Weltraumreporter, Flugbegleiter oder KlimaSocial – so heißen einige der „Korallen“, die das Journalismusprojekt der RiffReporter formen. Christian Schwägerl hat die Plattform gemeinsam mit seiner Kollegin Tanja Krämer gegründet, um Lösungen für die Probleme des Wissenschaftsjournalismus zu bieten. Ein Gespräch.
Mit einem Riff voller Korallen gegen den Untergang des Journalismus
Herr Schwägerl, Was genau sind die RiffReporter?
RiffReporter ist zunächst einmal ein neuartiges Konzept, um qualitativ hochwertigen Journalismus aus den Bereichen Wissenschaft, Umwelt, Gesellschaft, Kultur und Technologie zu publizieren, zu verbreiten und zu vermarkten. Wir wollen mit unserer Plattform Journalistinnen und Journalisten dabei unterstützen, eine eigene Leserschaft und Unterstützercommunity aufzubauen und ihre Beiträge besser zu verwerten – mit einem unternehmerischen Hintergedanken.
Wieso braucht es so etwas?
Der Journalismus im Allgemeinen, aber eben auch speziell der Wissenschaftsjournalismus, befinden sich in einer tiefgreifenden Umbruchphase. Es gibt zwar einerseits tolle neue Möglichkeiten und Formate, die wir nutzen können, andererseits ist aber auch der Druck in den letzten Jahren immer höher geworden. Immer weniger Medienhäuser und Verlage leisten sich etwa tiefgehenden Wissenschaftsjournalismus, selbst beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wird ausgerechnet in diesem Bereich gespart. Gleichzeitig gibt es weltweit eine populistische Stimmungsmache gegenüber Medien, weswegen eine kritische und sachkundige Berichterstattung umso wichtiger ist.
Nur leider schmeißen regelmäßig hervorragende Wissenschaftsjournalisten hin und sagen: Ich kann es mir nicht mehr leisten, Journalist zu sein. Wir wollten eine kreative Lösung finden, um es freien Journalistinnen und Journalisten zu ermöglichen, trotz der Veränderungen weiterhin mit höchster Qualität zu arbeiten und auch davon leben zu können.
Ist RiffReporter dann nicht einfach nur noch ein weiterer Verlag bzw. eine weitere Onlinezeitung?
Nein, wir sind etwas Anderes, Neues. Eine Mischung aus Gründerzentrum, kooperativem Medium und Vermarktungsplattform. Bei uns können Journalistinnen und Journalisten aus ihrer Expertise eigene Produkte und Projekte machen und sie direkt den Nutzerinnen und Nutzern anbieten. Sie können ab Mitte 2019 mit RiffReporter ihre fertigen Beiträge auf nutzerstarken Plattformen publizieren und über Schnittstellen an Verlage und andere Lizenznehmer verkaufen. Zudem wollen wir auch Vorträge, Moderationen und Exkursionen gebündelt anbieten. Die Genossenschaft ist dabei keine Chefredaktion, sondern Dienstleisterin gründender Journalistinnen und Journalisten. Unser Riff besteht aus vielen eigenständigen Korallen, die sich mit unterschiedlichen Themen beschäftigen. So entsteht eine Vielfalt, die ein einzelner Verlag in der Tiefe gar nicht erreichen kann.
Wie funktioniert das im Detail?
Primäres Ziel unserer Genossenschaft ist es, unsere Mitgliedern bei der Gründung von journalistischen Projekten zu unterstützen. Wir wollen den Journalistinnen und Journalisten ermöglichen, Themen detaillierter und über einen längeren Zeitraum zu verfolgen. Nehmen Sie als Beispiel die „FlussReporter“. Normalerweise berichten Medien dann über Flüsse, wenn es Hochwasser oder Dürren gibt. Die FlussReporter bleiben dran und bauen ein kontinuierliches Angebot auf – zu Limnologie, Naturschutz, Nutzungskonflikten, Hochwasserschutz. Einnahmen gehören bei uns den Autorinnen und Autoren, und sie geben 15 Prozent an die Genossenschaft ab, um zum Betrieb der Plattform beizutragen.
Wie finanzieren sich die einzelnen Projekte?
