziale Medien für die Bewerbung Ihres Buches. So haben Sie beispielsweise für Ihre Buchpremiere eine Live-Lesung auf Instagram abgehalten. Wieso haben Sie sich für diesen Weg entschieden?
In der Pandemie bleibt mir ja kaum etwas anderes übrig (lacht). Letzten Endes habe ich für Hermine aber gar nicht so viel Werbung gemacht. Ich hatte das Gefühl, in einer Pandemie ist das Timing etwas schlecht, um ein Buch über den Tod zu bewerben. Ich hoffe, Hermine wird dennoch ihre Leser*innen finden. Außerdem bin ich momentan durch die Pandemie auch etwas ermüdet. Eigentlich sind Social-Media-Kanäle aber eine gute Möglichkeit, um mit potenziellen Leser*innen ins Gespräch zu kommen. Ich mache ansonsten aber auch Onlinelesungen mit Buchhandlungen, wobei das für meine Romane relevanter ist. Zum Glück gibt es heutzutage diese Möglichkeiten; vor 20 Jahren hätte ich da ganz schön in die Röhre geguckt.
Sie sind privat und auch mit Ihrer Wissenschaftskommunikation in Sozialen Medien sehr aktiv. Welche Plattformen verwenden Sie denn für welche Zwecke?
Ich habe sowohl auf Twitter als auch auf Instagram meinen privaten Account “La vie vagabonde”, auf dem ich alles Mögliche teile. Auf beiden Plattformen habe ich außerdem den “Waldräubers” Account, den ich nur für naturwissenschaftliche Themen verwende. Letzteres dient allerdings nicht nur der Wissenschaftskommunikation, sondern ist auch ein bisschen Eskapismus: Dort folge ich nur anderen Biolog*innen, Gärtner*innen und ähnlichen Leuten. Wenn sich halb Deutschland wieder auf Twitter fetzt, verwende ich eben diesen Account und gucke mir Schmetterlinge an.
Sie machen außerdem den Podcast „Bugtales“, in dem Sie mit dem Systembiologen Lorenz Adlung über verschiedene Organismen und deren Eigenheiten sprechen. Wie kam es dazu und warum haben Sie sich für dieses Format entschieden?
Obwohl ich die Idee schon lange im Hinterkopf hatte, habe ich mich nie genauer damit befasst. Als ich dann 2020 Lorenz Adlung näher kennengelernt habe und auch aufgrund der Pandemie viel zu Hause saß, wollte ich das mal versuchen. Wir erzählen uns im Podcast gegenseitig Geschichten. Dieses Format kennt man ja aus True-Crime- oder Geschichtspodcasts. Das erschien uns auch für Biologie sehr passend. Lorenz Adlung hat immer eher für Menschen kommuniziert, die sich schon etwas mit Wissenschaft auskennen. Das ist bei mir anders: Wenn man schon mal ein Tier gesehen hat, kann man meinen Geschichten ganz gut folgen. Aus dieser Mischung hat sich der Podcast dann entwickelt. Allmählich ist aber auch Lorenz Adlung dazu übergegangen, eher für Laien zu kommunizieren.
Was möchten Sie mit Ihrem Podcast erreichen?
Ich möchte eine angenehme Gesprächsatmosphäre schaffen. Viele Menschen haben Selbstzweifel und trauen sich den Umgang mit Wissenschaft gar nicht zu.
Man sieht aber ja vor allem an der aktuellen Situation, was passiert, wenn Menschen kein gutes Verständnis für Wissenschaft haben. Deshalb möchte ich zeigen: Wissenschaft macht Spaß und muss sich nicht immer gleich wie Schule anfühlen. Der Podcast soll wie ein Gespräch unter Freunden wirken, nur dass man sich eben nicht von der neuesten Serie erzählt, sondern von Biologie. Es macht mir auch Spaß zu sehen, wenn ich Interesse wecken und Menschen etwas beibringen konnte. Ich denke, dass das gut gelingt, indem ich über Lebewesen spreche, die man sehen und anfassen kann. So kann ich, auch wenn ich eigentlich über DNA sprechen möchte, zunächst von Nacktmullen und ihrer Lebensweise erzählen. Dann zoome ich immer weiter rein, wie mit einem Mikroskop, und verwende erst später Begriffe wie „DNA“, „Gen“ oder „Protein“. Das ist ein bisschen wie ein trojanisches Pferd – der trojanische Nacktmull.
Woher nehmen Sie die News und Geschichten für Ihren Podcast?
Lorenz und ich lesen natürlich täglich sehr viel über Wissenschaft, beispielsweise auf Spektrum oder Nature. Immer, wenn ich ein kompliziertes Thema sehe, frage ich mich: Wie kann ich das einfacher erklären?
Wenn mir dann noch eine Geschichte dazu einfällt, die viele Leute vielleicht schon kennen und mit der ich sie abholen kann, habe ich ein neues Thema für den Podcast.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Podcasts?
Wir möchten weiter an unserem eigenen Stil feilen. Wir haben anfangs viel experimentiert, aber jetzt habe ich das Gefühl, dass wir langsam angekommen sind. Natürlich wünsche ich mir viele neue Hörer*innen, denen ich zeigen kann: Biologie kann genauso unterhaltsam sein wie zum Beispiel True-Crime, nur dass bei uns keine Menschen abgeschlachtet werden. Also noch ein Vorteil!