Der Science-Slam kurz nach Madlen Zieges Doktorarbeit sollte nur als Kommunikationsübung dienen. Er brachte der Verhaltensbiologin eine Autorenschaft ein, stellte sie vor neue Herausforderungen und eröffnete Zukunftsperspektiven.
„Mir wurde geraten, erst mal mit einem Science-Slam anzufangen“
Frau Ziege, Sie sind Verhaltensbiologin und schreiben gerade Ihr erstes Buch. Wie kam es dazu?
Da war viel Zufall im Spiel. Nach der Verteidigung meiner Doktorarbeit habe ich spontan an meinem ersten Science-Slam in Berlin teilgenommen und die Daten meiner Arbeit vorgestellt. Dabei ging es darum, wie Wildkaninchen auf dem Land und in der Stadt miteinander kommunizieren und ob es Unterschiede gibt. Zwei Tage nach der Veranstaltung bekam ich einen Anruf von einer Berliner Agentur für junge Autoren. Man habe mich auf dem Science-Slam gesehen und könne sich vorstellen, ein Buch daraus zu machen. Auf der Leipziger Buchmesse fanden sich dann tatsächlich Interessenten für mein Exposé, sodass ich nun ein Buch für den Piper-Verlag mit dem Titel „Kein Schweigen im Walde“ schreibe.
Wie kamen Sie auf die Idee, an dem Science-Slam teilzunehmen?
Meine ursprüngliche Idee war, ein Kinderbuch über meine Forschungsergebnisse zu schreiben. Ich fand das Thema passend und habe immer schon gezeichnet und illustriert.
Deshalb habe ich mich bei der Presseabteilung der Uni Frankfurt, an der ich damals promoviert habe, informiert, wie man eine solche Idee realisieren könnte. Mir wurde geraten, erst mal mit einem Science-Slam anzufangen – als Übung, um das eigene Forschungsthema für ein Laienpublikum aufzubereiten. Diese Übung hat ihren Zweck erfüllt und zusätzlich zu einem Buchprojekt geführt, wenn auch für Erwachsene. Im Nachhinein bin ich froh, dass ich mit einem Buch angefangen habe, das ein älteres Publikum anspricht. Mein Thema für eine breite Leserschaft aufzubereiten, fiel mir schwerer als gedacht, und bei einem Kinderbuch hätte ich noch stärker vereinfachen müssen. Mit dieser Vorarbeit ist es nun sicherlich einfacher, später einmal ein Kinderbuch zu verfassen.
Was war für Sie die größte Herausforderung beim Schreiben Ihres Buches?
Um ein gutes populärwissenschaftliches Buch zu schreiben, muss man sich sehr stark überlegen, was man den Leuten mitgeben möchte. Was ist meine Kernbotschaft? Darüber habe ich mir am Anfang kaum Gedanken gemacht. Und genau das fiel mir nach einem halben Jahr dann ziemlich auf die Füße. Ich bin beim Schreiben immer wieder ins Stocken geraten und wusste nicht mehr, warum ich schreibe. Daraufhin habe ich mich gefragt, was mich als Wissenschaftlerin und was meine Zuhörerinnen und Zuhörer begeistert, wenn ich von meiner Forschung erzähle. Daraus habe ich dann meine Kernbotschaft formuliert, und zwar: „Alles was lebt – vom Bakterium über den Baum bis hin zum Mensch – muss mit anderen Lebewesen kommunizieren, um zu überleben.“
Wie kann man die Forschung und das Bücherschreiben unter einen Hut bringen?
Letztes Jahr fiel der Startschuss für das Buch und genau zur gleichen Zeit habe ich eine Stelle als Postdoc und Wissenschaftsmanagerin an der Uni Potsdam begonnen.
Ich habe die Doppelrolle für ein Jahr ausprobiert. Das erste halbe Jahr verlief gut. Doch dann wurde die Belastung zu groß. Wie es in der Wissenschaft so ist: Man hat nicht nur eine Vollzeitstelle, sondern eher eine Mehr-als-Vollzeitstelle. Zudem war der Job als Wissenschaftsmanagerin nicht das Richtige für mich. Ich war bei der Arbeit nicht mehr glücklich und zu Hause hat mir die Energie zum Schreiben gefehlt. Also musste ich mich für eine Sache entscheiden. Ich habe mich entschlossen, die Stelle zu kündigen, um mein Buchprojekt zu Ende zu bringen.
Mein Idealbild für die Zukunft wäre, ein eigenes Forschungsprojekt aufzubauen, aber durch meine Arbeit als Autorin finanziell unabhängig zu sein, so dass ich mich dem wissenschaftlichen Publikationsdruck etwas entziehen könnte So könnte ich meine Begeisterung für die Wissenschaft weiter ausleben, während ich gleichzeitig über sie schreibe.
Profitiert Ihre Wissenschaft von Ihrer Kommunikation und umgekehrt?
Aus meiner Erfahrung definitiv. Durch das Aufbereiten meiner Forschung für ein Laien- oder fachfremdes Publikum sind mir neue Verbindungen bewusst geworden, die ich vorher so nicht gesehen habe. Zudem hat mich das Feedback von Freunden auf neue, interessante Aspekte aufmerksam gemacht. Vielleicht lohnt es sich, die ein oder andere Fragestellung mal von einer anderen Perspektive anzugehen.
Was würden Sie anderen Forschenden raten?
Unterschätzt nicht, wie schwer es ist, Wissenschaft populärwissenschaftlich aufzubereiten – besonders, wenn das neben der wissenschaftlichen Arbeit geschehen soll! Wenn man den geraden Weg in der Forschung gehen will, stellt sich schnell die Frage nach Kosten und Nutzen. Dennoch würde ich jedem empfehlen, einfach mal etwas auszuprobieren: ein Format rauszupicken und seine Forschung der Öffentlichkeit zu zeigen. Mir hat es geholfen, und es hat mir sogar neue berufliche Möglichkeiten aufgezeigt.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Wissenschaft von öffentlichen Geldern bezahlt wird. Wo aber bündelt sich die Wissenschaft am Ende? In Publikationen, zu denen Laien und manchmal sogar Forschende meist keinen Zugang haben. Deshalb finde ich es wichtig, als Wissenschaftlerin auch ein Stück weit wieder Erkenntnisse an die Gesellschaft zurückzugeben.