Es gibt unterschiedliche Ansätze, die jedes Projekt individuell auswählen kann. Es gibt Projekte, die sich in der Startphase über Stiftungen finanzieren, die ZEIT-Stiftung, die Toepfer-Stiftung und die GLS Treuhand e.V. unterstützen zum Beispiel einzelne „Korallen“. Dann gibt es Projekte, die auf freiwillige Unterstützerinnen und Unterstützer für ihr Thema oder sogar für einzelne Artikel setzen und dann gibt es wiederum solche, bei denen man die Artikel abonnieren kann. Jedes Projekt hat ja eine andere Zielgruppe und wir versuchen eben dann entsprechend die Finanzierungsart zu finden, die für ein bestimmtes Thema passend sein könnte.
In welcher Form unterstützt die Genossenschaft die Projekte?
Wir beraten natürlich zum einen bei der Konzeption, aber vor allem unterstützen wir auch bei den bürokratischen Abläufen und der Anwerbung. Wir versenden beispielsweise die Rechnungen an die Leserinnen und Leser, verbreiten die Artikel über unsere Social-Media-Accounts und stellen eben eine Plattform mit immer neuen Features für die Veröffentlichung zur Verfügung. Außerdem bieten wir die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern. Das ist, denke ich, sehr wertvoll, da wir eine Art Gemeinschaft für die freien Journalistinnen und Journalisten bieten und es so ermöglichen, dass man aus den Erfahrungen der anderen lernt.
Kann im Prinzip jeder mitmachen?
Nein, wir wählen die Autorinnen und Autoren nach strengen Kriterien aus. Wir legen Wert darauf, dass bei RiffReporter professionelle Journalistinnen und Journalisten schreiben, die in dem Bereich, in dem sie schreiben, nicht in Interessenkonflikten stecken. Wir haben deshalb einen sehr klaren journalistischen Kodex und kontrollieren auch über einen Ethikrat, ob potenzielle neue Mitglieder diese Kriterien auch erfüllen. Worüber die Reporterinnen und Reporter dann mit Text, Foto, Audio oder Video publizieren, entscheiden sie selbst. Wichtig ist am Ende, ob das Thema eine Leserschaft erreicht, ein Bedürfnis angesprochen wird und sich ein Projekt damit auch finanziert.
Wie läuft es denn bisher?
Das Feedback vor allem für das Projekt selbst und die Idee ist super. Wir haben einen Grimme-Onlineaward bekommen und unsere Mitgründerin Tanja Krämer und ich sind zu den Wissenschaftsjournalisten des Jahres gewählt worden. Viel besser geht es also in dem Bereich nicht. Auch das Interesse auf Seite der Kolleginnen und Kollegen ist groß und es entstehen immer mehr neue Projekte zu unterschiedlichen Themen.
Was die Leserschaft angeht, gibt es sicher noch Luft nach oben. Allerdings muss man auch hier beachten, dass wir mit der Beta-Version erst seit Februar am Start sind und erst jetzt richtig in Reichweite und Marketing investieren können. Zudem bauen wir unsere Schnittstellen zu externen Plattformen und Verlagen erst auf. Auch echte Korallenriffe brauchen Zeit zum Wachsen.
Wenn Sie träumen dürfen, wohin entwickeln sich die RiffReporter dann?
Bevor ich zu träumen wage, habe ich zwei konkrete Hoffnungen: Erstens, dass wir ausreichend investierende Mitglieder – also private Unterstützerinnen und Unterstützer, Mäzeninnen und Mäzene sowie Stiftungen – finden, die uns in den nächsten zwei bis drei Jahren bei den nötigen Investitionen stärken. Zweitens, dass Wissenschaftsinstitutionen ihre Aufgabe auch darin sehen, ihren Studierenden, Forschenden und Angestellten guten Wissenschaftsjournalismus direkt zugänglich zu machen. Das geht mit unserer Flatrate für Institutionen sehr leicht.
Wenn ich darüber hinaus träumen darf, dann erstens davon, dass es RiffReporter gelingt, über den Journalismus in einen lebendigen Dialog mit der Gesellschaft zu treten. Wir kooperieren dabei bereits mit der Zentral- und Landesbibliothek Berlin in Formaten wie dem „Presseclub für alle“ und „Journalist in Residence“ und wollen dies bundesweit ausbauen. Zweitens träume ich davon, dass Journalistinnen und Journalisten für ihre kritische, sachkundige und aufklärende Arbeit ähnliche Ressourcen zur Verfügung haben wie die Institutionen, über die sie berichten. Dafür braucht es neue Finanzierungswege, die Unabhängigkeit garantieren und die Mittel für aufwendige Recherchen mobilisieren.