Die Mathematikerin Gudrun Thäter veröffentlicht seit 2013 gemeinsam mit ihrem Kollegen Sebastian Ritterbusch fast wöchentlich eine neue Episode ihres Podcasts „Modellansatz“. Im Gespräch mit Gästen stellen sie faszinierende Facetten der Anwendung von Mathematik vor.
Modellansatz – ein Podcast über Mathematik und ihre Anwendung
Frau Thäter, was motivierte Sie dazu, sich mit einem Mathepodcast an die Öffentlichkeit zu wenden?
Ich habe das eigentlich am Anfang nur gemacht, weil ich meinem Kollegen Sebastian Ritterbusch, der ebenfalls Mathematiker hier am KIT war, nichts abschlagen kann. Er hatte die Idee und bringt immer viel Enthusiasmus mit. Ein Gesprächsformat konnte ich mir gut vorstellen. Zum einen habe ich selber gerne Sprachsendungen der BBC gehört und zum anderen dachte ich, mich einfach mit jemandem in Ruhe hinzusetzen, um über ein interessantes Thema zu reden, das kann ich auch ohne journalistische Erfahrungen.
Mathe zum Hören – geht das überhaupt?
Das war tatsächlich auch die Frage, die wir uns gestellt haben, bevor wir den ersten Versuch gestartet haben. Die alltägliche Gesprächssituation bei uns im Institut ist tatsächlich, dass wir mit einem Blatt Papier zusammensitzen, auf das wir die ganze Zeit schreiben und auf dem wir mit Formeln und Termen hantieren. Dieses Blatt Papier fehlt natürlich im Podcast. Es geht aber auch ohne, wenn wir im Gespräch innere Bilder erzeugen können. Selbst bei Themen, bei denen es um Strukturen und Algebra geht, schaffen es Leute ganz erstaunlich, diese Ideen greifbar zu machen. Es können zwar nicht alle Beweise geführt werden, aber man kann zumindest die Ansatzpunkte und Grundideen vermitteln. Zusätzlich zur Audiodatei hatten wir außerdem von Anfang an schon einen begleitenden Text. Hier können wir alles relativ genau erklären, weiterführende Links hinterlegen und unsere Themen zudem besser auffindbar machen.
Wie gestaltet sich die Themenfindung?
Das ist unterschiedlich. Ganz am Anfang haben wir alles verarbeitet, was über unseren Schreibtisch ging. Das waren Masterarbeiten, interessante Bachelorarbeiten, Themen aus der Arbeitsgruppe, Projektarbeiten von Studierenden oder abgeschlossene Promotionen. Oft ergeben sich die Themen aber auch über interessante Personen, die beispielsweise einen Vortrag bei uns gehalten haben. Inhaltlich geht es uns darum zu zeigen, wo Mathematik eine Anwendung findet. Das Studium hat ja kein klares Berufsbild und man arbeitet in fast allen Gebieten und in sehr unterschiedlichen Rollen. Das lösen wir im Podcast auf, vertiefen die Themen ein bisschen und wollen das Interesse der Hörerinnen und Hörer wecken. Ich werde häufiger gefragt, ob mir die Themen nicht ausgehen, aber ich habe das Gefühl, das es eher andersrum ist. Ich führe eine Liste, in der ich mir notiere, wen ich mal gerne treffen würde, und die wird immer länger!
Sie setzen sich unter anderem beim Girls Day dafür ein, Mädchen für die Mathematik zu begeistern. Möchten Sie mit dem Podcast Frauen besonders ansprechen?
Ich möchte zeigen, dass es auch für Frauen etwas ganz Normales ist, sich mit Mathematik zu befassen. Wir achten darauf, dass wir bei der Geschlechterverteilung gleich viele Gesprächspartnerinnen wie Partner haben. Wenn man hier über den Gang geht und die Türschilder liest, stellt man fest, dass gerade bei den Professuren nicht die Hälfte Frauen sind. Technische Universitäten, wie hier in Karlsruhe, sind männerdominiert. Das heißt, wenn ich mich nur auf Gesprächspartnerinnen hier im Haus beschränken würde, könnte ich nicht viele Folgen mit Frauen machen.
Welche Lektionen haben Sie in den sieben Jahren gelernt? Gab es Rückschläge?
Meine erste diesbezügliche Erfahrung war, dass ich das Medienbüro der Deutschen Mathematiker Vereinigung darum gebeten habe, unseren Podcast in deren Newsletter zu nennen, um ihn bekannter zu machen. Die anfängliche Reaktion der zuständigen Person war, dass Audio tot sei und wir mit einer Länge von über drei Minuten erst gar nicht anfangen bräuchten. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Podcastwelle noch nicht angefangen und so war es ein gut gemeinter Ratschlag eines Journalisten. Die Zahlen zu unserem Podcast, der schon seit zwei Jahren lief, sagten etwas anderes. Und zwar, dass er bereits auf viel größeres Interesse stieß, als wir es uns selber je vorgestellt hatten. Dies überzeugte und wir kamen schließlich sogar mit einer Doppelseite über unser Projekt in die Zeitschrift der Vereinigung. Ich habe dadurch aber gemerkt, dass wir es etwas naiv angegangen sind. Wir haben uns nicht im Detail überlegt, wie wir kommunizieren möchten oder wer unsere Zielgruppe ist. Wir wollten in unseren Gesprächen etwas Neues erfahren, stellten es online und freuten uns, wenn es andere auch interessiert.
Wie kommt der Podcast denn an?
Wenn ich irgendwo einen fachlichen Vortrag halte, gebe ich am Ende immer noch den Hinweis auf den Podcast. Und seit etwa vier Jahren gibt es immer mindestens eine Person im Publikum, die dann wissend lacht und sagt: „Ja, ich hör das schon regelmäßig!“ Das ist natürlich echt schön.
Welche Tipps würden Sie anderen Forschenden geben, die jetzt Lust bekommen haben, auch einen eigenen Podcast zu produzieren?
Hilfreich ist es, jemanden an der Seite zu haben, der einen technisch unterstützt. So kann man sich erst einmal auf das Inhaltliche konzentrieren. Man kann auch Erfahrungswerte anderer einholen, beispielsweise bei Wissenschaftspodcasts.de, oder bei Menschen nachfragen, die bei „Sendegate“ nebenberuflich Podcasts machen und einem als Podcastpate zur Seite stehen. Der ansonsten einzige wichtige Rat ist: es einfach ausprobieren!